Neue Technologien: Putzen wird Robotersache

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Autor: Norbert Peter

Neue Technologien sollen das Putzpersonal in Gesundheitseinrichtungen entlasten.

Es hätte keiner Pandemie bedurft, um das Problem der nosokomialen Keime in Kliniken oder Pflegeheimen ganz oben auf die To-do-Listen zu hieven. Multiresistente Keime bedrohen Patientinnen und Patienten in wachsendem Ausmaß. Neben vielen anderen Ursachen trägt der Personalmangel in der Pflege dazu bei, dass trotz immer rigider werdender Hygienestandards die Anzahl der Infektionen steigt. Verschärfte Hygienenormen sichern zwar die Qualität, sie steigern aber auch den Aufwand für das Reinigungspersonal. Immer mehr Aufgaben in kürzerer Zeit erhöhen das Risiko, dass die „Hygiene-Compliance“ leidet. Kurz: Das überlastete Personal kommt mit den Hygienemaßnahmen nicht mehr mit. Es braucht Entlastung.

In Deutschland läuft seit 2022 ein Forschungsprojekt des Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart, das die Automatisierung bestimmter Desinfektionsmaßnahmen zum Ziel hat: „Die Roboterbasierte Reinigung und Desinfektion von Böden und Oberflächen in Einrichtungen des Gesundheitswesens“, kurz „RoReBo“. Im Mittelpunkt stehen dabei ein kompakter Bodenreinigungsroboter und technische Ansätze für die Oberflächenreinigung sowie das selbsttätige Öffnen von Türen – ebenfalls durch einen Roboter.

Wischen ohne Unterlass. Die Reinigung von Böden zählt für die klinischen Putzroboter zu den einfachen Aufgaben – ebenso wie das Öffnen von Türen. Vertrackt ist es, wenn die Automaten Möbel oder Wände reinigen sollen. Da scheppert es unverändert.

Roboter im Klinikverbund

Das Projekt, das ursprünglich heuer im Juni auslaufen sollte, wurde bis Ende des Jahres verlängert. Neben dem IPA gehört unter anderem Adlatus Robotics zu den führenden Projektpartnern, die sich auf die Entwicklung autonomer Serviceroboter für den professionellen Einsatz spezialisiert haben. Der Klinikverbund Südwest in Baden-Württemberg steht als einer der Anwendungspartner zur Verfügung. In ihm sind mehrere Kliniken und medizinische Versorgungszentren mit insgesamt rund 6.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammengefasst. Das ermöglicht fundierte Bedarfs- und Anforderungsanalysen für den Krankenhausalltag. Die Ansprüche an die perfekte Reinigung sind diffizil, das exakte Arbeiten an Details ist erforderlich: „Auf den Stationen und in Patientenzimmern ist meist nicht viel Platz, zudem befinden sich darin oft diverse medizinische Geräte oder persönliche Gegenstände. Dennoch ist der Anspruch der Einrichtungen, dass auch hier die Kanten und Ecken gründlich gereinigt werden“, erläutert Matthias Strobel, Geschäftsführer von Adlatus Robotics. Zu diesem Zweck wird eine neue Bodenreinigungsplattform entwickelt.

Der verlängerte Arm der Hygiene

Am Fraunhofer IPA hatten Forschende schon mit dem Projekt „MobDi – Mobile Desinfektion“ Erfahrungen rund um das roboterbasierte Desinfizieren oft berührter Objekte wie Türschnallen und Lichtschalter gesammelt. Der dabei entwickelte Reinigungsroboter „DeKonBot 2“ war die ideale Ausgangsbasis und wurde mit zusätzlichen Funktionen ausgestattet. Dazu gehören neue adaptive Reinigungswerkzeuge, die den speziellen Bedürfnissen im klinischen Umfeld entsprechen müssen. Eine der wichtigen Funktionen ist das Öffnen von Türen, damit der Roboter seinen Einsatz autonom erweitern kann. Damit kann er nun auch in Bereiche gleiten, die nicht immer problemlos zu erreichen waren, wie etwa Patientenzimmer. „Wir planen, den Roboterarm für das Türöffnen so einfach zu gestalten, dass er sich leicht für andere Roboter nutzen lässt. Das kann die generellen Einsatzmöglichkeiten von Servicerobotern in öffentlichen Bereichen deutlich erweitern“, führt der Projektverantwortliche Simon Baumgarten aus.

Die Technologie hat sich deutlich weiterentwickelt. Florian Jordan, ebenfalls Projektleiter des „RoReBo“ am Fraunhofer IPA, verweist auf die deutlich verbesserte Navigation der Automaten in öffentlichen Bereichen und die vollständige Abdeckung großer Bodenflächen. „Aktuell liegt der Fokus vieler Hersteller von Bodenreinigungsrobotern darauf, die randnahe Reinigung zu verbessern und den Robotern die Reinigung enger, schwer zugänglicher Bereiche zu ermöglichen“, erläutert Jordan. Technisch herausfordernd sieht er nach wie vor das Reinigen von Oberflächen oberhalb des Bodens. Da gilt es, weiter intensiv an der Verbesserung der Sensoren und Algorithmen zur Wahrnehmung der Umgebung zu arbeiten, um die gezielte Reinigung zu ermöglichen. „Persönliche Gegenstände der Patienten beispielsweise dürfen nicht versehentlich entfernt oder beschädigt werden. Am Fraunhofer IPA haben wir zahlreiche Forschungsprojekte zu diesem Thema durchgeführt“, erklärt der Wissenschaftler.

Auch die Hardware wird weiterentwickelt: Roboterarme sollen günstiger, feinfühliger und somit sicherer werden. Zentral ist dabei die Frage der Sicherheit: Die Roboter müssen unter allen Umständen einen gesicherten Umgang mit der Nähe von Menschen aufweisen. Menschen, die sich am Gang aufhalten, werden von Sensoren erkannt. Die Roboter stoppen bei Begegnungen oder lassen ihn ausweichen. Florian Jordan ist optimistisch: „Es ist nur eine Frage der Zeit, wann diese Systeme flächendeckend eingesetzt werden.“

Franzi 2.0 aus Graz. Seit dem Frühjahr putzt am Uniklinikum Graz ein Roboter routinemäßig die Böden. Michael Kazianschütz, Bereichsleiter für Logistik der Klinik, nennt den Anschaffungspreis von Franzi: 40.000 Euro.

Auf dem Weg zum Markt

Florian Jordan nimmt in der Branche der Reinigungsroboter für das Gesundheitswesen mittlerweile einen intensiven Wettbewerb wahr, da zahlreiche Hersteller und Vertriebsfirmen auf dem Markt aktiv sind. Insbesondere Roboter für die Bodenreinigung, also im 2D-Bereich, seien stark verbreitet und würden teilweise auch schon in Krankenhäusern genutzt. Zudem gäbe es seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie auch einige Systeme zur raumweiten Oberflächendesinfektion mittels UV-C-Strahlung. Diese Technologie ist allerdings noch recht neu und ihre tatsächliche Wirksamkeit müsse noch in langfristig angelegten Studien praktisch validiert werden, meint Jordan.

Franzi putzt in Graz

Dass durchaus auch Einsparungspotenzial vorhanden ist, zeigt ein Beispiel in der Alpenrepublik. Intelligente Robotiksysteme sind auch in Österreich im Vormarsch. So ist in der Steiermark seit gut einem halben Jahr ein putzender Roboter im klinischen Bereich tätig. „Franzi 2.0“ ist 64 Kilo schwer, kommt aus Singapur und reinigt im LKH Graz die Gänge. Nach einem erfolgreichen Pilotversuch 2022 an der Klinik für Neurologie hat Franzi heuer im Frühjahr fix den Dienst angetreten. Primär erfolgt die Reinigung von Gängen, wobei hier die Raumgeometrie automatisch vom Roboter einprogrammiert wird. Der Roboter merkt sich die Wege selbst und kann so mühelos bis in jede Ecke reinigen. Dabei spielt auch der finanzielle Hintergrund eine Rolle, wenn der Bereichsleiter für Logistik der Klinik, Michael Kazianschütz, erklärt, dass man so auch den Personalmangel kompensieren könne: „Ein Roboter kostet in etwa 40.000 Euro und die Möglichkeit einer Amortisation beläuft sich auf rund einen Mitarbeiter pro Jahr.“ Wenn sich Franzi 2.0 bewährt, werden Roboter künftig auch in anderen Bereichen der Logistik am Uniklinikum zum Einsatz kommen, heißt es im Magazin des LKH Graz.

Zurück nach Stuttgart: Ende September feierte man „50 Jahre Robotik am Fraunhofer IPA“. Zum Anlass bot man auch ein Seminar über „Robotische Assistenzsysteme in der Pflege.“ Denn naturgemäß beschränkt sich die Forschung nicht auf die Reinigung. Die maschinellen Helfer sollen den Pflegekräften nicht-pflegerische Routinearbeiten abnehmen und sie so entlasten: Damit haben diese mehr Zeit, sich den Kranken zuzuwenden. Die Zukunft der Reinigungsroboter im Gesundheitswesen betrachtet man im Fraunhofer IPA ambitioniert. Gleichzeitig ist es Florian Jordan wichtig zu betonen, dass es nicht darum geht, „das Personal zu ersetzen, sondern ihm ein weiteres Werkzeug bereitzustellen, das die Arbeit erleichtert“.

Langfristig sei es das Ziel, mobile Reinigungsroboter zu entwickeln, die jegliche Oberfläche jederzeit effizient und robust reinigen und desinfizieren können. Ihre Attraktivität liegt darin, dem Personal intensive körperliche Aufgaben abzunehmen, wie zum Beispiel hoch gelegene Oberflächen zu putzen, wie man sie in Nasszellen oder OP-Sälen findet. Und natürlich ist die zeitliche Verfügbarkeit von Maschinen ein unschlagbares Asset. Florian Jordan: „Die Systeme arbeiten rund um die Uhr.“ Der Kampf gegen Keime kennt keine Pausen.  

Quellen und Links:

Fraunhofer Institut

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