Wie ist es um das Verhältnis zwischen der organisationalen Gesundheitskompetenz und dem Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen bestellt? Dieser Frage hat sich der Fachbereich „Organisationale Gesundheitskompetenz“ des „Deutschen Netzwerks Gesundheitskompetenz (DNGK)“ zugewendet und einen Workshop mit eingeladenen Qualitätsmanagement-Beauftragten und weiteren Expertinnen und Experten durchgeführt.
Studienergebnisse zeigen, dass sich ein geringes Ausmaß an Gesundheitskompetenz negativ auf die subjektive Gesundheit und das Gesundheitsverhalten von Menschen auswirkt, zu häufigeren Krankenhauseinweisungen führt und Folgekosten für die Gesundheitsversorgung verursachen kann (Dietscher & Pelikan 2023). Die Gesundheitskompetenz von Patientinnen, Patienten und deren Angehörigen sowie von Fachpersonen im Gesundheitswesen hängt jedoch nicht allein von deren individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen ab. Sie wird auch maßgeblich dadurch beeinflusst, wie sehr die Prozesse in den Versorgungseinrichtungen Standards bzw. Handlungsfelder der organisationalen Gesundheitskompetenz (OGK) berücksichtigen (Abb. 1). Eine solche Organisation entwickelt beispielsweise Strukturen, die die Förderung der Gesundheitskompetenz im Leitbild und in der Einrichtungskultur festschreiben und die den Patientinnen und Patienten wie auch den Mitarbeitenden einen leichten Zugang zu gesundheitsbezogenen Informationen und Dienstleistungen ermöglichen und sie in Entscheidungen einbinden (Rathmann et al. 2021; Schaefer, Bitzer & Dierks 2019).
Bislang lag der Fokus im deutschsprachigen Raum auf der Entwicklung und Anpassung von Messinstrumenten zur OGK – die Umsetzung von Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz in den einzelnen Standards bzw. Handlungsfeldern der OGK oder gar der ganzheitlichen Einbettung des Konzepts in Strukturen und Prozesse von Gesundheitseinrichtungen stellt allerdings noch Neuland dar.
Wie genau eine solche Etablierung von gesundheitskompetenten Organisationen nachhaltig gelingen und zur Stärkung der Gesundheitskompetenz von Patientinnen, Patienten und Fachpersonen in Einrichtungen des Gesundheitswesens beitragen kann, war zentraler Gegenstand eines Workshops, der im Rahmen der 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP e.V.), des Deutschen Netzwerks Gesundheitskompetenz (DNGK e.V.) und des Nationalen Aktionsplans Gesundheitskompetenz (NAP) mit dem Titel „Gesundheitskompetenz in Krisenzeiten“ am 29.08.2023 in Hannover stattfand. Rund 30 eingeladene Teilnehmende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz erarbeiteten während des Workshops mit dem Titel „Organisationale Gesundheitskompetenz und Qualitätsmanagement (QM) im Gesundheitswesen: Freund, Feind oder friedvolle Ko-Existenz?“, welche Schnittmengen sich aus ihrer Sicht zwischen der organisationalen Gesundheitskompetenz und dem Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen ergeben.
Im Gespräch mit den Expertinnen und Experten wurde zunächst deutlich, was sich auch bei der Analyse der verschiedenen QM-Systeme im Gesundheitswesen (z.B. EFQM, DIN ISO 9001) abzeichnet. Diese Systeme zielen – ähnlich wie OGK-Konzepte – auf zentrale Kernelemente, wie die Kunden- und Mitarbeitendenorientierung, Kommunikation, Qualitätsmessung und -verbesserung sowie die verantwortungsvolle Rolle der Führungskräfte ab (Tab. 1). Ein einrichtungsinternes QM dient u.a. der kontinuierlichen Sicherung und Verbesserung der Patientenversorgung sowie der Organisationsentwicklung. Mit dem primären Ziel einer größtmöglichen Patienten- bzw. Kundensicherheit sollen neben einer bewussten Patienten- bzw. Kundenorientierung auch die Perspektiven der an der Gesundheitsversorgung beteiligten Akteure berücksichtigt werden (G-BA 2023).
Die Teilnehmenden konnten Schnittmengen zwischen dem Konzept der OGK und dem QM im Gesundheitswesen erkennen. Diese wurden in moderierten Kleingruppen-Arbeiten herausgearbeitet. Darüber hinaus diskutierten die Teilnehmenden, ob und wie QM-Systeme durch Ansätze der gesundheitskompetenten Organisationen angereichert werden können und wie dies (nachhaltig) gelingen und verstetigt werden könnte. Hierbei wurde deutlich, dass eine Kombination beider Konzepte zu einem langfristigen Vorteil für die Nutzenden und Mitarbeitenden in Organisationen der Gesundheitsversorgung führen könnte. Die Ergebnisse des Workshops sowie die Möglichkeiten zur Verankerung von Schwerpunkten der OGK in bestehenden QM-Systemen werden zurzeit FB-intern aufbereitet und mit den QM-Experten in weiteren (digitalen) Treffen diskutiert und anschließend veröffentlicht.
Danksagung: An der Vorbereitung und Mitwirkung haben folgende Kolleginnen und Kollegen aus dem FB OGK des DNGK mitgewirkt: Nadine Fischbock (Medizinische Hochschule Hannover), Nicola Häberle (Pädagogische Hochschule Freiburg), Saskia DeGani (Careum Zürich) und Jürgen Soffried (Institut für Gesundheitsförderung und Prävention GmbH (IfGP) sowie die beiden Vorstandsmitglieder Frau Prof. Dr. Eva-Maria Bitzer (Pädagogische Hochschule Freiburg) und Frau Prof. Dr. Marie-Luise Dierks (Medizinische Hochschule Hannover). Ein großer Dank gebührt auch dem DNGK, das die Finanzierung des Workshops übernommen hat.
Quellen:
• Dietscher C, Pelikan JM (2023). Organisationale Gesundheitskompetenz messen. In: Rathmann K, Dadaczynski K, Okan O, Messer M (Hrsg.). Gesundheitskompetenz. Springer Reference Pflege – Therapie – Gesundheit. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-62800-3_20-1
• G-BA (2023). Richtlinie des G-BA über grundsätzliche Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement (Qualitätsmanagement-Richtlinie/QM-RL), in Kraft getreten am 21. Juli 2023. Online verfügbar: https://www.g-ba.de/downloads/62-492-3200/QM-RL_2023-04-20_iK-2023-07-21.pdf
• Große C, Radic D, Radic M (2019). Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung im Gesundheitswesen – Theorie und Status Quo gesetzlicher Regelungen in Deutschland. Gesundhökon Qualmanag 24(01):26–33
• Rathmann K, Dadaczynski K, Lutz J, Richardt A, Salewski LD, Vockert T, Zelfl L, Spatzier D (2021a). Toolbox zur Stärkung der Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung (Version 1). Fulda: Hochschule Fulda. Online verfügbar: https://ewiko-gesundheitskompetenz.de/medien/toolbox-gesundheitsversorgung.pdf (letzter Zugriff: 16.10.2023)
• Schaefer C, Bitzer EM, Dierks ML für den Vorstand des DNGK (2019). Mehr Organisationale Gesundheitskompetenz in die Gesundheitsversorgung bringen! Ein Positionspapier des DNGK. Köln, 15.11.2019. Internet: https://dngk.de/gesundheitskompetenz/organisationale-gesundheitskompetenz-positionspapier-2019/ (letzter Zugriff: 16.10.2023)
• Working Group HPH & HLO (2019). International Self-Assessment Tool Organizational Health Literacy (Responsiveness) for Hospitals – SAT-OHL-Hos-v1.0-EN-international, Wien.
Autorinnen:
Prof. Dr. Katharina Rathmann, Hochschule Fulda, Fachbereich Gesundheitswissenschaften, Public Health Zentrum Fulda
katharina.rathmann@gw.hs-fulda.de
Dr. Inga Münch, Bertelsmann Stiftung, Programm Gesundheit
inga.muench@bertelsmann-stiftung.de