Von der Impf-Lotterie zum Kriegs-Los

Lesedauer beträgt 2 Minuten
Autor: Norbert Peter

Bekenntnisse eines Leidenden

Eben noch hatte uns eine tödliche Pandemie mit ihren freiheitseinschränkenden Begleitmaßnahmen in ihrem Würgegriff. Schutzimpfungen galten für einen Teil der Bevölkerung für die größte Bedrohung der Menschheit – da erreicht uns die nächste Katastrophe: Kriegszeiten klopfen in Europa wieder an. Von der Impf-Lotterie zum Kriegs-Los? Wie sollen wir da rausfinden? Wo bleiben die Babyelefanten, die uns eben noch mit Abstand den besten Halt gegeben haben?
In Zeiten der sich selbst überschlagenden Krisen gibt es ein vermehrtes Bedürfnis nach Unterhaltung. Behaupte ich, nachdem ich Nachschau in meinem Inneren gehalten habe. Es soll Kabarettisten geben, die nur deshalb auf der Bühne stehen, weil sie mit ihren existenziellen Fragen lieber die Menschen zum Lachen bringen, als sie endlich, zumindest für sich selbst, zu beantworten. Schreibe ich für einen Freund.

Wir schielen nach problemlosen Parallelwelten, in denen man sich, jeder nach eigener Bedürftigkeit, involvieren kann und nach überstandenen 90 Minuten abschalten darf. Die einen verlassen danach das Theater, die anderen drücken den roten Knopf auf der Fernbedienung.

Womit wir schon beim Sonntag wären und auf der Couch lümmelnd auf unseren „Tatort“ warten. Selbst in Zeiten von YouTube, Netflix und TikTok findet die Nation einmal in der Woche vor dem Fernseher wieder zusammen, wirft den „2er“ an und gibt sich mit biodynamischem Rotwein und ungesalzenen Erdnüssen aus Freilandhaltung der Krimispannung hin. Ich, als bekennender Hypochonder, würde mir ja wünschen, dass zukünftige Tatort-Folgen an Orten spielen, die mehr mit meinem Alltag zu tun haben. Ist schon jemand auf die Idee gekommen, die Handlung in der Wartezone einer Klinik anzusiedeln?

Ich würde das österreichische Kriminalisten-Duo Bibi und Moritz ja beinhart mit der Wirklichkeit des Wartebereichs konfrontieren. Da sollen sie mal versuchen zu ermitteln. Sollen probieren, Patienten zu befragen, die apathisch in das stumme Infotainment der herumhängenden Flat Screens gekippt sind.

Anstellen würde ich sie lassen, den Moritz und die Bibi, beim Aufnahme-Schalter. Wo vor ihnen die engagierte Schwiegertochter, auch schon 75 Jahre alt, in der Reisetasche des Patienten minutenlang nach der E-Card sucht. Als Ouvertüre zum Ausfüllen eines dreiseitigen Fragebogens. Wissend, dass sie den diensthabenden Oberarzt unbedingt vor 12 Uhr erreichen müssen und dass nur die Schwester sie zu ihm führen kann. Nicht ahnend, dass sie am falschen Schalter anstehen.

Und jetzt aufgepasst, ein Spoiler: Der Mörder wäre natürlich der Gärtner. Nämlich Dr. Gärtner, über den das ganze Spital lacht, weil er stundenlang nicht vom Golfplatz wegkommt. Seinem persönlichen „Golfplatz“, der sich im letzten Winkel der Tiefgarage auf Ebene Minus 3 befindet. Wo der immer akribisch agierende Internist einen 170 cm breiten Stellplatz für seinen VW Golf, Jahrgang 1996, bekommen hat. 90 Minuten, um korrekt einzuparken, waren einerseits Rekord und andererseits das plausible Mordmotiv am zuständigen Verwaltungsmitarbeiter, der die Stellplätze zuteilt. Schließlich hatte dieser dem Verzweifelten seinen alten, breiten Parkplatz weggenommen und in eine Ladestation für den Tesla des Betriebsratsvorsitzenden umgewidmet… 

Und am Ende noch Betrübliches aus der Tatort-Ecke: Hauptkommissarin Martina Bönisch arbeitete bis vor Kurzem für die Kripo Dortmund. Und an einem Sonntag im Februar hatte sie ohne Schutzweste keine Chance, die Szene lebendig zu verlassen. Das war dann einer der Momente, wo man im Ehebett stundenlang diskutiert, ob man nicht eine erfreulichere Schusspointe erreichen hätte können.   //

Norbert Peter
ist Buchautor, Journalist sowie die hypochondrische Hälfte des Medizinkabaretts Peter & Tekal, (medizinkabarett.at)

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