Keine nachträglichen Änderungen in ärztlichen Dokumentationen

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Autor: Monika Ploier

Eine aktuelle Entscheidung aus Deutschland zeigt: Unterschiedliche Versionen einer ärztlichen Dokumentation untergraben deren Glaubwürdigkeit.

Aus dem Ärzte- bzw auch Krankenanstaltenrecht ergibt sich, dass im Rahmen der Dokumentation der status praesens, die Anamnese, die Diagnose, der Krankheitsverlauf, Art und Umfang der Beratung, diagnostische und therapeutische Leistungen zu dokumentieren sind. Alle Aufzeichnungen müssen zeitnah, bestenfalls unmittelbar nach der Behandlung oder dem Gespräch, vorgenommen werden. Gedächtnisprotokolle und sonstige Notizen dürfen selbstverständlich angefertigt werden, je zeitnäher zu einem Vorfall oder einer Behandlung, umso aussagekräftiger. Derartige Aufzeichnungen sind meines Erachtens nicht Gegenstand der Krankengeschichte und müssen daher als solche dem Patienten im Rahmen seines Einsichtsrechts auch nicht ausgehändigt werden.

Grundsätzlich sind keine Formvorschriften im Gesetz enthalten. Die Dokumentation erfüllt neben der Therapiesicherung und Rechenschafts- sowie Rechnungslegung auch eine Beweissicherungsfunktion. Aufgrund des Leitsatzes des OGH gilt eine nicht dokumentierte Maßnahme als nicht durchgeführt – umgekehrt geht der OGH grundsätzlich davon aus, dass der ärztlichen Dokumentation ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit zukommt. Umso wichtiger ist es, diese Glaubwürdigkeit nicht durch unbedachte oder gar vorsätzliche Handlungen zu gefährden: nachstehende Entscheidung des LG Köln unterstreicht dies.

Von der vorhandenen Dokumentation existierten zwei verschiedene Versionen. Das Gericht sah die Glaubwürdigkeit der Ärztin erschüttert.

Der Ehemann einer verstorbenen Patientin machte Schadenersatz bei deren Gynäkologin geltend, da diese aus seiner Sicht die Patientin zu spät in ein Krankenhaus zur weiteren Abklärung überwiesen hätte. Das Erstgericht gab der Klage statt und begründete dies damit, dass die Gynäkologin schon früher gebotene, weitere Befunderhebungen pflichtwidrig unterlassen hatte. Trotz der medizinischen Feststellungen, wonach weitere Metastasierung mit palliativer Chemo und Tod unvermeidbar gewesen wären, hätten bei frühzeitiger Überweisung längere Schmerzen und weitere Leiden verhindert werden können.

Diese Entscheidung fußt darauf, dass von der vorhandenen Dokumentation zwei verschiedene Versionen existierten und das Gericht dadurch die Glaubwürdigkeit der Ärztin und der gesamten Dokumentation erschüttert sah. Kern des Anstoßes war, dass sich auf der Dokumentation, die dem Gericht vorlag, ein Eintrag „Krh?“ fand. Die beklagte Ärztin führte dazu aus, dass dieser Eintrag eine Erinnerung für sie gewesen wäre, im Zuge eines Telefonats mit der Patientin nachzufragen, ob sie schon im Krankenhaus gewesen sei. Der klagende Witwer legte hingegen eine Version vor, in der dieses Kürzel nicht enthalten war. In allen anderen Eintragungen waren die beiden Versionen ident und es ergab sich auch aus den EDV-Einträgen Überweisungen an das Krankenhaus und zu einem Urologen. Dennoch erachtete das Gericht die Erklärungen der Ärztin hinsichtlich der Ergänzung für nicht glaubwürdig und sprach daher der Dokumentation die Glaubwürdigkeit ab.

Gleichgültig, ob die Entscheidung nachvollziehbar erscheint oder nicht – Faktum ist, dass bei der ärztlichen Dokumentation stets darauf geachtet werden muss, dass nicht unterschiedliche Versionen kursieren, die noch dazu im schlechtesten Fall im selben Gerichtsverfahren auftauchen. Sofern Änderungen, Ergänzungen etc. erforderlich werden, müssen diese jedenfalls als solche gekennzeichnet werden und dabei auch das Datum der Änderung angeführt werden, allenfalls der Grund für die Vornahme und eine Zuordnung zur ändernden Person möglich sein. Sofern nachträglich Löschungen, Streichungen, Durchstreichen, Übermalen etc. vorgenommen werden, kann dies allenfalls als Urkundenfälschung angesehen und von Patienten eingewendet werden. 

Dr. Monika Ploier ist Anwältin bei HLMK Rechtsanwälte und auf Medizin- und Arbeitsrecht spezialisiert. Sie ist Verfasserin zahlreicher Publika­tionen und Lektorin für Medizin & Recht an mehreren akademischen Bildungseinrichtungen. Monika Ploier ist Obfrau des Forschungsinstituts für Recht in der Medizin FIRM.

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