Das Führungskonzept: Der Schlüssel für nachhaltiges Wertemanagement

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Autor: Prof. Dr. Heinz Naegler

Der auf den Krankenhäusern lastende Druck bringt es mit sich, dass patientenbezogene Entscheidungen nicht nur durch die Bedürfnisse der Patienten, sondern auch durch die Bestandssicherungs-Interessen der Krankenhäuser geleitet werden. Die Krankenhaus-Mitarbeiter bedürfen deshalb der Unterstützung durch die organisationsethische Gestaltung der Organisation des Krankenhauses. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Konfigurierung des Führungskonzepts. Es liegt deshalb nahe, zunächst das Führungskonzept zu implementieren, bevor alle anderen Gestaltungs-Entscheidungen gefällt werden.

1. Begründung des Themas

Die Ergebnisse der Entscheidungen auf der Makro-Ebene, die unter anderem die finanziellen Rahmenbedingungen des Gesundheitssystems prägen, sowie die Ergebnisse der Entscheidungen, die auf der Meso-Ebene im Zusammenhang mit der Umsetzung der Makro-Ebenen-Entscheidungen und der Gestaltung der Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems (Krankenhaus-Leitbild, Zielsetzung, Planung u.a.) durch die verschiedenen Instanzen des Krankenhaus-Leitungssystems gefällt werden, ragen weit in das klinische Kerngeschäft des Krankenhauses hinein (1) (siehe Abbildung 1); sie beeinflussen die Bedingungen und damit die Ergebnisse sowie die Qualität ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Handelns. Interessen, die von Instanzen auf der Makro- und auf der Meso-Ebene vertreten werden – einige von diesen wohl begründet –, reiben sich mit den Bedürfnissen der Patienten, für deren Befriedigung sich Ärzte, Pflegefachkräfte sowie Therapeuten auf der Mikro-Ebene einsetzen.

Die finanziellen Rahmenbedingungen werden sich – zumindest in absehbarer Zeit – voraussichtlich nicht zum Besseren ändern. Die Verantwortlichen in den Krankenhäusern müssen sich deshalb fragen, wie sie mit diesem Druck angemessen umgehen wollen, um Nachteile für Patienten und Mitarbeitende nicht entstehen zu lassen. Sie müssen sich überlegen, wie sie die auf der Ebene des Krankenhaus-Leitungssystems fraglos vorhandenen Handlungsspielräume – trotz aller Einschränkungen (2) – nutzen wollen, um das skizzierte Problem lösen zu können.

Wegen des erheblichen Druckes durch die finanziellen Rahmenbedingungen benötigen die für die Behandlung der Patienten verantwortlichen Akteure zusätzlich der organisationsethischen Unterstützung (3). Es bedarf einer Institution, die das Handeln der Organisation Krankenhaus anhand ethischer Maßstäbe evaluiert (4). Es gilt, Mechanismen zu entwickeln und deren Anwendung zu sichern, damit bei den Entscheidungen auf der Meso-Ebene bedacht wird, welche Folgen diese auf den Handlungsspielraum der für die Patienten-Behandlung verantwortlichen Akteure und damit auf die Qualität der Behandlung (5) sowie auf die Nutzung der knappen Ressourcen haben. Die Organisationsethik regt an zu prüfen, ob die Bedingungen für die klinische Arbeit, ob die Strukturen und Prozesse des Krankenhauses so konfiguriert sind, wie die klinisch tätigen Akteure sie angesichts der zu verfolgenden Krankenhaus-Ziele und der notwendigen Umsetzung der für das Krankenhaus relevanten Werte benötigen. Sie verweist auf die Verantwortung der für die Gestaltung jener Bedingungen zuständigen Gremien bzw. Personen, die es den klinisch tätigen Akteuren ermöglichen, medizin- und pflegeethisch vertretbar zu entscheiden und zu handeln (6).

Es gilt, eine Organisation zu entwickeln, die ihrer – institutionell begriffenen – Verantwortung gegenüber den Patienten (und Mitarbeitenden) nachkommen kann, für die nicht nur die Beziehung zwischen den Patienten und den diese behandelnden Akteuren, sondern auch die Beziehung zwischen den Patienten und der Institution Krankenhaus eine auf gegenseitigem Vertrauen gegründete Sorgebeziehung ist, in der das Bedachtsein auf das Wohl der Patienten eine zentrale Rolle spielt (7).

Die Bedingungen klinischer Arbeit werden durch die Entscheidungen im Zusammenhang mit allen Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems geprägt. So wird durch die Gestaltung der Teilfunktion „Planung“ festgelegt, wer mit welchen Befugnissen an den jährlichen Leistungs- und Ressourcenplanungen beteiligt wird – Geschäftsführer allein (Top-Down-Verfahren) oder Geschäftsführer gemeinsam mit Leitenden Mitarbeitern (Gegenstromverfahren) – mit möglicherweise jeweils unterschiedlichen Ergebnissen, was den Umfang der jährlich zu erbringenden medizinischen und pflegerischen Leistungen und die dafür zur Verfügung gestellten Ressourcen anbelangt. Von zentraler Bedeutung ist aber die Teilfunktion „Führung“. Sie ist eine Art Querschnitts-Funktion: Im Zusammenhang mit der Gestaltung aller anderen Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems werden Führungs-Entscheidungen gefällt. Die Gestaltung der Teilfunktion „Führung“ beeinflusst somit die Gestaltungs-Entscheidungen in allen anderen Teilfunktionen (siehe Abbildung 2). Sie ist damit von zentraler Bedeutung für die Arbeitsbedingungen im klinischen Bereich sowie für die Behandlungs-, Service- und Betriebsführungsqualität und -effizienz.
Es gilt, ein Führungskonzept zu konfigurieren, das dem Einfluss der Führungskräfte (8) auf die Gestaltung der Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems gerecht wird und das die Führungskräfte bei der Wahrnehmung ihrer Führungsaufgaben unterstützt. Die Inhalte dieses Führungskonzepts und wie dieses zweckmäßigerweise entwickelt wird, werden mit diesem Beitrag vor- und zur Diskussion gestellt.

2. Weitere Vorgehensweise

Der vorliegende Beitrag argumentiert dafür, die Personalführung als Schlüssel zu akzeptieren für die organisationsethisch orientierte Gestaltung der Organisation und damit für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen auf der Mikro-Ebene des Krankenhauses. Er untersucht – beispielhaft – den Prozess und das Ergebnis der Gestaltung einzelner Element der Teilfunktion „Führung“ (Abschnitt  4.). Dabei werden Antworten vor allem auf folgende Fragen gesucht:
■ Welche für die Personalführung spezifischen, diese werden später als Grundpostulate (9) bezeichnet, sollten zusätzlich zu den für die Institution Krankenhaus relevanten Werte bei der Gestaltung des Führungskonzepts berücksichtigt werden? (Abschnitt 4.2.)
■ Welche sollten die Inhalte zweier der ausgewählten Elemente des Führungskonzepts sein? (Abschnitt 4.3.)
■ Welchen Einfluss hat die Gestaltung der Teilfunktion „Führung“ auf die Gestaltung der anderen Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems? (Abschnitt 4.4.)
■ Zunächst aber wird danach gefragt, wie der Prozess der Gestaltungs-Entscheidungen organisiert sein sollte. (Abschnitt  3.3.)

Offen bleiben muss vorliegend die Charakterisierung jener Entscheidungen, die im Zusammenhang mit der Gestaltung der anderen Teilfunktionen gefällt werden (10).

3. Die Entscheidungssituation der Krankenhaus-Akteure

3.1. Ein Überblick

Auf der Makro-Ebene des Gesundheitssystems werden Entscheidungen gefällt, die den Handlungsspielraum der im klinischen Bereich handelnden Akteure für das Fällen patientenbezogener Entscheidungen auf der Mikro-Ebene überwiegend mittelbar beeinflussen (siehe 2 in Abbildung 3). Zu den Ergebnissen dieser Makro-Ebenen-Entscheidungen zählt unter anderem das Ausmaß der Fördermittel, die in den Haushaltsplänen der Bundesländer für die Finanzierung der von den Krankenhäusern geplanten Investitionen vorgesehen sind. Ergebnisse der Makro-Ebenen-Entscheidungen sind auch die in dem aktuellen Fallpauschalen-Katalog für die verschiedenen Diagnosen ausgewiesenen Bewertungsrelationen; diese legen zusammen mit dem aktuellen Landesbasisfallwert die Kosten fest, die für das von einem Krankenhaus geplante Leistungsprogramm maximal verursacht werden dürfen.
Die Ergebnisse dieser Art von Entscheidungen werden für Ärzte, Pflegefachkräfte u.a. in der Regel erst dann wirksam, wenn sie auf der Meso-Ebene durch die dafür zuständigen Instanzen des Krankenhauses umgesetzt worden sind. Die Ergebnisse dieser Art von Meso-Ebenen-Entscheidungen sind unter anderem die in den Wirtschaftsplänen und Abteilungsbudgets der Krankenhäuser ausgewiesenen Leistungs- und Ressourcenpläne und damit zentrale Dimensionen der Arbeitsbedingungen für den klinischen Bereich.

Auf der Makro-Ebene werden zudem Entscheidungen gefällt, deren Ergebnisse die Arbeitsbedingungen der im klinischen Bereich tätigen Akteure unmittelbar beeinflussen (siehe 1 in Abbildung 3). Dazu zählt zum Beispiel die (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte; diese verlangt von Ärztinnen und Ärzten ein bestimmtes Verhalten gegenüber den Patientinnen und Patienten, den Kolleginnen und Kollegen, anderen Partnerinnen und Partnern im Gesundheitswesen sowie in der Öffentlichkeit (11).

Auf der Meso-Ebene werden drei Arten von Entscheidungen gefällt, die den Spielraum des Handelns im klinischen Bereich beeinflussen:
■ Von zentraler Bedeutung im Sinne organisationsethischer Arbeit ist die Identifizierung der für das Krankenhaus relevanten Werte und deren Festlegung in dem Krankenhaus-Leitbild. Diese sollen zum einen für das Verhalten der handelnden Akteure gegenüber den Patienten, der Umwelt des Krankenhauses und untereinander bestimmend sein (siehe 3 in Abbildung 3); sie sollen zum anderen als Entscheidungs-Kriterien berücksichtigt werden, wenn als Ergebnis diverser Gestaltungs-Entscheidungen die Strukturen und die Prozesse des Krankenhauses und damit auch die Arbeitsbedingungen für die klinisch tätigen Akteure gestaltet werden (siehe 4 in Abbildung 3).
■ Um gewährleisten zu können, dass die Werte des Krankenhaus-Leitbildes umgesetzt werden (können), gibt das Krankenhaus-Management die dafür geeigneten und für die Teilfunktionen jeweils spezifischen Strukturen und Prozesse vor (siehe 4 in Abbildung 3). Für die Teilfunktion „Führung“ sind das unter anderem die Struktur der Leitung und der Führungsstil.
■ Ihren Beitrag zur Umsetzung der im Krankenhaus-Leitbild ausgewiesenen Werte leisten die Führungskräfte, indem sie die durch das Krankenhausmanagement festgelegten Werte und die durch die Gestaltungs-Entscheidungen gesetzten Normen bei ihrem Umgang mit ihren Mitarbeitenden berücksichtigen (siehe 5 in Abbildung 3). Indem sie zum Beispiel ein auf gegenseitigem Vertrauen basiertes Klima schaffen und ihre Mitarbeitenden so fördern, dass diese die ihnen zugewiesenen Entscheidungsbefugnisse, die Behandlung der Patienten zum Beispiel betreffend, selbständig wahrnehmen können (siehe 6 in Abbildung 3).

Ärzte, Pflegefachkräfte und Therapeuten fällen patientenbezogene Einzelfall-Entscheidungen auf der Mikro-Ebene. Sie orientieren sich dabei an diversen Regelwerken – unter anderem an den Vorgaben des Krankenhaus-Leitbildes. Diese helfen ihnen, den Bedarf an medizinischen und pflegerischen Leistungen mit den begrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen ethisch und rechtlich vertretbar und ökonomisch sinnvoll zu decken (12).

3.2. Entscheidungen auf der Meso-Ebene

Auf der Meso-Ebene werden die Entscheidungen gefällt, die das Wertesystem des Krankenhauses und die übrigen Dimensionen der Bedingungen klinischer Arbeit prägen – soweit diese nicht durch die auf der Makro-Ebene festgelegten Normen konfiguriert werden. Es werden Vorkehrungen getroffen, mit deren Hilfe sichergestellt werden kann, dass die für das Krankenhaus relevanten Werte im Krankenhaus-Alltag wirksam werden können. Dabei handelt es sich notwendigerweise um Entscheidungen in Bezug auf alle Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems. Nachstehend werden indessen nur – es wurde schon darauf hingewiesen – die führungskonzeptrelevanten Entscheidungen thematisiert.

Krankenhaus-Leitbild

Eine der ersten Aufgaben der für das Krankenhaus verantwortlichen besteht darin, die Werte zu identifizieren und festzulegen, die zum einen das Handeln der Krankenhaus-Akteure, deren Umgang mit Patienten, mit dem Krankenhaus-Umfeld und miteinander leiten. Sie sollen den im klinischen Bereich tätigen Ärzten, Pflegefachkräften sowie Therapeuten Orientierung geben für das Abwägen medizinisch- und pflegerisch-fachlicher sowie wirtschaftlicher Notwendigkeiten bei ihren Entscheidungen und Handlungen im Einzelfall. Die für das Krankenhaus relevanten Werte dienen zudem – im Sinne organisationsethischer Arbeit – als Kriterien für das Fällen jener Gestaltungs-Entscheidungen, mit deren Ergebnis die Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems und damit die Arbeitsbedingungen der Krankenhaus-Akteure gestaltet werden (13).

Zu diesen Normen sollten unter anderem die Mission des Krankenhauses, dessen institutioneller Sinn als Teil der Daseinsvorsorge zählen sowie die vier Prinzipien der biomedizinischen Ethik (14), die pflegeethischen Pflichten und Werte in der pflegerischen Versorgung (15), kostensensible Leitlinien(16), Klug-Entscheiden-Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (17) und Regeln für das Rationieren medizinischer Leistungen.

Führung

Mit der Entwicklung des krankenhausspezifischen Führungskonzepts werden die Rahmenbedingungen geschaffen für die Funktionstüchtigkeit des einer Führungskraft zugewiesenen Verantwortungsbereichs sowie für die Zusammenarbeit der weitgehend autonomen Organisationseinheiten des Krankenhauses (18).

Ob und inwieweit die für das Krankenhaus festgelegten Werte umgesetzt und die Unternehmensziele und die geplanten Größen erreicht werden, hängt auch von der Übereinstimmung ab zwischen dem Verhalten, das von den Mitarbeitenden aufgrund ihrer Rolle erwartetet wird, und dem von diesen praktizierten Verhalten. Eine eventuell gegebene Diskrepanz soll durch spezifische Führungsleistungen des jeweiligen Vorgesetzten ausgeglichen werden (19).

Kontrolle

Das Ergebnis der Tätigkeit der Mitarbeitenden des Krankenhauses wird durch einen Vergleich mit dem durch die Aufgabenerfüllung zu erreichenden Zustand kontrolliert. Bei sich abzeichnenden negativen Abweichungen wird durch steuernde Eingriffe in die Realisierung versucht, eine möglichst große Annäherung zwischen dem tatsächlich Erreichten und dem Ergebnis der Planung zu gewährleisten.

Gegenstände der Kontrolle sind allerdings nicht nur die Ergebnisse medizinischer und pflegerischer sowie die der Tätigkeit anderer Berufsgruppen. Kontrolliert werden muss auch, ob die richtigen Vorkehrungen getroffen waren, damit die im klinischen Bereich tätigen Akteure das von ihnen erwartete Verhalten und die von ihnen erwarteten Leistungen realisieren können. Und es muss durch einschlägige Kontrollen sichergestellt werden, dass die für das Krankenhaus relevanten Werte umgesetzt werden und dass diese den Umgang der Krankenhaus-Akteure mit den Patienten sowie miteinander und mit der Umwelt des Krankenhauses auch angesichts des hohen auf den Krankenhäusern lastenden Drucks wirklich leiten (20). Zu den Gegenständen der Kontrolle zählen deshalb alle Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems; aus Platzgründen wird hier eine Auswahl vorgestellt.
■ Es wird kontrolliert, ob die für das Krankenhaus relevanten Werte bestimmt worden sind und ob das Krankenhausmanagement die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass die Werte wirksam werden können. Es wird zudem geprüft, ob die in dem Krankenhaus-Leitbild verankerten Werte noch den allgemeinen gesellschaftlichen Vorstellungen entsprechen, die seit der Festlegung der Werte möglicherweise andere geworden sind. So hat sich zum Beispiel das Verhältnis von Arbeit zu Privatleben über Generationen hinweg verändert; die in dem bestehenden Krankenhaus-Leitbild als Wert verankerten Bedürfnisse der Krankenhaus-Mitarbeitenden sollten deshalb gegebenenfalls einer Revision unterzogen worden sein.
■ Es wird überprüft, ob bei den im Zusammenhang mit der Gestaltung der Teilfunktionen zu fällenden Gestaltungs-Entscheidungen die für das Krankenhaus relevanten Werte berücksichtigt und ob – sofern Werte geändert – die einschlägigen Gestaltungs-Entscheidungen korrigiert worden sind. Weil – zum Beispiel – die Bedürfnisse der Krankenhaus-Mitarbeitende andere geworden sind, sollte das Führungskonzept des Krankenhauses gegebenenfalls entsprechend angepasst worden sein.
■ Es wird untersucht, ob bei den diversen Ausführungs-Entscheidungen, die Leistungs- und die Ressourcenplanung zum Beispiel betreffend, die dafür maßgeblichen Werte berücksichtigt worden sind.
■ Das ist für den Leistungsplan als Bestandteil klinischer Abteilungsbudgets zum Beispiel das Grundpostulat der Planung „Bedarfsgerechtigkeit“ (21). Dessen Berücksichtigung stellt sicher, dass nur jene medizinischen Leistungen in einen Leistungsplan eingestellt werden, für die es einen medizinisch begründeten Bedarf gibt. Damit wird gewährleistet, dass es in Folge der Realisierung des Leistungsplans nicht zur Überversorgung von Patienten kommt; es kann weitgehend ausgeschlossen werden, dass Patienten ohne medizinische Notwendigkeit in die stationäre Behandlung aufgenommen werden, nur weil ein Leistungsplan umgesetzt werden muss, bei dessen Erarbeitung das Grundpostulat „Bedarfsgerechtigkeit“ nicht berücksichtigt worden ist.
■ Für die Personalplanung ist neben anderen Normen die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung bestimmend. Indem diese bei der Personalplanung zugrunde gelegt wird, kann gewährleistet werden, dass in pflegeintensiven Krankenhausbereichen eine ausreichend hohe Zahl von Pflegefachkräften zur Verfügung steht, deren Überlastung damit weitgehend vermieden wird.
■ Zu den Aufgaben der Kontrolleure gehört es festzustellen, ob die diversen Gestaltungs- und Ausführungs-Entscheidungen die Ergebnisse argumentativer, dialogischer Verständigungen sind.
■ Schließlich gehört es zu den Aufgaben der Controller zu prüfen, ob die Führungskräfte bei ihren Führungs-(=Ausführungs-)Entscheidungen die in dem Führungskonzept festgelegten Werte berücksichtigen. So wird – zum Beispiel – kontrolliert, ob der Leitende Arzt entsprechend den Vorgaben des Führungskonzepts einen eher partizipativen Führungsstil praktiziert. Damit soll – unter anderem – sichergestellt werden, dass die Ärzte trotz des auf den Krankenhäusern lastenden finanziellen Drucks Patienten vorrangig an deren Wohlergehen orientiert behandeln (22).

Die Realisierung der Kontrolle ist eine große Herausforderung methodischer Art. Bei den jeweils zu berücksichtigenden Normen handelt es sich vor allem um Verhaltens-Normen. Deren Erfüllen kann einerseits – sehr aufwendig – mithilfe sogenannter Verhaltensbeobachtungsskalen gemessen werden (23). Als Alternative bietet es sich an, die Mitarbeitenden des Krankenhauses regelmäßig zu befragen, um unter anderem herausfinden zu können, wie sie die Wahrnehmung der Verantwortung des Krankenhauses gegenüber den Patienten und die Unterstützung durch ihren Vorgesetzten bewerten, ob die in dem Krankenhaus-Leitbild festgehaltenen Werte im Krankenhaus-Alltag umgesetzt werden und ob das Krankenhausmanagement die Mitarbeitenden bei der Umsetzung der Krankenhaus-Werte unterstützt (24).*

3.3. Zur Vorgehensweise bei Gestaltungs-Entscheidungen

Die Ergebnisse der einschlägigen Gestaltungs-Entscheidungen sollen Ergebnisse einer argumentativen, dialogischen Verständigung sein, an der in der Regel der Geschäftsführer, die Leitenden Ärzte, die Leitenden Pflegefachkräfte sowie Vertreter möglichst aller Berufsgruppen, Leistungsbereiche und Hierarchieebenen beteiligt sind. Auf diese Weise lernen die genannten Akteure, ihre jeweiligen Beiträge zur bestmöglichen Patientenbehandlung und zur Sicherung des Krankenhaus-Bestandes gegenseitig zu schätzen. Die von den genannten Akteuren verfolgten, unterschiedlichen und zum Teil miteinander konkurrierenden Interessen werden offengelegt und zum Ausgleich gebracht. Dabei geht es nicht nur um den Ausgleich zwischen den Interessen des Krankenhauses und denen der klinischen Fachabteilungen, sondern auch um den Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen der klinischen Fachabteilungen untereinander.

Nicht selten sind die erwähnten, an der argumentativen, dialogischen Verständigung beteiligten Akteure nicht hinreichend darauf vorbereitet. Das betrifft sowohl das Verständnis dafür, dass eine solche Verständigung überhaupt notwendig ist, als auch die Bereitschaft, sich daran beteiligen zu wollen, sowie die Fähigkeit für eine sachlich fundierte Diskussion. Die dafür Verantwortlichen kommen deshalb nicht umhin, in die Vorbereitung der Krankenhaus-Akteure für die Teilnahme an diesen Prozessen zu investieren.

4. Das Führungskonzept

4.1. Ziele der Personalführung

Das Ziel der Personalführung ist es, die Rahmenbedingungen für die Funktionstüchtigkeit des einer Führungskraft zugewiesenen Verantwortungsbereichs sowie die Zusammenarbeit der weitgehend autonomen Organisationseinheiten des Krankenhauses (25) zu gewährleisten (26). Das Ziel der Personalführung ist es, dazu beizutragen, dass die dem Krankenhaus gesetzten medizinischen und wirtschaftlichen Ziele realisiert werden. Das Ziel der Personalführung ist es zudem und vor allem, daran mitzuwirken, dass die Werte, denen sich das Krankenhaus verpflichtet hat, umgesetzt werden.

Dazu bedürfen die Führungskräfte eines organisationsethisch ausgerichteten Führungskonzepts, eines Führungskonzepts also, dessen Konfiguration Personalführungs-(Einzelfall-)Entscheidungen im Sinne der weiter oben formulierten Personalführungs-Ziele unterstützt.

4.2. Grundpostulate der Personalarbeit

Die Bedingungen ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Handelns werden in einem multipersonal und arbeitsteilig organisierten Krankenhaus durch Gestaltungs-Entscheidungen beeinflusst, die von einer Vielzahl von Gremien und/oder Personen gefällt werden. Nicht nur der Geschäftsführer, die Leitenden Ärzte und die Leitenden Pflegefachkräfte, sondern auch Vertreter anderer Berufsgruppen, medizinischer und nichtmedizinischer Leistungsbereiche und Hierarchieebenen verfolgen mit ihren Entscheidungen mitunter eigene und vielleicht auch miteinander konkurrierende Interessen. Hinzu kommt: Mit den im Zusammenhang mit der Gestaltung des Führungskonzepts zu fällenden Gestaltungs-Entscheidungen wird über die Verteilung von Macht und Verantwortung auf das Krankenhaus-Leitungssystem auf der einen Seite und die Gesundheitsversorgung auf der anderen sowie über das Maß an Eigenverantwortlichkeit und Selbst­ständigkeit ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Handelns entschieden.

Um angesichts der damit skizzierten Komplexität der Organisation Krankenhaus die weiter oben charakterisierten Ziele der Personalarbeit erreichen zu können, bedarf es spezifischer Werte, die das Verhalten aller Akteure bei allen Personal-Entscheidungen, die diese auf der Meso-Ebene zu fällen haben, leiten. Die Entwicklung eines Führungskonzepts beginnt deshalb mit dem Identifizieren und der Festlegung der für das Krankenhaus relevanten Grundpostulate. In der Tabelle 1 sind einige Beispiele zusammengefasst (27).

Damit die Grundpostulate wirksam werden können, bedarf es deren Operationalisierung. Für jedes Grundpostulat sind Kriterien zu identifizieren, anhand derer die Qualität der Personalarbeit beurteilt werden kann. Beispielhaft sind in der Tabelle 2 für das Grundpostulat „Individualisierung“ jene Kriterien zusammengestellt (28).

4.3. Gestaltung des Führungskonzepts

4.3.1. Elemente des Führungskonzepts im Überblick

Das Krankenhaus ist ein komplexes sozioökonomisches System, das multipersonal und arbeitsteilig organisiert ist. Angesichts dieser Struktur bedarf die Organisation Krankenhaus Regeln, deren Anwendung in diesem die zielgerichtete, die Hierarchieebenen, Leistungsbereiche und Berufsgruppen übergreifende Zusammenarbeit sichert. Diese Regeln sind die Bestandteile des Führungskonzepts, das üblicherweise aus folgenden Elementen besteht (29):
■ Führungsorganisation,
■ Führungstechnik,
■ Führungsstil,
■ Führungsverhalten und
■ Entwicklungs- und Lernperspektive.
Führungskonzepte gibt es nicht von der Stange (30). Führungskonzepte müssen von innen heraus, aufbauend vor allem auf dem der Personalführung im Krankenhaus zu Grunde liegenden Menschenbild und den für das Krankenhaus relevanten Werten und unter Berücksichtigung der für das Führungskonzept bestimmenden Ziele und Grundpostulate entwickelt werden. Der Entwicklungsprozess wird initiiert und getragen von dem Krankenhausmanagement in der obersten Leitungsebene.

Aus Gründen des nur begrenzt zur Verfügung stehenden Platzes können hier nicht alle Elemente des Führungskonzepts vorgestellt werden. Im Fokus des hier präsentierten Textes stehen – wegen ihrer zentralen Bedeutung für die Gestaltung der anderen Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems – die Führungsorganisation und der Führungsstil.

4.3.2. Führungsorganisation

Im Zusammenhang mit der Gestaltung der Führungsorganisation sind zwei Gestaltungs-Entscheidungen zu fällen:

a) Zentralisation versus Dezentralisation von Leitungsaufgaben

Die Befugnis, Leitungsentscheidungen zu fällen und deren Ergebnis anderen zur Ausführung anzuweisen, und die damit im Zusammenhang stehenden Führungsaufgaben werden als Ergebnis einer einschlägigen Gestaltungs-Entscheidung entweder in einer Zentrale an der Spitze des Unternehmens zusammengefasst oder möglichst weitgehend den unteren Leitungsebenen zugeordnet. Die Zentralisierung der Leitungsaufgaben fördert – so wird geschlussfolgert – deren wirksamere Koordination in Hinblick auf die Durchsetzung unternehmerischer Entscheidungen. Die Dezentralisierung der Leitungsaufgaben dagegen erfolgt mit dem Argument, dass aufgrund der – sachlich und räumlich zu interpretierenden – Nähe der Leitenden zu dem zu lösenden Problem dieses schneller und sachlich fundierter gelöst werden kann; die Fähigkeit des Krankenhauses, die Bedürfnisse der Patienten ethisch vertretbar zu berücksichtigen sowie auf neue Herausforderungen und auf Änderungen der Rahmenbedingungen zeit- und sachgerecht zu reagieren, wird gestärkt.

Die Dezentralisierung der Leitungsaufgaben hat einen intensiven Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Leitungsebenen zur Folge; Spannungen zwischen den verschiedenen Leitungsebenen werden abgebaut (31). Die Mitarbeitenden nehmen die Dezentralisierung der Leitungsaufgaben als Befriedigung ihrer Bedürfnisse nach Wertschätzung, Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung (32) wahr.

Ein Beispiel:

Die Bereitschaftsdienstleistungen der Krankenhaus-Ärzte werden entweder finanziell oder durch Freizeitausgleich vergütet. Wer darüber befinden soll, welche der Vergütungsformen praktiziert werden soll, wird mit dem Ergebnis einer Gestaltungs-Entscheidung festgelegt: Entweder wird die Ausführungs-Entscheidung, die Entscheidung nämlich, welche Vergütungsform bei welchem Arzt praktiziert werden soll, dem Geschäftsführer oder den Leitenden Ärzten, den Vorgesetzten der Bereitschaftsdienst leistenden
Ärzte, zugewiesen. Letzteres hat den Vorteil, dass die Leitenden Ärzte bei den zu fällenden Ausführungs-Entscheidungen sowohl die ihnen bekannten Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden berücksichtigen können – vor allem die älteren Ärzte bevorzugen den Freizeitausgleich, weil sie diesen für ihre Erholung benötigen. Die Leitenden Ärzte wissen aber auch um die Wirkungen der mitarbeiterorientierten Entscheidungen auf das Wohl der Patienten: Weil bei der Vergütung durch Freizeitausgleich eine größere Zahl von Ärzten eingesetzt werden muss, können die Patienten während der Dauer ihrer stationären Behandlung nicht immer nur von einem Arzt betreut werden; eine auf Vertrauen basierende Sorgebeziehung zwischen Patient und Arzt kann möglicherweise nicht entwickelt werden. Während den Leitenden Ärzten auf der Grundlage ihrer Kenntnis der Patienten-Bedürfnisse und der Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden ein Ausgleich dieser Interessen zur Zufriedenheit der jeweils Betroffenen gelingt – mit positiver Wirkung für das Image der Abteilung und/oder für das Krankenhaus insgesamt –, würde dieses bei einer dem Geschäftsführer zugewiesenen Ausführungs-Entscheidung vermutlich eher nicht möglich sein.

b) Delegation von Leitungsaufgaben

Zusätzlich zu der Zentralisierung oder Dezentralisierung der Leitungsaufgaben ist festzulegen, ob und in welchem Ausmaß zur Entlastung der Führungskräfte bestimmte Entscheidungs- und Kontrollaufgaben an Mitarbeitende der Führungskräfte delegiert werden (33). Zwei Arten der Delegation kommen dafür in Betracht:
■ Die Befugnis, Entscheidungen zu fällen und gegebenenfalls Dritten zur Umsetzung anzuweisen, wird vollständig an Mitarbeitende übertragen. Die Mitarbeitenden agieren im Auftrag und im Namen ihres Vorgesetzten.
■ Zur Entlastung der Führungskraft wird die Vorbereitung der Entscheidungen Mitarbeitenden zugewiesen. Das Fällen der Entscheidungen und das Veranlassen der Umsetzung durch Dritte verbleiben bei der Führungskraft.

4.3.3. Führungsstil

Der Führungsstil manifestiert sich in einer spezifischen Art von Vorgesetzten-Mitarbeitenden-Beziehung, in einem Informationsaustausch, der dazu dient, die möglicherweise unterschiedlichen Interessen der Krankenhaus-Mitarbeitenden und die des Krankenhauses zu überwinden und auf die Umsetzung der für das Krankenhaus festgelegten Werte und auf die Realisierung der dem Krankenhaus vorgegebenen Ziele hin abzustimmen (34). Die im Krankenhaus-Alltag zu beobachtenden, sehr unterschiedlichen Formen dieser Art von Zusammenarbeit zwischen den Führungskräften und den von ihnen geführten Mitarbeitenden lassen sich – etwas vereinfachend – als sieben Grundformen von Führungsstilen beschreiben (siehe Tabelle 3) (35). Die Spannweite reicht von einem mehr auf die Führungskraft bezogenen – als autoritär bezeichneten – bis hin zu dem als partizipativ betitelten Führungsstil, bei dem der Entscheidungsprozess durch einen Mitarbeitenden bzw. eine Gruppe von Mitarbeitenden geprägt wird.

Von der Art der Zusammenarbeit zwischen den Führungskräften und den von diesen geführten Mitarbeitenden hängt es ab, ob überhaupt bzw. in welchem Ausmaß den Bedürfnissen der Mitarbeitenden nach Sicherheit, Wertschätzung, Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung (siehe Grundpostulat Mitarbeiterorientierung in Tabelle 1) entsprochen wird. So kann davon ausgegangen werden, dass mittels der Art der Zusammenarbeit zwischen der Führungskraft und ihren Mitarbeitenden, die sich eher als autoritärer Führungsstil beschreiben lässt, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden nicht oder nur unzureichend befriedigt werden. Die Mitarbeitenden werden ihre Arbeitssituation hingegen positiv bewerten und sich deshalb mit großer Einsatzfreude für das Umsetzen der für das Krankenhaus relevanten Werte und für das Erreichen der vereinbarten Ziele eintreten, wenn diese eine Folge der Zusammenarbeit ist, die mehr als partizipativer Führungsstil charakterisiert werden kann.

Die Art des im Krankenhaus-Alltag praktizierten Führungsstils hängt einerseits von der jeweiligen Entscheidungssituation ab; sie wird aber vor allem bestimmt durch die Ausprägung der Eigenschaften der jeweils handelnden Führungskräfte und Mitarbeitenden (siehe Tabelle 4). Deshalb: Wenn die dafür Verantwortlichen – Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat und Geschäftsführung vor allem – gewährleisten wollen, dass die Interaktion und die Kommunikation zwischen den Vorgesetzten und deren Mitarbeitenden so umgesetzt werden, dass ein respektvolles Miteinander ermöglicht (36), dass den Bedürfnissen der Mitarbeitenden entsprochen wird und dass die Ziele der Personalführung verwirklicht werden können, dann dürfen sie die Art der Zusammenarbeit zwischen den Führungskräften und ihren Mitarbeitenden nicht den jeweils gegebenen Umständen – Ausprägung der Führungskräfte- und Mitarbeitenden-Eigenschaften – überlassen. Sie müssen von den Führungskräften und den von diesen geführten Mitarbeitenden, – wenn es die Art der Entscheidungs-Situation zulässt, – das Praktizieren eines partizipativen Führungsstils fordern. Sie müssen die Führungskräfte und deren Mitarbeitende dafür gewinnen, diese Art der Zusammenarbeit leben zu wollen. Und sie müssen Führungskräfte und Mitarbeitende – soweit erforderlich – ermuntern, an geeigneten Maßnahmen der Personalentwicklung, sowohl im Sinne der Einstellungs- als auch der Fähigkeitsentwicklung, teilzunehmen, um damit ihre Kompetenzen so zu vervollkommnen, dass sie den partizipativen Führungsstil praktizieren wollen und können.

4.4. Die Teilfunktion Führung als Querschnittsfunktion

Mit Blick auf die Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems ist die Teilfunktion „Führung“ eine Querschnittsfunktion. Die Gestaltungs-Entscheidungen, die anderen Teilfunktionen betreffend (siehe Abbildung 2), werden durch Führungskräfte gefällt – von Führungskräften, die dabei an die in dem Führungskonzept festgelegten Regeln gebunden sind. Die Gestaltung der Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems werden mithin beeinflusst durch die Gestaltung der Teilfunktion „Führung“ und das dadurch geprägte Verhalten der Führungskräfte und das ihrer Mitarbeitenden. Von der Gestaltung der Teilfunktion „Führung“ hängt es demnach ab, ob die Umsetzung der dem Krankenhaus vorgegebenen Werte in das alltägliche Handeln der Krankenhaus-Akteure – und zwar bezogen auf die anderen Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems – gewährleistet werden kann.

Ein Beispiel:

Die Gestaltung der Teilfunktion „Planung“ wird im Regelfall durch den Geschäftsführer initiiert. Welche Akteure an dem Gestaltungsprozess außer dem Geschäftsführer mit welchen Befugnissen beteiligt werden, hängt weitgehend von der Art des in dem Krankenhaus vorgegebenen und praktizierten Führungsstils ab.

-Haben sich die dafür zuständigen Gremien für einen mehr autoritären Führungsstil entschieden und damit dem Geschäftsführer erlaubt, Gestaltungs-Entscheidungen weitgehend allein ohne die Beteiligung der von diesen Entscheidungen Betroffenen zu fällen, kann – muss aber nicht – damit gerechnet werden, dass der Geschäftsführer den ihm eingeräumten Handlungsspielraum nutzt und den Planungsprozess allein nach seinen eigenen Vorstellungen gestaltet.

Es kann – muss aber nicht – angenommen werden, dass unter diesen Voraussetzungen der Planungsprozess im Sinne des Top-Down-Verfahrens organisiert wird mit der Folge: Die für die Umsetzung der Planung Verantwortlichen werden in die jährliche Leistungs- und Ressourcenplanung eher nicht einbezogen; die Umsetzung der in dem Krankenhaus-Leitbild festgehaltenen Werte ist möglicherweise nicht gewährleistet.

-Wenn dagegen von den Führungskräften das Praktizieren eines partizipativen Führungsstils verlangt wird und damit die Mitarbeitenden des Geschäftsführers – das sind die Leitenden Ärzte, die Leitenden Pflegefachkräfte u.a. – in die Entscheidung über die Gestaltung des Planungsprozesses im Sinne einer argumentativen, dialogischen Verständigung einbezogen werden müssen, und wenn von den Gestaltungs-Entscheidern verlangt wird, dass diese bei ihren Entscheidungen das Grundpostulat der Planung „Mitarbeiterorientierung“ berücksichtigen, kann davon ausgegangen werden, dass die Planung als Gegenstromverfahren organisiert wird. Die für die Umsetzung der Planungsergebnisse Verantwortlichen sind an dem Planungsprozess maßgeblich beteiligt und prägen dessen Ergebnis. Die Umsetzung der für das Krankenhaus relevanten Werte und die Realisierung der Planungsergebnisse sollten unter diesen Bedingungen im Regelfall gewährleistet sein.

-Nicht selten werden in einem Krankenhaus zwar die Kernfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems – dazu zählt unter anderem die Teilfunktion „Planung“ (38) – organisationsethisch ausgerichtet gestaltet; ein Führungskonzept dagegen fehlt. Angesichts dieser Voraussetzungen werden die Planungsprozesse zwar möglicherweise im Sinne des Gegenstromverfahrens organisiert und praktiziert; dem Leitenden Arzt einer klinischen Abteilung, der an diesem Planungsprozess mitwirkt, ist es aber unbenommen, ob er seine Mitarbeitenden, die das Ergebnis der Planung umsetzen müssen, in die Planung einbezieht (partizipativer Führungsstil) oder nicht (autoritärer Führungsstil).

Damit wird deutlich, dass der Gestaltung der Teilfunktion „Führung“ bei der Gestaltung der Organisation Krankenhaus eine Schlüsselrolle zukommt. Von der Konfiguration der Teilfunktion „Führung“ hängen die Art der Gestaltung aller anderen Teilfunktionen des Krankenhaus-Leitungssystems und damit die Art der Ausführung der im Rahmen der Teilfunktionen wahrzunehmenden Aufgaben ab. Wenn die dafür Verantwortlichen – das sind vor allem die Gesellschafterversammlung, der Aufsichtsrat und die Geschäftsführung – sicherstellen wollen, dass trotz des erheblichen, auf den Krankenhäusern lastenden finanziellen Drucks eine medizin- und pflegeethisch vertretbare Behandlung der Patienten gewährleistet werden soll, dann müssen sie zuerst die Teilfunktion „Führung“ entsprechend gestalten. Sie müssen als Ergebnis einer argumentativen, dialogischen Verständigung mit den von dem Ergebnis der Gestaltung Betroffenen und damit auf der Grundlage einer auf gegenseitigem Vertrauen und auf gegenseitiger Wertschätzung etablierten Zusammenarbeit zwischen den genannten Akteuren die Leitungsstruktur dezentralisieren und die Führungskräfte verpflichten, partizipativ zu führen.

5. Fazit

Der auf den Krankenhäusern und auch auf deren Mitarbeitenden lastende finanzielle Druck bringt es mit sich, dass patientenbezogene Entscheidungen durch Ärzte, Pflegefachkräfte und Therapeuten nicht nur durch die Bedürfnisse der Patienten, sondern auch durch die Bestandssicherungs-Interessen der Krankenhäuser geleitet werden. Dieser Entwicklung entgegenwirken zu wollen durch die Aufforderung an die genannten Akteurinnen und Akteure, nur medizin- und pflegeethisch vertretbare Leistungen zu erbringen (39), wird nur teilweise erfolgreich sein können. Die Mitarbeitenden des Krankenhauses bedürfen, um entsprechend handeln zu können, der Unterstützung durch die organisationsethisch ausgerichtete Gestaltung der Organisation Krankenhaus als Ganzes.

Die Teilfunktion des Krankenhaus-Leitungssystems „Führung“ spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Von der Konfigurierung des Führungskonzepts hängt es ab, wie die anderen Teilfunktionen gestaltet und ob die Arbeitsbedingungen für den klinischen Bereich des Krankenhauses so beschaffen sind, dass Ärzte, Pflegefachkräfte und Therapeuten patientenbezogene Entscheidungen primär an den Bedürfnissen der Patienten orientieren, dabei aber auch das Bedürfnis des Krankenhauses, dessen Bestand nachhaltig zu sichern, berücksichtigen können. Von der Art des Führungskonzepts hängt es ab, ob nicht nur die Arzt-Patienten-Beziehung, sondern auch die Krankenhaus-Patienten-Beziehung eine treuhänderische Sorgebeziehung ist, ob das Wohl der Patienten als Leitmotiv des Handelns aller Krankenhaus-Akteure wirksam ist.

Autor:

Prof. Dr. Heinz Naegler
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
heinz.naegler@arcor.de

Literatur:
1 Kettner M (2005): Wozu Organisationsethik im Krankenhaus?, in: Krukemeyer MG et al. (Hg.): Krankenhaus und soziale Gerechtigkeit, Schattauer, Stuttgart 2005, 30-38
1a Naegler H (2022): Die Rolle des Controllings im Rahmen einer Organisationsethik des Krankenhauses, Ethik in der Medizin 4, 549 – 571
2 Sachs I (1994): Handlungsspielräume des Krankenhausmanagements. Bestandsaufnahme und Perspektiven, Deutscher Universitäts Verlag, Wiesbaden
3 Marckmann G (2021): Ökonomisierung im Gesundheitswesen als organisationsethische Herausforderung. Ethik in der Medizin 2: 189-201
4 Rabe M (2012): Ethische Reflexion und Entscheidungsfindung in der intensivmedizinischen Praxis, Salomon F (Hrsg.): Praxisbuch Ethik in der Intensivmedizin. Konkrete Entscheidungshilfen in Grenzsituationen, 2., aktualisierte und erweiterte Auflage, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin, 29-39
5 Woellert K (2021): Praxisfeld Klinische Ethik. Theorie, Konzepte, Umsetzung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin
6 Woellert K (2023): Versorgungsqualität braucht Organisations- und Führungsethik, Riedel A., Lehmeyer S. (Hrsg.): Ethik im Gesundheitswesen, Springer Reference Pflege – Therapie – Gesundheit, Berlin – Heidelberg, 955-976. Zugang: https://www.amazon.de/Ethik-Gesundheitswesen-Springer Reference Pflege/dp/3662586797?asin=3662586797&revisionId=&format=4&depth=1, Zugriff: 24.1.2023
7 Naegler H (2021): Medizin auf der Grundlage einer treuhänderischen Sorgebeziehung. Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2: 93-99
8 Woellert K (2023): Versorgungsqualität braucht Organisations- und Führungsethik, Riedel A., Lehmeyer S. (Hrsg.): Ethik im Gesundheitswesen, Springer Reference Pflege – Therapie – Gesundheit, Berlin – Heidelberg, 955-976. Zugang: https://www.amazon.de/Ethik-Gesundheitswesen-Springer Reference-Pflege/dp/3662586797?asin=3662586797&revisionId=&format=4&depth=1, Zugriff: 24.1. 2023
9 Scholz Chr (2014): Personalmanagement. Informationsorientierte und verhaltenstheoretische Grundlagen, 6., neubearbeitete und erweiterte Auflage, Verlag Franz Vahlen, München
10 Naegler H (2022): Die Rolle des Controllings im Rahmen einer Organisationsethik des Krankenhauses. Ethik in der Medizin 4: 549-571
11 (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte – MBO-Ä 1997 (2011) – in der Fassung der Beschlüsse des 114. Deutschen Ärztetages 2011 in Kiel, Kiel
12 Marckmann G (2015): Kostensensible Leitlinien als Instrumente einer expliziten Leistungssteuerung im Gesundheitswesen: ethische Grundlagen, Marckmann G (Hrsg.): Kostensensible Leitlinien. Evidenzbasierte Leistungssteuerung für eine effiziente und gerechte Gesundheitsversorgung, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin, 31-53
13 Marckmann G; Maschmann J, (2014): Zahlt sich Ethik aus? Notwendigkeit und Perspektiven des Wertemanagements im Krankenhaus. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 3: 157-165
14 Beauchamp TL; Childress JF (2019):, Principles of Biomedical Ethics, 8th Edition, Oxford University Press Inc, New York
15 International Council of Nurses (2021): Der ICN-Ethikkodex für Pflegefachpersonen, überarbeitet 2021, CN – International Council of Nurses; Franke A (2017): Pflegeethik. Die Pflege zwischen Dienstleistung und Moral, GRIN Verlag, Norderstedt. Zugang: https://www.grin.com/document/427539, Zugriff: 27.10.2022
16 Marckmann G (2015): Kostensensible Leitlinien als Instrumente einer expliziten Leistungssteuerung im Gesundheitswesen: ethische Grundlagen, Marckmann G (Hrsg.): Kostensensible Leitlinien. Evidenzbasierte Leistungssteuerung für eine effiziente und gerechte Gesundheitsversorgung, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin, 31-53
17 Hasenfuß G et al. (2017): Gegen Unter- und Überversorgung, Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (Hrsg.): Initiative „Klug entscheiden“, Deutsches Ärzteblatt 113, Sammelband, 6-9
18 Grossmann R (1993): Leitungsfunktionen und Organisationsentwicklung im Krankenhaus, Badura B et al. (Hrsg.): System Krankenhaus. Arbeit, Technik und Patientenorientierung, Juventa Verlag, Weinheim und München, 301-321; Garbsch M (2012): Systemische Führungsentwicklung. Verknüpfung von Führungskräfte- und Organisationsentwicklung am Beispiel eines Krankenhauses, Carl-Auer-Systeme Verlag, Heidelberg
19 Staehle WH (1999): Management. Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive,
8., überarb. Aufl., Verlag Franz Vahlen, München
20 Marckmann G (2021): Ökonomisierung im Gesundheitswesen als organisationsethische Herausforderung, Ethik in der Medizin 2, 189-201
21 Naegler H (2022): Das Gestalten der Pflegedienst-Arbeitsbedingungen. Eine organisationsethische Herausforderung, Pflegewissenschaft 5, 295-308
22 Marckmann G; Maschmann J (2014): Zahlt sich Ethik aus? Notwendigkeit und Perspektiven des Wertemanagements im Krankenhaus, Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 3, 157-165
23 Domsch M; Gerpott TJ (1985): Verhaltensorientierte Beurteilungsskalen. Eine Analyse von Varianten eines Ansatzes zur Verbesserung der Methodik der Leistungsbeurteilung von Mitarbeitern, Die Betriebswirtschaft 6, 666-689
24 Marckmann G; Maschmann J (2014): Zahlt sich Ethik aus? Notwendigkeit und Perspektiven des Wertemanagements im Krankenhaus, Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 3, 157-165; Rechkemmer K (2020): Innere Qualität: Theoretische Konzeption, Management und Politik, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen; Naegler H (2011): Management der sozialen Verantwortung im Krankenhaus. Corporate Social Responsibility als nachhaltiger Erfolgsfaktor, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin
25 Grossmann R (1993): Leitungsfunktionen und Organisationsentwicklung im Krankenhaus, Badura B et al. (Hrsg.): System Krankenhaus. Arbeit, Technik und Patientenorientierung, Juventa Verlag, Weinheim und München, 301-321.
26 Garbsch M (2012): Systemische Führungsentwicklung. Verknüpfung von Führungskräfte- und Organisationsentwicklung am Beispiel eines Krankenhauses, Carl-Auer-Systeme Verlag, Heidelberg
27 In Anlehnung an Scholz Chr. (2014): Personalmanagement. Informationsorientierte und verhaltenstheoretische Grundlagen, 6., neubearbeitete und erweiterte Auflage, Verlag Franz Vahlen, München; Marckmann G (2021): Ökonomisierung im Gesundheitswesen als organisationsethische Herausforderung, Ethik in der Medizin 2, 189-201
28 Scholz Chr. (2014): Personalmanagement. Informationsorientierte und verhaltenstheoretische Grundlagen, 6., neubearbeitete und erweiterte Auflage, Verlag Franz Vahlen, München
29 von Eiff W (2000): Führung und Motivation in Krankenhäusern. Perspektiven und Empfehlungen für Personalmanagement und Organisation, Verlag W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
30 von Eiff W (2000): Führung und Motivation in Krankenhäusern. Perspektiven und Empfehlungen für Personalmanagement und Organisation, Verlag W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
31 Naegler H (2019): Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführern und Chef-Ärzten verbessern, das Krankenhaus 1, 39-45
32 Staehle WH (1999): Management. Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive,
8., überarb. Aufl., Verlag Franz Vahlen
33 Holtbrügge D (2018): Personalmanagement, 7., überarbeitete und erweiterte Auflage, Springer-Verlag GmbH, Berlin
34 Neuberger D (1977): Organisation und Führung, Verlag W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
35 Tannenbaum R; Schmidt WH (1973): How to Choose a Leadership Pattern. Should a manager be democratic or autocratic or something in between?, Harvard Business Review 3, 162-168.
35a Naegler H; Garbsch M (2021): Personalmanagement im Krankenhaus, 5., erweiterte und aktualisierte Auflage, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin
36 Burmeister Chr (2021): Organisationsethik in Einrichtungen des Gesundheitswesens, Ethik in der Medizin 2, 153-158
37 Bühner R (2005): Personalmanagement, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, R. Oldenbourg Verlag, München-Wien und Naegler H; Garbsch M (2021): Personalmanagement im Krankenhaus, 5., erweiterte und aktualisierte Auflage, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin
38 Naegler H (2011): Management der sozialen Verantwortung im Krankenhaus. Corporate Social Responsibility als nachhaltiger Erfolgsfaktor, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin
39 „Am Krankenbett wird nicht gerechnet“ Klinikum Dortmund, Unser Kodex. Zugang: https://www.klinikumdo.de/kliniken-zentren/kliniken-abteilungen-m-z/urologie/urologischer-kodex, Zugriff: 6.2.2023)

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