Schnelltest gegen Arthritis

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Autor: Elisabeth Rudolph

Ein junges Unternehmen aus Wien entwickelt ein Screening-Modell, das rasch und kostengünstig eine personalisierte Therapie gegen Arthritis finden will. Ein Chip gaukelt entzündeten Knorpelzellen eine menschliche Umgebung vor.

In den Start-up Labs des Vienna Biocenter stehen knapp 60 Laborplätze für Wissenschaftler zur Verfügung. Über ein paar dieser raren Forschungsplätze verfügt Julie Rosser, CEO und Gründerin des Biotechnologie-Unternehmens Pregenerate. Sie verfolgt mit ihrem Team eine „Organ-on-a-Chip“-Technologie, mit der die Entwicklung einer wirksamen Arthritis-Therapie deutlich beschleunigt werden soll.

Arthritis ist eine heimtückische Krankheit. Unter dem Begriff werden zahlreiche entzündliche Gelenkserkrankungen zusammengefasst, wobei prinzipiell jedes Gelenk im Körper betroffen sein kann. Rund 80.000 Österreicher und etwa 325 Millionen Menschen weltweit leiden daran. Frauen öfter als Männer. Die genaue Ursache für die Erkrankung ist noch immer nicht geklärt. Sie tritt entweder plötzlich auf oder ist chronisch vorhanden, in beiden Fällen schmerzhaft. Trotz des medizinischen Fortschritts sind die Heilungschancen bei Arthritis schlecht. Eine genaue Erklärung dafür gibt es nicht. Julie Rosser erklärt, dass die Erkrankung der Zellen sehr individuell sei und dies eine der Ursachen darstelle, warum es noch kein Rezept für eine Heilung gibt. Es gäbe zwar Patienten, die auf bestimmte Therapien ansprechen, aber es existiere bisher keine Möglichkeit, die Zusammenhänge zu identifizieren.

Persönliches Screening: Der Pregenerate-Test wird durch die „Organ-on-a-Chip“-Technologie feststellen, welches Medikament am besten für den individuellen Arthritis-Patienten passt. Noch wird am Verfahren getüftelt.

Hightech Ansatz: 3D-Modell

Das Forschungsteam setzt bei diesem Problem an: Es entwickelt ein Screening-Modell, das die Neuentwicklung von Arthritis-hemmenden Medikamenten deutlich beschleunigen soll. Bisher können Ärzte und Pharmakologen nur bedingt feststellen, welches Medikament zu welchem Arthritis-Patienten passt. „Wir helfen zu erkennen, welcher Patient langfristig gut oder schlecht auf ein Medikament anspricht“, erklärt Rosser, die sich auf die Behandlung von Osteoarthritis – der häufigsten Form von Arthritis – konzentriert. Die „Cartilage-on-a-Chip“-Technologie („Knorpel auf dem Chip“) soll ermöglichen, Patienten in gezielte Behandlungsuntergruppen einzuteilen und jedem klinischen Patienten zu eröffnen, was die beste Behandlung für sein spezifisches Arthritis-Leiden ist. Pharmaunternehmen können die Erfolgsraten ihrer Medikamente deutlich verbessern – und deren Entwicklung beschleunigen.

Der Pregenerate-Forschungsansatz liegt in einem Mikro­fluid-Modell, mit dem Knorpelgewebe untersucht wird. Dabei wird ein Modell genutzt, bei dem Knorpelgewebszellen des Patienten in vitro repliziert und dann innerhalb einer Proteinmatrix auf dem Chip angebracht werden. Die Besonderheit des Systems liegt darin, dass sich die Zellen im Chip so organisieren und verhalten wie natürliches Knorpelgewebe. Das Patienten-spezifische Gewebsmaterial kann nun im Labor einer künstlich induzierten Entzündung ausgesetzt und gleichzeitig unter medikamentöser Behandlung untersucht werden. Die isolierten Zellen brauchen ihre spezielle Umgebung, sonst verändern sie ihr Verhalten. Umstrittene Tierversuchsmodelle sind bei diesem Forschungsansatz nicht notwendig. Diese benötigen enorm viel Zeit und liefern keine aussagekräftigen Rückschlüsse, was im menschlichen Gelenk vor sich geht. „Wir schauen, welche Gene als Reaktion auf die verschiedenen Medikamente an- oder abgeschaltet werden“, erklärt Julie Rosser. Ein Großteil des Pregenerate-Teams, das die Viel­zahl der Daten auswertet und in eine verständliche Form bringt, kommt aus der IT-Abteilung.

Tierische Anfänge: Die Tierärztin Julie Rosser befasste sich mit dem Chip-Verfahren erstmals bei der Behandlung arthritischer Pferde. Dabei entdeckte sie, dass die Screening-Methode auch bei Zweibeinern funktioniert.

Start-up-Gründerin möchte Produkt entwickeln

„Wir haben eine gute Erfolgsquote bei der Darstellung, wie Patienten auf Medikamente ansprechen. Aber es ist schwierig, dies mit hohem Durchsatz zu tun“, erklärt Rosser. Das Ziel von Pregenerate heißt, zu einem rasch wiederholbaren Verfahren zu kommen, das die Reaktion eines entzündeten Knorpelgewebes auf unterschiedliche Medikamente reproduzierbar und verlässlich zeigt. „Es ist eine lange Entwicklungsphase, aber wir haben das Start-up ja erst 2019 gegründet“, fügt Rosser schmunzelnd hinzu. Sie selbst ist über Umwege zur Gründung des Unternehmens gekommen. Alles hat mit ihrem Beruf als Pferdechirurgin in Amerika begonnen. „Als ich als Tierarzt arbeitete, war ich immer davon getrieben, wie viele Pferdeleben ich durch meine Arbeit verbessern kann.“ Ein Jobangebot als Senior Surgeon an der Veterinärmedizinischen Universität brachte sie schlussendlich nach Wien. Bereits während ihres PhD arbeitete sie an einem Chip-Prototypen für die Behandlung von Arthritis bei Pferden. „Ich habe bei meiner früheren Arbeit schon gesehen, wie man Behandlungen individualisieren kann. Dann habe ich selbst Arthritis bekommen und realisiert, wie limitierend die Möglichkeiten der medizinischen Behandlungen noch sind“, er­zählt die Wahlösterreicherin. Die Leidenschaft für Pferde ist Rosser geblieben. Ein kleiner Teil ihrer Forschung gehört immer noch den arthritischen Pferden. 

Quelle und Interviewtipp:

www.pregenerate.net

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