Erstmals in Österreich stationäre Versorgung mit Medikamenten-Verblisterung

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Autor: Redaktion

Im vergangenen Jahr haben die Barmherzigen Brüder Linz – ausgelöst durch den Trigger Corona – eine Digitalisierungsoffensive gestartet, von der sowohl die Mitarbeiter als auch Patienten gleichermaßen profitieren. Hier wurde in Zusammenarbeit mit der hauseigenen Anstaltsapotheke erstmals in Österreich die individuelle Verblisterung von Medikamenten auf Akutstationen etabliert.

Gerade die Corona-Krise zeigt, wie wichtig die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist, um die Versorgung von Patientinnen und Patienten sicherzustellen. Sie ist dort erfolgreich, wo medizinische Betreuung vereinfacht, unterstützt und mit zusätzlichen Sicherheitsfaktoren verbunden wird. Den Barmherzigen Brüdern Linz ist es nun gelungen, als erstes Krankenhaus in Österreich eine individuelle Medikamenten-Verblisterung auf Akut- und COVID-Isolierstationen zu realisieren. Das bedeutet nicht nur erhöhte Patientensicherheit: Durch den stark verkürzten Prozess der Medikamentenausgabe wird wertvolle Zeit für die Betreuung der Patienten gespart.

Was bedeutet Verblisterung eigentlich?

  • Orale Arzneiformen wie Tabletten, Dragees oder Kapseln werden individuell für einen Patienten in kleinen Säckchen neu verpackt (neuverblistert).
  • Alle Medikamente, die zur selben Zeit eingenommen werden sollen, kommen dabei gemeinsam in ein Säckchen (d.h. in einen neuen Blister).
  • Das zeitaufwendige „Einschachteln“ durch Pflegepersonal entfällt.
  • Die Medikamenten-Ausgabe erfolgt in fertigen Sackerln für jeden Patienten für den jeweiligen Einnahmezeitpunkt.


Was sind die Voraussetzungen?

Möglich ist dieser neue Weg der Versorgung einer Station, weil in den Krankenhäusern der Barmherzigen Brüder in Österreich die Medikation vollständig digitalisiert ist.

„Ausgangsbasis ist die elektronische Fieberkurve, die neben den Patientendaten alle Vitalparameter, Angaben zur Medikation, Pflegeberichte und diverse Untersuchungsbefunde enthält“, erklärt Primarius Univ.-Prof. Dr. Martin Clodi, Abteilungsvorstand der Inneren Medizin. „So werden alle Aufzeichnungen von Ärztinnen und Ärzten sowie dem Pflegepersonal, die früher oftmals getrennt geführt wurden, zusammengefasst und stehen als zentrale Informationsquelle für alle an der Behandlung beteiligten Gruppen — inklusive der Krankenhaus-Fachapotheken — zur Verfügung.“
Die Verblisterung wurde auf insgesamt drei COVID-Stationen sowie der Abteilung für Neurologie mittlerweile standardisiert. Die Stationen führen insgesamt 164 Betten, der wöchentliche Tabletten-Bedarf beträgt rund 2400 Tabletten.
„Die Medikamenten-Verblisterung verdeutlicht sehr gut, wie Digitalisierung im Sinne der Patientensicherheit eingesetzt werden kann“, so auch der Ärztliche Direktor Dr. Thomas Berger. „Medikationsfehler wie falscher Einnahmezeitpunkt, falsche Teilung oder Fehler bei Übertragung durch handschriftliche Aufzeichnungen können durch die elektronische Erfassung und Verarbeitung verhindert werden.“

Wie läuft nun der Prozess genau ab?

Im Rahmen der Visite stimmen Arzt, Pflege und Pharmazeuten gemeinsam die Medikation der Patienten ab und geben diese in die sogenannte „Elektronische Fieberkurve“ ein. Nach Eingabe der Medikamente durch die Ärzte und nach klinisch pharmazeutischer Kontrolle in der Anstaltsapotheke erfolgt eine Übertragung auf die Software der Verblisterungsautomaten. Diese verpacken die Arzneimittel individuell für die Patienten. Die fertigen Blister werden einzeln kontrolliert und auf die Station gebracht.

Es wir täglich nachmittags nach der Visite für die Stationen verpackt und am Freitag für das Wochenende bis Montag. Die täglichen Änderungen der Medikamente können somit zeitnah umgesetzt werden. Die Sortierung erfolgt pro Tag, pro Patient, pro Zimmer und pro Einnahmezeitpunkt.

Nachdem die verblisterten Medikamente auf die Stationen kommen, werden sie nochmals vom diplomierten Personal kontrolliert und dann pro Einnahmezeitpunkt ausgeteilt – im Unterschied zu Dispensern, die vorher großteils tageweise verteilt wurden. Akute Medikationsänderungen (meist bei Schmerz- oder Entwässerungsmitteln) erfolgen, indem der Blister aufgeschnitten wird und eine Tablette entfernt oder dazugegeben wird und die Beschriftung des Blisters angepasst wird.

Entsprechend der Neuverblisterungsbetriebsordnung werden vor dem Abpacken alle Patienten mit ihrer Medikation von einem Pharmazeuten evaluiert.

Für die pharmazeutische Evaluierung gibt es in der elektronischen Fieberkurve eine Änderungsliste, die alle Medikamentenänderungen seit der letzten Abpackung anzeigt. Der Pharmazeut erspart sich dadurch jeden Patienten täglich anzusehen. Die gesamte Medikation pro Patient ist wie auch alle Laborbefunde, Dekurse, Pflegeberichte, Röntgen- und EKG-Befunde, Facharztkonsile, Diagnosen und Vitalparameter des Patienten abrufbar. Sollten Änderungen in der Medikation nötig sein, wird telefonisch mit dem diensthabenden Arzt Kontakt aufgenommen und die Änderung vor der Abpackung in MedCaSol® (Medical Care Solution – Softwarelösung zur interdisziplinären Patientendokumentation) vom Arzt durchgeführt.

Überprüft werden die korrekte Umschlüsselung der Vormedikation auf die Hausliste, die therapeutisch sinnvolle Dosierung, Teilbarkeit von Arzneimitteln, Einnahmezeitpunkt, Indikation, Leitlinien-konforme Therapie und mögliche Wechselwirkungen (mithilfe von Interaktionsprogrammen wie beispielsweise MEDIQ®, LEXICOMP®, DIAGNOSIA®, ID Berlin®). Nach erfolgter Kontrolle der Laborparameter wird gegebenenfalls auf eine Dosisanpassung hingewiesen.
In der elektronischen Fieberkurve wird von der Pflege die Verabreichung dokumentiert. Die Entsorgung der leeren Medikamentensackerln (=Datenmüll) erfolgt über die Apotheke.

Die für den jeweiligen Verpackungsauftrag verbrauchten Medikamente werden über eine Schnittstelle aus MedCaSol® in SAP übertragen und tablettengenau verrechnet.

Ein umfangreiches Verordnungsmodul für Medikamente und ärztliche Anordnungen in Zusammenhang mit den NCaSol®-Bausteinen (Nursing Care Solution – ein Programm zur Darstellung von Pflegeleistungen) für den Durchführungsnachweis schließt den Kreis einer umfassenden interdisziplinären Patientendokumentation.

Welche Vorteile ergeben sich daraus?

Für die Ärzte bleibt der Aufwand für die Medikamenteneingabe gleich. Es kommt zu einer Entlastung des Stationspersonals (bis zu 75%ige Zeitersparnis im Vergleich zum händischen Zusammenstellen der Medikamente, da fast alle festen oralen Arzneiformen neu verblistert werden können) und damit zu freiwerdender Pflegekapazität für Tätigkeiten am Patienten. Eine Umfrage beim Personal ergab eine sehr hohe Zufriedenheit mit dem Service.
In der Apotheke waren zeitliche und personelle Anpassungen notwendig. Die Barmherzigen Brüder Linz können auf jahrelange Erfahrung und eine Zusammenarbeit mit Baxter Healthcare, einem Vertreiber von Unit Dose Systemen, zurückgreifen. 2004 wurden Automaten zum Abpacken der Medikamente erstmals von Baxter Healthcare nach Österreich geholt. Mittlerweile werden für ca. 2.400 Patienten in diversen Einrichtungen monatlich mehr als 500.000 Tabletten verpackt.

Unit Dose (die patientenindividuelle Zusammenstellung der Tages-, Wochenrationen von Arzneimitteln in Blistern) bewirkt lt. vielen Studien eine erhöhte Patientensicherheit durch Reduktion der Medikationsfehler. In diesem Setting gibt es eine extrem geringe Rate von nur 0,004% an Blisterfehlbefüllungen, während beim händischen Befüllen die Fehlerquote je nach Literatur 7-10% erreicht.

Ein Qualitätsgewinn für den Patienten ergibt sich außerdem durch die pharmazeutische Kontrolle (Einnahmezeitpunkt, Wechselwirkungen, Indikationen, Teilbarkeiten …) der Medikationspläne und das Stationspersonal erhält mehr Zeit für Pflege und Patientenzuwendung.

Zusätzlich reduzieren sich die Arzneimittelkosten z.B. weil teure Präparate besser im Krankenhaus aufgeteilt werden können und weniger Arzneimittel auf den einzelnen Stationen vorrätig gehalten werden müssen.
Das Projekt „Unit Dose Versorgung im Konventhospital der Barmherzigen Brüder Linz“ wird am 8. Oktober in der Kategorie „Medikationssicherheit“ mit dem APSA 2021 (Austrian Patient Safety Award) ausgezeichnet.

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