Stellen Sie sich vor, Sie steigen in Ihr Auto und fahren einfach los, vorher angurten und natürlich starten. Machen Sie sich jemals Gedanken, ob Ihr Motor auch wirklich gut geschmiert ist? Ob die Kühlflüssigkeit korrekt umläuft? Ob Ihre Abgaswerte den Normen entsprechen? Höchstens, wenn Sie durch ein Lamperl aufgefordert werden, Ölstand etc. zu kontrollieren. Die „Qualitätssicherung“ für Ihr Autofahren erledigt „irgendjemand“ im Hintergrund. Nachvollziehbar sind das der Autohersteller, die Zulieferer, die kontrolliert werden und enge Qualitätskorsette zu erfüllen haben, die Werkstatt Ihres Vertrauens, in der Wartungen, Kontrollen, Messungen (mit hoffentlich kalibriertem Prüfmittel) etc. durchgeführt werden, die Tankstelle, an der Sie kontrollierten Treibstoff kaufen, und so weiter.
Auch in der Medizin und vor allem in der medizinischen Labor-Diagnostik (medizinisch-chemisches Labor, Mikrobiologie, Pathologie, Genetik) muss sichergestellt sein, dass ein Befundergebnis mit höchster Sicherheit richtig ist, da dieses Ergebnis Grundlage einer therapeutischen Entscheidung sein kann. Die klinischen Kollegen verlassen sich naturgemäß auf die Ergebnisse, sie können die „Black Box Labor“ im stressigen Alltag auch nicht mehr hinterfragen.
Diesen Ansatz des vollkommenen Vertrauens kann ein seriös arbeitendes medizinisches Labor nur dann bieten, wenn es qualitätsgesichert arbeitet, also alle Prozesse, alle Ergebnisse in hohem Maße standardisiert sind, nachvollziehbar gemacht werden und rückverfolgbar sind.
Und jetzt stellen Sie sich nochmals die Sache mit dem Auto vor: Sie haben eine Panne oder gar einen Unfall, aus irgendeinem Grund steht auch die Haftung von Werkstatt oder Hersteller zur Diskussion, Daten müssen ausgewertet werden, Sie bestehen auf Wartungsprotokollen oder auch auf Lieferkettenrückverfolgung. Das alles bekommen Sie auch, weil die Industrie längst begriffen hat, dass nur ein „klar definierter Eiskanal“ den Viererbob ins Ziel bringt, um wieder ein Bild zu strapazieren. Klare Prozesse, klare Standards, die wenig Abweichung erlauben, Kontrollstellen, an denen geprüft wird etc.
Und schließlich wieder das medizinische Labor: Auch hier muss alles nachvollziehbar, rückverfolgbar, aufrollbar sein, damit bei Unklarheiten nicht erst die Frage nach der Verantwortung im Labor gestellt werden muss und man vielleicht so draufkommt, dass irgendein Prozess nicht funktioniert hat.
Zertifizierung und Akkreditierung
Viele Labors sind daher nach ISO 9000 zertifiziert, wenige nach der ISO 15189 akkreditiert. Der Unterschied? Bei einer Zertifizierung überprüft eine zugelassene Stelle (Zertifizierungsstelle), ob eine Einrichtung (in diesem Fall das Labor) einer konkreten Norm (der ISO 9000) entspricht, wobei neben den üblichen QM-Themen wie Fehlermanagement, Beschwerdemanagement etc. vor allem die Prozesse im Fokus stehen, egal worum es letztlich geht.
Bei einer Akkreditierung nach ISO 15189 wird ein Labor ebenfalls „begutachtet“ (= auditiert), allerdings direkt von einer staatlichen Einrichtung, der Akkreditierung Austria (die auch die Zertifizierungsstellen zulässt). Das geschieht mithilfe von Sachverständigen, die eigens geschult werden für die jeweiligen Fachgebiete. Denn bei einer Akkreditierung werden nicht nur die QM-Themen der ISO 9000 abgefragt, sondern steht auch die fachliche Kompetenz auf dem Prüfstand. Personalqualifikationen, Einschulungsprozesse, Fortbildungsaktivitäten, räumliche Umgebungsbedingungen, Reagenzien- und Gerätemanagement, Implementierung von Untersuchungsmethoden, Verifizierung und Validierung von Methoden, Ringversuche sind natürlich obligat und ebenso der Freigabeprozess von Befundergebnissen. Immer im Vordergrund steht die Konformität mit den Anforderungen der ISO 15189, also die Frage, ob der Prozess in dem jeweiligen Labor den Anforderungen der Norm entspricht oder nicht. Nichtentsprechung bedeutet „Non-Konformität“, was wiederum bedeutet, dass das Labor diese kompensieren muss mit Maßnahmen oder Änderungen von Prozessen.
ISO 15189-Konformität in der Praxis
Nehmen wir als praktisches Beispiel das leidige Thema „Corona“ her. Eine Behörde oder ein Patient hinterfragt ein Ergebnis selten – höchstens, wenn es Ungereimtheiten gibt. Das Labor muss einen klaren Prozess für diese Analyse fahren, damit jeder Schritt im System qualitätsgesichert ist. Beginnen wir mit dem PCR-Kit. Dieser muss von einem Hersteller stammen, der das Produkt als IVD-CE auf den Markt gebracht hat. Das Labor muss in so einem Fall nur intern anhand von bekannten Proben vor der Erstverwendung prüfen, ob der Kit auch hält, was er verspricht (= Verifizierung). Ist der Kit z.B. ein sogenannter RUO (research use only), dann muss das Labor sogar eine umfängliche Leistungskennzahlerhebung durchführen (=Validierung), um zu beweisen, dass der Kit den Anforderungen in Bezug auf z.B. Spezifität, Sensitivität etc. entspricht. Das kann mitunter komplex werden. Das „bloße“ Verwenden eines kommerziellen Kits vom Stand weg ist in einem akkreditierten Labor nicht zulässig.
Der Kit muss natürlich bis zur Verwendung (für den vom Hersteller festgelegten Zweck, z.B. Nachweis von SARS-CoV-2 aus Nasen-Rachenabstrichen, was bedeutet, dass ein Abstrich z.B. aus einer anderen Stelle nicht mehr in der Zweckbestimmung liegt und eigentlich vom Labor validiert werden muss) so gelagert werden, wie das der Hersteller vorgibt. Bei Kühlschranklagerung muss natürlich gewährleistet sein, dass die Kühlschranktemperatur stimmt, dass also 5° C tatsächlich 5° C sind. Das wiederum lässt sich nur mit einer regelmäßigen (üblicherweise einmal jährlichen) Kalibrierung feststellen. Die Kühlschrank-Temperatur muss gegen eine Referenz gemessen werden, diese Referenz, meist ein kalibriertes (früher: geeichtes) Thermometer, muss von einer ebenfalls akkreditierten Kalibrierstelle kalibriert worden sein. Damit die Zeit zwischen zwei Kalibrierungen nicht ungenutzt verstreicht, muss der Kühlschrank noch dazu täglich überwacht (und dokumentiert) werden, denn es könnte ja ein Ausfall eines Thermostats wieder eine neue Situation schaffen.
Bis hierher ist alles qualitätskontrolliert. Jetzt wird der Kit verwendet, das Probenmaterial stimmt. Jetzt möchte das Labor, aus Kostengründen, Proben poolen. Poolen bedeutet, dass definierte Aliquots aus mehreren Proben in ein Probengefäß zusammengeführt werden und als „eine Probe“ behandelt werden. Wenn die Gesamtprobe negativ ist, ist davon auszugehen, dass alle darin aliquotierten Proben es auch sind. Ist die Pool-Probe „positiv“, ist also Virus-RNA nachweisbar, müssen alle Originalproben einzeln wiederholt werden, damit man die positive Probe der Originalprobe zuordnen kann. Nur: Diese Abänderung der Zweckbestimmung durch das Labor muss natürlich validiert werden, es muss ein Validierungsbericht vorliegen, aus dem letztlich hervorgeht, dass unter qualitätsgesicherten Gegebenheiten in einer Serie von Analysen bestätigt wurde, dass die Vorgangsweise zu den gleichen Ergebnissen führt, wie wenn die ursprüngliche Zweckbestimmung eingehalten worden wäre. Auch hier also: Das Poolen vom Fleck weg als Maßnahme des Labors ist im akkreditierten Rahmen nicht zulässig.
So eine PCR muss von qualifiziertem Personal durchgeführt werden, das zu diesem Zweck eingeschult und befugt ist, bei einem Audit würde dies auch überprüft werden. Nach einem Lauf müssen alle Kit-immanenten Freigabekriterien überprüft und dokumentiert werden, erst dann darf ein Befund freigegeben werden. Auch die Befundfreigabe ist im akkreditierten Setting genau zu definieren.
Im Zuge der Umsetzung der In vitro-Diagnostika-Richtlinie der EU aus 2017 ergibt sich zusätzlich ein Aspekt, der zu einer gewissen Unruhe unter den Labors in Österreich geführt hat. Wendet sich die IVD-R zwar überwiegend an den Hersteller eines IVD-Produktes, so gibt es einen Passus, der sich auch an die Labors selbst wendet, in dem festgelegt wird, dass, wenn ein Labor von der Zweckbestimmung abweicht, eine Validierung mit einem geeigneten QM-System durchzuführen ist; analog der ISO 15189, die hier implizit erwähnt ist. Mit anderen Worten: Ideal wäre es, wenn man ein QM-System nach ISO 15189 betreibt, denn dann kann man bei einer konkreten Abweichung von der Zweckbestimmung (was durchaus immer wieder gemacht wird und sogar oft nötig ist) unter dem Schirm der ISO 15189 beruhigt validieren.
Akkreditierung: selten aber sinnvoll
Aus diesem Grund streben einige medizinische Labors in Österreich (derzeit sind es nur wenige, die akkreditiert sind) eine Akkreditierung an, die in Österreich grundsätzlich für medizinische Labors nicht verpflichtend ist, anders als in vielen anderen europäischen Staaten. Vorteil einer breiten Akkreditierung unter den Labors wäre ein gewisses Maß an Standardisierung in den Methoden und letztlich eine externe Bestätigung für die Labors, dass Kunden (Zuweiser, Patienten) in die Analyseergebnisse höchstes Vertrauen haben können – ein AMA-Gütesiegel für medizinische Labors gewissermaßen.
Der Aufwand, zu einer Akkreditierung zu kommen, ist nicht gering – sowohl was die Kosten für die Akkreditierung selbst betrifft als auch die internen Kosten. Aber letztlich – und ich kann das aus mittlerweile 14 Jahren Akkreditierungserfahrung sagen – zahlt es sich aus: Denn irgendwann gibt es nur mehr qualitätsgesicherte Prozesse, die zwar Fehler nicht verhindern können, aber die Fehleraufarbeitung derart gestalten, dass gesichert ist, dass man versucht, strukturiert aus Fehlern zu lernen und so den Kreislauf der Qualitätssicherung aufrecht zu erhalten.
Autor:
Dr. Milo Halabi
Facharzt für klinische Pathologie und Molekularpathologie
Vinzenz Pathologieverbund GmbH
Standortleiter Institut f. Pathologie Ried
Mitglied der Geschäftsleitung, Prokurist
Institutsanschrift:
Institut für klinische Pathologie, Mikrobiologie und molekulare Diagnostik
Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried
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