Gewaltschutzgruppe

Lesedauer beträgt 1 Minuten
Autor: Barbara Stecher & Elmar W. Zormann

Qualitätsmanagement der a.ö. Krankenhaus St. Vinzenz Betriebs GmbH implementiert die Gewaltschutzgruppe gemeinsam mit einer Studentin der Gesundheits- und Krankenpflege.

Opfer häuslicher Gewalt werden in Gesundheitseinrichtungen nur unzureichend als solche erkannt. Folglich sind Schutz­suchende erneuter, potenzieller Gefahr ausgesetzt. Im §8e des KAKuG ist festgelegt, dass Krankenanstalten eine Kinder- und Opferschutzgruppe (in der Folge als Gewaltschutzgruppe bezeichnet) einzurichten haben. Über 1,8 Millionen Österreicher, das sind zwanzig Prozent der Bevölkerung, berichten über Gewalterfahrungen innerhalb der Familie1. Dabei ist die Eskalation einer Gewaltbeziehung kein Einzelereignis. Im Schnitt suchen Betroffene fünfmal eine Gesundheitseinrichtung auf, ehe der Gewalthintergrund anamnestisch erfasst wird (2).

Nach einem prägenden Patientenkontakt in der praktischen Ausbildung und der folgenden intensiven wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Thematik des Opferschutzes landete die Studentin der Gesundheits- und Krankenpflege, Barbara Stecher, schließlich im Büro des Qualitätsmanagements. Bis dahin war die Implementierung einer strukturierten Gewaltschutzgruppe (GSG) noch nicht erfolgt und so konnte das Projekt unter der Leitung des Qualitätsmanagers Elmar Zormann priorisiert und nach Genehmigung der Geschäftsführung gestartet werden. Wichtig war von Anfang an, die bisherigen Erfahrungen der Kinderschutzgruppe zu integrieren und den Aufbau evidenzbasiert voranzutreiben. Die einzelnen Inhalte des Projektmanagements sollen in der Folge näher ausgeführt werden.

Umfeldanalyse

In einem ersten Schritt wurden im Team nach den Regeln des Brainstormings alle Stakeholder – also Personen, die das Projekt fördern oder behindern können – nach ihren Einstellungen, Erwartungen, Befürchtungen und ihrem Konfliktpotenzial bewertet. Zusätzlich erfolgten zwölf einstündige, halbstrukturierte Interviews mit ausgewählten Personen im Haus, die anschließend von uns transkribiert und codiert wurden. Diese Vorgehensweise lieferte sehr wertvolle Erkenntnisse für die weitere Arbeit. Die daraus definierten Strategiemaßnahmen flossen in den Projektstrukturplan (s. Abb oben) ein.

Projektstrukturplan (PSP)

Die festgelegten Maßnahmen des Projektstrukturplans bildeten die essenzielle Grundlage der Ablaufplanung. Wie erwähnt, fanden sich im PSP auch die strategischen Schritte wieder, die sich aus der Umfeldanalyse ergaben. Für die anfängliche Ideenfindung bewährten sich simple Notizen auf „Post-Its“, die vorerst auf die freie Wand im Büro geklebt wurden. Die visuelle Methode erlaubte eine schnelle Bearbeitung mit Ideen. Waren keine Ergänzungen mehr notwendig, konnte der „Post-It-PSP“ digitalisiert und für den Ablaufplan vorbereitet werden.

Ablaufplan

Der Ablaufplan diente der Orientierung des Projektes. Dabei wurden die zugrundeliegenden Tätigkeiten aus dem PSP einem zeitlichen Rahmen zugeordnet. Wir machten immer wieder die Erfahrung, dass es trotz sorgfältiger Planung durch unvorhergesehene Stolpersteine zu Projektverzögerungen kam.

Projektvertrag

Ein essenzielles Instrument und Basis des Projektes war die Erstellung des Projektvertrages mit folgenden Punkten.

Ausgangssituation:

■ Im Krankenhaus gibt es derzeit keine strukturierte Vorgehensweise / Versorgung im Umgang mit gewaltbetroffenen Patienten.
■ Gesetzliche und moralische
Verpflichtung.
■ Kinderschutzgruppe ist vorhanden.

Ergebnisziele:

■ Strukturierte GSG mit einem stabilen, ausgebildeten Team.
■ Behandlungspfad für die Betreuung der betroffenen Patienten (Prozesse).
■ Dokumentationswesen ist implementiert.
■ Ein geeignetes Screeningmodell ist mit der Einführungsphase der GSG implementiert.

Nutzungsziele:

■ Standardisierte Vorgehensweise in der Behandlung von Personen nach häuslicher Gewalt.
■ Laufende Sensibilisierung und Hilfestellung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Betreuung von betroffenen Personen von häuslicher Gewalt.
■ Sensibilisierung zum Angebot der GSG via Infoscreens, Flyer, Aufkleber, Patientenbroschüren etc. für alle
Personen im Haus.

Prozessziele:

■ Das Team der GSG wird für seine Tätigkeit optimal vorbereitet und bringt seine Kenntnisse in die Weiterentwicklung mit ein.
■ Die Belegschaft ist von den Zielen bzw. generell über die GSG vorinformiert und sensibilisiert.
■ Vernetzung und Erfahrungsaustausch mit anderen GSG in Österreich.

Nicht-Ziele:

Auf die Definition von Nicht-Zielen legt das Qualitätsmanagement bei Projekten großen Wert, um sich von zeitfressenden, nicht relevanten Tätigkeiten zu distanzieren. Diese sind in diesem Fall
■ Aufbau/Implementierung des De­eskalationsteams,
■ Öffentlichkeitsarbeit.

Kritische Erfolgsfaktoren:

Dies sind jene Parameter, die unser Projekt fördern, aber auch behindern können.
■ Multiprofessionelle Zusammenarbeit.
■ Völlige Transparenz in der Projekt­gruppe.
■ Stabiles Projektteam.
■ Zeitliche Ressourcen für die Leitung und Koordination der GSG.
■ Vermehrter Zeitaufwand in der Betreuung der identifizierten Betroffenen nach Sensibilisierung der Mitarbeiter.

Investitionen

Die Investitionen werden sich auf Schulungskosten, Personalkosten der GSG, Druckkosten und Nebenkosten wie z.B. Vernetzungstreffen etc. konzentrieren.

Teammitglieder der GSG

Das multidisziplinäre Team der GSG wird über die gesetzlichen Anforderungen des KAKuG zusammengesetzt und besteht aus Expertinnen und Experten verschiedener Fachrichtungen aus dem ärztlichen, dem pflegerischen und dem Verwaltungsbereich. Mit großem Stolz wird festgestellt, wie niveauvoll und konstruktiv im Team kommuniziert und gearbeitet wird.

Bereits jetzt in der Planungsphase legen wir großen Wert, mit externen Partnerinnen und Partnern zusammenzuarbeiten, um auch deren Anliegen und Anforderungen gleich zu Beginn mit berücksichtigen zu können.

Ausblick

In den nächsten QUALITAS-Ausgaben dürfen wir über die weiteren Fortschritte des Projektes berichten. Den damit verbundenen Zeitdruck nehmen wir als „Wink mit dem Zaunpfahl“ dankend zur Kenntnis!

P.S.: Eine Nachahmung des Projekts ist ausdrücklich erwünscht – ggf. stehen wir für Fragen und Anregungen gerne zur Verfügung!

Autoren:

Barbara Stecher, BSC
Koordination Gewaltschutzgruppe
DGKP Innere Medizin
a.ö. Krankenhaus St. Vinzenz Betriebs GmbH
barbara.stecher@krankenhaus-zams.at

Elmar W. Zormann, MBA
Projektleitung Gewaltschutzgruppe
Leitung Qualitäts- u. Risikomanagement
a.ö. Krankenhaus St. Vinzenz Betriebs GmbH
elmar.zormann@krankenhaus-zams.at

Literatur:
1 Kapella, O., Baierl, A., Rille-Pfeiffer, C., Geserik, C., Schmidt, E. M., Schröttle, M., & Österreichisches Institut für Familienforschung (Hsgb.). (2011). Gewalt in der Familie und im nahen sozialen Umfeld. Österreichische Prävalenzstudie zur Gewalt an Männern und Frauen. Gewaltinfo Bundeskanzleramt.
2 Hegarty, K., Valpied, J., Taft, A., Brown, S. J., Gold, L., Gunn, J., & O’Doherty, L. (2020). Two-year follow up of a cluster randomised controlled trial for women experiencing intimate partner violence: effect of screening and family doctor-delivered counselling on quality of life, mental and physical health and abuse exposure. BMJ open, 10(12), e034295.

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