Digitalisierung trifft Logistik

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Autor: Elisabeth Rudolph

Digitale Logistiksysteme sind Fixpunkte jeder aktuellen Krankenhaus-Planung. Technologien wie selbstfahrende Transport­roboter und digitale Rohrpostsysteme entlasten das Personal und beschleunigen Abläufe.

Ein Krankenhausneubau ist mehr als die bloße Errichtung eines Gebäudes. Die Logistik, eine der wichtigsten Stellschrauben im System, rückt dabei immer mehr in den Vordergrund. Ziel ist, Prozesse zu verschlanken, zu standardisieren, zu beschleunigen und dadurch das Krankenhauspersonal zu entlasten. Die Verwendung hochmoderner Technik stellt dabei die Logistik vor enorme prozessuale Herausforderungen, die beim Neubau beachtet werden müssen.

Logistik als Masterplan

„Die frühzeitige Berücksichtigung der Logistik in der Objektplanung erfolgt oft nicht mit dem nötigen Stellenwert“, weiß Andrea Raida, Projektleiterin am Fraunhofer IML Bereich Health Care Logistics. Unzureichend große und falsch geplante Supportflächen sowie unnötig lange Wege führen dazu, dass Betriebsabläufe nicht optimal bedient werden können. Der Krankenhausneubau führe nicht zur gewünschten Leistungssteigerung, erklärt die Expertin. Vor allem mehrgliedrige Transportketten und unterschiedliche Verkehrszweige müssten miteinander verknüpft und die jeweiligen Schnittstellen aufeinander abgestimmt werden. Beispiele gibt es: In dem im Jahr 2019 eröffneten Krankenhaus Wien Nord kommt dafür eine standardisierte Transport-Standard Operating Procedure (SOP) zum Einsatz. Sie sorgt dafür, dass die unterschiedlichen Transportmittel und -kanäle, wie fahrerlose Transportsysteme, Rohrpost oder Versorgungsassistenten, bestmöglich miteinander kombiniert und abgestimmt werden.

Schaffnerlos: 40 selbstfahrende Transportroboter bilden das Rückgrat der Logistiksysteme im neu erbauten Krankenhaus Floridsdorf.

Roboter statt Menschenhand

Fernab vom hektischen Treiben auf den einzelnen Stationen verrichten in den Untergeschoßen des Krankenhauses Nord einzelne Roboter ihre Arbeit. Huckepack befördern diese selbstfahrenden Unterfahrtransporter Container, vollbepackt mit Wäsche, Speisen, Medikamenten oder Verbrauchsmaterialien, und fahren diese zu den einzelnen Stationen. Ihr Einsatz war bereits Teil des Masterplans Logistik und schon 2009 in der Vorentwurfsplanung der neu zu errichtenden Klinik enthalten. Alles, was die rollenden Roboter benötigen, ist die Zieladresse. Das Personal ist nur involviert, um den Empfänger einzugeben und die Container zu befüllen. Per RFID wird dann im Leitsystem der Rollcontainer mit seinem Lieferziel verknüpft. Die Transportroboter versorgen die Pflegestationen dreimal täglich mit Speisen und einmal täglich mit Medikamenten und verschiedenem Material sowie mit Wäsche. Die Verkehrswege sind von den Korridoren getrennt, auf denen Menschen unterwegs sind. Rund 40 Roboter-Wagen legen dabei etwa 500 mittels W-LAN gesteuerte Fahrten pro Tag zurück. Auffahrunfälle werden durch Laserscanner an den Geräten vermieden – die Orientierung erfolgt mit Einsatz von kleinen Magneten. Um in die oberen Geschoße zu gelangen, benutzt das Transportsystem automatisch angesteuerte Liftanlagen. Bis zu fünf Personen sind mit Wartung und Bedienung beschäftigt. Die Betriebszeit beträgt täglich 16 Stunden in einer Sieben-Tage-Woche.

Hausapotheke im Untergeschoß

Auch die Arzneimittelversorgung wird in modernen Krankenhäusern weitestgehend durch Automatisierungslösungen unterstützt. Langfristig ist das Ziel, Medikamente nicht mehr auf den Stationen zu lagern, sondern in einer Zentralapotheke. Der Arzt verordnet elektronisch ein Medikament, in der unterirdischen Apotheke wird dieses mithilfe eines Unit-Dose-Automaten in ein Barcode-beschriftetes Säckchen gegeben. Diese Säckchen werden mehrmals am Tag mit den kleinen fahrenden Transportrobotern zu den Patienten auf die Stationen gebracht und durch das Pflegepersonal ausgehändigt. Die richtige Abgabe der Medikamente wird durch das Scannen des Barcodes sichergestellt.
Ein großes Blutbild, ein paar Spezialanalysen, das Ergebnis am besten sofort und abrufbar, egal wo man sich als behandelnder Arzt gerade bewegt. Klingt unmöglich? Nicht ganz, denn in vielen Krankenhausneubauten ist das durchaus gelebte Praxis. Sofort nach der Blutabnahme wird die Probe in einen kleinen Transportbehälter, eine sogenannte Transportbüchse, gegeben und ab geht die Reise – aber wie und wohin?

Unterschätzt: Die einst ausgemusterte Technologie der Rohrpost feiert im digitalen Zeitalter ein bemerkenswertes Comeback. Bei niedrigen Installations- und Wartungskosten versprechen Rohrpostsysteme effiziente Logistikleistung.

Damit die Blutprobe ohne große Verzögerung und ohne zusätzliche Wege für das Krankenhauspersonal an ihren Bestimmungsort kommt, bedient man sich im Krankenhaus Nord eines erprobten Transportsystems, einer sogenannten Rohrpostanlage. Innovativ? Beim ersten Gedanken daran fühlt man sich eher ein paar Jahrhunderte zurückversetzt, wurde doch die erste Rohrpost 1853 in London eingerichtet. Hinter diesem etwas antiquiert klingenden System steckt jede Menge moderne Technik. Ganz grob kann man sich diese Anlage wie ein Schienennetz vorstellen, nur eben mit Rohren, bei dem es sowohl gerade Linien als auch Abzweigungen gibt; die Bahnhöfe entsprechen den einzelnen Stationen. Gibt man die automatisch etikettierte Transportbüchse in die Rohrpostanlage, wird diese per pneumatischem Druck oder Vakuum in die jeweilige Versandrichtung befördert, erklärt Björn Gernoth, Abteilungsleiter bei Healthcare Logistics Ramboll. Und schon saust die Probe mit knapp 21 km/h quer durch das Krankenhaus. „Einzelne Rohrpoststationen zum Senden und Empfangen der Rohrpostbüchsen sind durch kalibrierte Fahrrohrleitungen miteinander verknüpft.“ Dadurch können mehrere Rohrpost-Stationen in einer Linie eingebunden werden. Abzweigungen werden mittels elektronisch gesteuerter Weichen realisiert. Die Steuerzentrale ist wie ein Knotenpunkt und fungiert als Verteiler zwischen den einzelnen Rohrpostlinien. Bei einer Größe wie dem Krankenhaus Nord braucht es zwei dieser Zentralen, über 90 Stationen, 8 km verlegte Rohre und leistungsstarke Rechner, denn schließlich muss jede einzelne Fahrt dokumentiert werden. Ramboll war – unter anderen – auch an der Logistikplanung und -ausrüstung des LKH Klagenfurt beteiligt.

Gute Planung ist die halbe Miete

Das Rohrpostsystem arbeitet mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, um auch sensible Proben transportieren zu können oder etwa eine Hämolyse (Auflösung der roten Blutkörperchen) zu vermeiden. Jede Büchse kann variabel gesteuert werden. Dadurch werden die hohen Qualitätsstandards und die Vorgaben der Labore exakt eingehalten, auch was die Kühlung einzelner Proben betrifft. „Entweder reichen die hohen Geschwindigkeiten und somit kurzen Versandzeiten aus, um die Temperaturen einzuhalten, oder es können auch zusätzlich Kühlakkus mitversandt werden, solange das Transportgut noch mit in die Büchse passt“, so der Logistikexperte. Einzig bei gefrorenen Gütern kommt man schnell an die Grenzen, das liegt aber vielmehr an der Form der Güter und der Frage, ob das Gut in die Transportbüchse passt. Ist die Büchse im Labor angekommen, wird sie automatisch entpackt und die Probe in die Analysestraße gegeben. Der Rücktransport der leeren Büchsen erfolgt ebenfalls automatisch. Das Ergebnis der Probe liegt meist nach kurzer Zeit vor, überall abrufbar. Zeitersparnis? Beachtlich. Durch ein umfassendes Gesamtsystem können etwa zwei Mitarbeitende entlastet werden, ergänzt Gernoth. Voraussetzung bleiben rechtzeitige Planung und Umsetzung. Eine nachträgliche bauliche Anpassung an einen laufenden Krankenhausbetrieb ist aus baulicher und ökonomischer Sicht selten sinnvoll.

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