David Ortner: „Da steckt noch viel mehr drin“

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Autor: Josef Ruhaltinger

David Ortner, CEO und Co-Founder der eyecre.at GmbH im Tiroler Kematen, erklärt, warum 3D-Druck-Modelle von der Haptik und vom Aufbau praktisch lebensecht und didaktisch besser geeignet sind als tierische oder gar menschliche Proben.

Herr Ortner, Sie drucken Augen in 3D. Wozu?
David Ortner: Wir drucken Augen für Schulungen und Vorbereitungen für chirurgische Eingriffe. Unsere Modelle sind lebensecht und werden von Medizinerinnen und Medizinern für Simulationen und Trainings genutzt. Das Einsatzspektrum reicht von Kongressen bis zu OP-Schulungen in den Kliniken, für die wir individuelle Modelle anfertigen.

Individuelle Augenmodelle?
Bis vor Kurzem gab es für diese Zwecke eigentlich nur Augen von toten Schweinen. Sie werden unverändert für den Großteil der Anwendungen genutzt. Aber es gibt viele Sachen, die im Schweineauge nicht abgebildet werden können: Defekte, Komplikationen, Traumata. 3D-Druckmodelle werden für genau diese speziellen Aufgaben aufbereitet. Das ist eine der Stärken des 3D-Drucks – der Fokus kann ganz verschieden gesetzt werden. Vor Kurzem ist ein Arzt an uns herangetreten, ob wir ihm ein Muster bauen, mit dem er und sein Team Injektionen nah beim Sehnerv simulieren können. Eine falsche Positionierung der Nadel und der Sehnerv wird geschädigt. Deshalb wolle er sich und sein Team besser vorbereiten. Denn im schlimmsten Fall wird der Patient blind. Der Mediziner war so motiviert und konnte genau erklären, was er brauchte, dass wir auf seinen Wunsch eingestiegen sind. Es war von vornherein klar, dass der Aufwand zu groß und der Skaleneffekt zu klein sein würde, um daran etwas zu verdienen. Aber wir haben das gemacht, weil die Themen Augenlid, Augenhöhle, Augenhintergrund genau zu unserem Arbeitsbereich passen – und wir auch wieder dazugelernt haben.

David Ortner ist CEO und Co-Founder der eyecre.at GmbH im Tiroler Kematen. Sein Unternehmen (5 Mitarbeitende) verkauft jährlich rund 15.000 künstliche Augen, die in 3D gedruckt werden. Ortner kooperiert eng mit MTS – The wetlab Company GmbH seines Stiefvater Karlheinz Hannig. MTS ist weltweit Marktführer bei der Bereitstellung von Trainings mit Schweineaugen zur Ärzteausbildung.

Gab es für den Augenarzt oder die Augenärztin eine andere Wahl?
Wenn das Schweinsauge nicht verwendet werden kann, dann wird es für Nichtmediziner rasch makaber. Die Alternative für diese Anwendung sind Leichenköpfe. Das kostet sehr viel Geld. Und eventuell genügt für einen Kurs ein Anschauungsmodell nicht. Unsere 3D-Druck-Modelle sind von der Haptik und vom Aufbau praktisch lebensecht und didaktisch deutlich besser geeignet als tierische oder gar menschliche Proben. Bei unserem Augenmodell kann man aus unterschiedlichen Perspektiven nachvollziehen, wie der Stich oder der Schnitt sitzt.

Gibt es so etwas wie das Standard-Auge, von dem hunderte bei Ihnen für den Alltagsgebrauch auf Lager liegen?
Es gibt ein Modell, das wir 2014 schon entwickelt haben – einfach weil Kunden exakt diese Spezifikation wiederkehrend wünschen. Aber dies ist ein Bruchteil unserer Fertigung. Es gibt sonst kein Modell, wo man sagt, das wäre ein Standard-Produkt. Die Kunden haben sehr spezifische Wünsche.

Aber ein Auge ist ein Auge, oder?
Nein (lacht). Das habe ich mir früher auch gedacht. In meinem Geschäft unterteilt man das Auge in den vorderen und den hinteren Abschnitt – das sind verschiedene Welten. Es gibt Kongresse, die befassen sich nur mit dem hinteren Abschnitt und es gibt welche, die reden nur über den vorderen Teil. Glauben Sie mir: Für Ophthalmologen sind diese Bereiche so unterschiedlich wie Sonne und Mond.

Was kostet ein Augenmodell aus Ihren 3D-Druckern?
Das beginnt bei ca. 100 Euro und geht mit der Komplexität nach oben. Die Stückkosten sinken natürlich mit der Anzahl der Exemplare, die verlangt werden. Schweinsaugen für Standardaufgaben liegen bei acht Euro.

Sie sind 2014 in das Geschäft der additiven Fertigung eingestiegen. Welche Rolle kann der 3D-Druck im Gesundheitsbereich einnehmen?
Im Bereich der Schulungen und der Operationsvorbereitung sind wir schon mitten im klinischen und universitären Alltag. Ich glaube aber, dass die Branche der additiven Fertigung und der Gesundheitsbereich in Zukunft besser kooperieren werden. Es gab in der jüngeren Vergangenheit einige Verständigungsprobleme, weil die Treiber der additiven Fertigung Autos bauen wollten und weniger an den Einsatz am Menschen gedacht haben. Die Entwicklungsintensität im medizinischen Bereich war vor zehn Jahren gefühlt nicht so hoch wie heute. Der 3D-Druck hat im Gesundheitsbereich sein Potenzial noch längst nicht mobilisiert. Da steckt noch viel mehr drin.

Wieviel mehr?
Prinzipiell können Sie in der additiven Fertigung alles machen. Sie können Werkstoffe wie Kunststoff, Metall, Keramik verarbeiten. Es gibt auch schon die ersten Schritte für den Druck organischer Materialien. An der Innsbrucker Uni arbeiten Teams an vielversprechenden Versuchen, die Schichten der Haut mithilfe additiver Methoden zu drucken. Es existieren bereits im 3D-Druck gefertigte Stützgitter aus Keramik, die bei schweren Knochenverletzungen implantiert werden und einwachsen. Hüft- und Kniegelenke aus dem 3D-Drucker sind zwar noch nicht Standard, können aber bei Spezialfällen schon am Patienten angewendet werden. Auf alle Fälle sind die Anwendungsmöglichkeiten der 3D-Fertigung im medizinischen Bereich irre. Aber sie brauchen noch etwas Entwicklungszeit, bis der ganz große Durchbruch in den Kliniken erfolgt.

Wie schwierig ist es, neue Technologie in die Kliniken zu bringen?
Der Markt ist oft träge. Unser Produkt hat seine Stärken in der Schulung und der OP-Simulation. Da bringen die Kliniken selten selbst die Finanzierung auf, sondern vertrauen auf Drittmittel.

Drittmittel in der Fach-Schulung von Augenärzten?
Das ist die Realität. Wir haben Projekte in Kooperation mit einer Pharma- und Medizintechnikfirmen. Ist die Finanzierung gesichert, werden die Kongresse und Ausbildungsveranstaltungen von der Ärzteschaft hervorragend genutzt. Eigeninitiativen von Kliniken sind eher selten.

Welches Interesse haben diese Firmen an Schulungen für Augenoperationen?
Sie suchen die Gesamtlösung für ihre Anwender. Sie präsentieren sich dem Facharzt mit einem Angebot, in dem alles aus einer Hand kommt. Und Schulungen werfen keine Compliance-Fragen auf.

Ich frage anders: Wie beschleunigt man die Transformation von technischer Innovation in den medizinischen Alltag?
Die Entscheidungen, was von wem angeschafft wird, fallen heute nicht mehr wie vor zwanzig Jahren. Der Primar, der mit seiner Wunschliste wedelt, den gibt es nicht mehr. Heute läuft der Großteil der Auftragsvergabe über den Weg der Ausschreibungen. Aber es bilden sich unverändert Meinungen und Begehrlichkeiten in den Häusern. Und jüngere Semester nehmen bei Innovationen eher Risiko als reifere Entscheider, die lieber auf das Erprobte setzen. Offensichtlich macht Erfahrung misstrauischer.

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