Satire: Ein Stich ins Herz

Lesedauer beträgt 2 Minuten
Autor: Norbert Peter

Bekenntnisse eines Leidenden. Eine Satire von Norbert Peter.

Da greift er durch, fürs Erste gedanklich und verbal. Wenn in den nächsten Wochen nicht jede und jeder seine Impfung bekäme, dann würde man den Gottseibeiuns der Götter in Weiß zum Zug kommen lassen. Dann bekommen die anderen Weiß-Kittel, die sich auf ihre eigene Art für unsere Gesundheit engagieren, den Zuschlag: die Apothekerinnen und
Apotheker des Landes.

Ein Stich ins Wespennest, denn die Polarisierung unserer Gesellschaft gibt es nicht erst seit der Pandemie. Es fängt harmlos in der Kindheit an bei der Frage nach den kulinarischen Vorlieben („grüne oder orange Hälfte vom Twinni?“), setzt sich bei Religionsfragen fort („Rapid oder Austria?“) und mündet in die Frage zur Berufswahl: „Arzt oder Apotheker?“

Und das ist erst der Anfang für den Querdenker aus dem Gesundheitsministerium. Wenn die Büchse der Pandora erst geöffnet ist, dann gibt es kein Halten mehr.

Zu wenig Kassenfachärzte? – Vorübergehend können auch Pharmazie-Studenten einspringen, zumindest als niedergelassene Pathologen – das sollte kein Problem sein.

Bettensperre in den Spitälern wegen Personalmangel? – Im Nachtdienstzimmer der nächsten Apotheke ist sicher noch Platz für zwei, drei Patienten-Betten.

Und warum eigentlich bei den Pharmazeuten haltmachen? Mit Spritzen kennt sich sicher auch die Feuerwehr aus. Und freie Betten lassen sich ohne Zweifel nicht nur in den 5-Sterne-Hotels an der Wiener Ringstraße, sondern auch in den Haftanstalten des Landes finden. Je nach Krankenversicherung halt.

Kreativität ist angesagt. Auch in der Pflege braucht man nicht den Sand in den Kopf zu stecken. Es ist an der Zeit, sich einfach für neue Ansätze zu öffnen. Das gilt auch für uns, die wir hin und wieder krank werden und Hilfe brauchen.

Ich will hier jetzt gar nicht von mir reden.

Letzte Woche begegnete mir eine ältere Dame, nennen wir sie Rosalie Rosavicka (Name von der Redaktion geändert), deren Schicksal mir absolut erzählenswert erscheint. Frau Rosavicka, oder auch Schwester Rosa, wie die gelernte Pflegehelferin im Spital in ihrer aktiven Zeit auch oft gerufen wurde, feierte kürzlich ihren 80. Geburtstag. Durchaus auch schon etwas durch ihre körperlichen Leiden beeinträchtigt, wurde ihr die Pflegestufe 1 bescheinigt. Womit sie aber nicht wirklich ihr Auslangen findet, hat die Pensionistin doch zusätzlich zu ihrer Heimhilfe, die einmal in der Woche vorbeischaut, auch eine Pflegerin engagieren müssen.

Also beschloss Frau Rosavicka ihre Situation bei der zuständigen Behörde vorzutragen. Sie erläuterte dort, dass es ihr unmöglich sei, mit ihrer Rente ihre Pflege zu finanzieren. Die Dame auf der anderen Seite des Schreibtisches hörte aufmerksam zu, dann begann sie in ihren Unterlagen zu kramen, bis sie aufschaute, direkt in die Augen von Frau Rosavicka sah und sie anstrahlte: „Ich habe etwas gefunden! Haben Sie schon einmal an ein Pflegeheim gedacht?“

Frau Rosavicka zögerte kurz, dann fragte sie, ab wann das denn möglich wäre. „Ab sofort“, teilte man ihr mit. Und so kam es, dass Frau Rosavicka den Weg ins Pflegeheim fand. Als Pflegehelferin. Sie konnte immerhin ausverhandeln, dass sie ausschließlich Nachtdienste machen musste. Weil sie untertags zu Hause sein wollte. Denn da kommt ja ihre Pflegerin …    

Norbert Peter
Kabarettist, Buchautor, Journalist
Peter & Tekal, medizinkabarett.at

Nächste Termine:
„WechselWirkung“ am 15.11.2023 in der Kulisse (1170 Wien) und am 26.11.2023 im Orpheum (1220 Wien)

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