Satire: Zwischen Pest und Hollodaro

Lesedauer beträgt 2 Minuten
Autor: Norbert Peter

Bekenntnisse eines Leidenden. Eine Satire von Norbert Peter.

Und immer wieder erreicht uns der Aufruf, unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und gesünder zu leben. Das steigere nicht nur die ureigene Lebensqualität, sondern nehme auch Last von den Schultern des Personals im Gesundheitswesen, das ohnehin schon am Limit angelangt ist.

Gut.
Verstehe ich und mache ich.

Mehr Bewegung, weniger Fleisch und: Ich vereinbare einen Termin zur jährlichen Gesundheitsvorsorge. Und zwar jeden Monat. Denn nur die möglichst exakte medizinische Überwachung aller meiner Parameter ermöglicht punktgenaue Maßnahmen, die mein Überleben verlängern.

Es erfordert viel Disziplin und Zeitmanagement, für mich und meine Hausärztin. Aber was tut man nicht alles, um das Gesundheitssystem zu entlasten.

Schon jedes Gramm mehr an Körpergewicht verschiebt die Anzahl an Kalorien, die ich für den Grundumsatz im Ruhezustand zuführen muss. Sagt mein Fitness-Coach. Klingt wahnsinnig überzeugend. Also auf die (mageren) Paprika-Chips nicht vergessen, wenn ich die nächste Serie streame.

Auch das Wechselspiel zwischen HDL, LDL und Bauchfett („The Good, the Bad and the Ugly“ wie Sergio Leone sie wohl genannt hätte) gilt es zu beobachten: Wie viel Softdrink darf ich mir zum Veggie-Burger noch gönnen? Groß, klein oder zero?

Die steigenden Werte legen eines nahe: Die Diätassistentin empfiehlt Mineralwasser, die Geldbörse Leitungswasser. Die Teuerung schießt mir quasi die Mineralien aus dem Wasser.

Mittlerweile ist der Personalmangel so virulent, dass sogar recht populistische Oppositionsparteien die Idee unterstützen, Pflegekräfte aus dem Ausland zu holen. Es müsse nur sicher sein, dass sie wieder nach Hause gehen, wenn wir sie nicht mehr brauchen. Welch sozialer Gedanke! Da kommen Menschen weit her, weil wir ihre Hilfe benötigen – und wir, Großmeister der selbstlosen Herzlichkeit, zeigen uns dankbar und sorgen dafür, dass sie nach jedem Dienst wieder ins traute Heim zur Familie nach Manila fliegen können. Kein Problem mit einer großzügig gestalteten Pendlerpauschale, nicht wahr?

Oder vielleicht fliegen sie heim nach Tokio? Dort machen ja eben sensationelle Zahlen die Runde: Mehr als 92.000 Menschen sind in Japan 100 Jahre oder älter. Vielleicht liegt es an den magischen Händen der dortigen Pflegekräfte? Her mit ihnen!

Währenddessen denken zahlreiche fleißige Gehirne darüber nach, wie uns zwei geheimnisvolle Buchstaben neue Türen öffnen könnten: KI!

Nicht nur, dass Putzroboter bereits die Klinikböden schrubben: Der KURIER berichtet, dass das KI-Textprogramm ChatGPT laut einer Studie bei Patienten in einer Notaufnahme mindestens genau so treffende Diagnosen abgeben konnte wie das medizinische Personal. Die großen Hürden für die perfekte Maschine wären dann noch der weiße Mantel, der mitleidsvolle Ausdruck in den Augen und der Premieren-Besuch bei den Salzburger Festspielen.

Aber kann man dieser neuen Erfindung wirklich immer über den Weg trauen?

Künstliche Intelligenz ermöglicht mittlerweile ja auch das Gestalten von täuschend echten Fotos und Videos. Auch fantasievolle Texte, die mitunter von unglaubwürdigen Szenarien ausgehen, werden da geschaffen. Nur ein Beispiel aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten:

Ein ehemaliger US-Präsident, der beliebteste und politisch erfolgreichste Republikaner aus dem Hause Trump, hat für seine Wiederwahl-Kampagne angeblich Millionen US-Dollar eingestreift, indem er T-Shirts und Kaffee-Tassen mit seinem Polizeifoto („Mug Shot“) bedrucken und verkaufen ließ. Entsprechende Bilder zirkulieren im Netz. Wenn man bedenkt, dass dieser Mann schon die Füße auf dem Resolute Desk hatte und nach der Wahl 2024 wieder Herr über tausende Atomsprengköpfe sein könnte …   

Norbert Peter
Kabarettist, Buchautor, Journalist
Peter & Tekal, medizinkabarett.at

Nächste Termine:
„WechselWirkung“ am 4.11.2023 in der Pielachtalhalle (Ober-Grafendorf, NÖ) und am 7.11.2023 im CasaNova (1010 Wien), Beginn jeweils 19.30 Uhr