EU Verordnung: Der europäische Gesundheitsdaten(t)raum

Lesedauer beträgt 2 Minuten
Autor: Alexander Degelsegger-Márquez

Die EU plant Großes: Europas Patienten und Patientinnen sollen vollen Zugang zu ihren Gesundheitsdaten erhalten.

Patientinnen und Patienten von Finnland bis Spanien sollen überall und zu jeder Zeit auf ihre Patientenkurzakten, Röntgen- und MRT-Bilder, Laborbefunde und andere Daten zugreifen können. Und die Patientinnen sollen auch entscheiden können, was abseits der unmittelbaren Gesundheitsversorgung mit ihren Daten geschieht: Etwa ob eine App, die beim Selbstmanagement von Diabetes hilft, auf die Medikationsdaten zugreifen kann.

Bevor dieser Europäische Gesundheitsdatenraum jedoch Realität wird, sind noch einige Hürden zu nehmen. Eine grundlegende Voraussetzung ist, dass die Daten in allen EU-Ländern digital und strukturiert erfasst werden. Österreich ist hier mit ELGA schon auf einem guten Weg. Doch auch hierzulande sind noch Fragen (z.B. die Patientenkurzakte) offen.

Bei der EU Verordnung für einen Europäischen Gesundheitsdatenraum geht es auch um die sogenannte „Sekundärnutzung“ – die Nutzung der Gesundheitsdaten für die Forschung sowie die Planung und Steuerung der jeweiligen Gesundheitssysteme.

Europäische Patientinnen und Patienten sollen künftig überall und zu jeder Zeit auf ihre Patientenkurzakten, Röntgen- und MRT-Bilder, Laborbefunde und andere Daten zugreifen können.

Bisher darf mit Gesundheitsdaten nur dann geforscht und gesteuert werden, wenn die Betroffenen explizit der Verarbeitung ihrer persönlichen Daten zustimmen oder es national eine gesetzliche Rechtsgrundlage für die jeweilige Datenverarbeitung gibt. Die Probleme mit dieser Situation sind spätestens seit Covid-19 auch einem breiteren Publikum bekannt: Die expliziten Einwilligungen sind aufwendig einzuholen. Weder die Einwilligungen noch gesetzliche Rechtsgrundlagen lassen sich anlassbezogen rasch anpassen, wenn es eine Situation erfordert. Und oft ergeben sich Datensilos, die nicht verknüpft werden können: etwa, wenn es um Fragen der Treffsicherheit von Public Health-Maßnahmen geht oder um die Wirksamkeit von medizinischen Interventionen.

Mit dem Europäischen Gesundheitsdatenraum liegt nun ein Vorschlag vor, der ein Ende der Datensilos bedeuten würde: Die Idee ist, dass Gesundheitsdaten jedenfalls für die Sekundärnutzung zur Verfügung stehen sollen, solange die Nutzungszwecke legitim sind und bestimmte Rahmenbedingungen eingehalten werden. Zunächst geht es um den Datenschutz: Eine Identifikation von Einzelpersonen darf in der Sekundärnutzung nicht möglich sein. Welche Maßnahmen nötig sind, um das zu vermeiden, wird aktuell hitzig diskutiert. Der ursprüngliche Verordnungsentwurf sieht bereits vor, dass Daten anonymisiert und nur in begründeten Ausnahmefällen pseudonymisiert zur Verfügung zu stellen sind. Eine Mitbestimmung der individuellen Betroffenen war allerdings nicht vorgesehen. Mittlerweile scheint sich in den Verhandlungen der Kompromiss eines ‚Opt Out‘ anzubahnen, d.h. jede/jeder Einzelne soll entscheiden dürfen, ob ihre/seine Gesundheitsdaten für die Sekundärnutzung zur Verfügung stehen.

Zum Autor:
Dr. Alexander Degelsegger-Márquez
ist Experte für Digital Health bei der
Gesundheit Österreich GmbH.

Ein Opt Out scheint nicht zuletzt deshalb sinnvoll, weil der Verordnungsvorschlag auch für den Privatsektor Zugriff auf die Gesundheitsdaten vorsieht, etwa für die Arzneimittelforschung oder das Trainieren von KI-Algorithmen.

Die Verordnung zum Europäischen Gesundheitsdatenraum hat, entsprechend überarbeitet und sicher implementiert, großes Potenzial: Gesundheitsdaten können dort, wo sie gebraucht und gewissenhaft verwendet werden, wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, bessere Versorgung, präzisere Systemplanung und schnellere Reaktion auf Public Health-Herausforderungen ermöglichen.

Um den Gesundheitsdaten(t)raum wahr werden zu lassen, braucht es jedoch eine gute Zusammenarbeit der datenhaltenden Stellen, durchdachte Prozesse und eine neutrale Schaltstelle, die sich darum kümmert, dass Gesundheitsdaten nur für legitime Zwecke und auf sichere Weise weiterverwendet werden. 

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Weiterlesen

MedAustron Ionentherapiezentrummit JCI-Akkreditierung für Ambulatorium

Die internationale Akkreditierungsstelle für Gesundheitseinrichtungen Joint Commission International (JCI) hat die ambulante Versorgung bei MedAustron hinsichtlich umfangreicher Qualitätsstandards geprüft und als Auszeichnung für das Engagement für eine kontinuierlich sichere und hochwertige Patientenversorgung das Goldene Siegel verliehen.