OGH: Wann ist die Aufklärung über Diagnose­möglichkeiten ausreichend

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Autor: Monika Ploier

Nach Geburt eines Kindes mit Trisomie 21 verlangt die Klägerin vom betreuenden Gynäkologen Unterhalt. Sie sei über ungenutzte Diagnosemöglichkeiten zu wenig aufgeklärt worden. Der OGH hat entschieden.

Der beklagte Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe betreute die klagende Patientin in ihrer Schwangerschaft medizinisch. Er klärte sie vollständig über sämtliche möglichen Untersuchungsmethoden zur pränatalen Erkennung von Chromosomenanomalien wie Trisomie 21 unter Anführung der jeweiligen Detektionsraten auf. Wie bei diesen pränatalen Untersuchungen üblich, errechnete der Gynäkologe aufgrund des Alters der klagenden Patientin, die zu diesem Zeitpunkt 27 Jahre alt war, die Möglichkeit des Vorliegens einer Trisomie 21 bei ihrem Kind mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 1.206. Ebenso lege artis führte der Gynäkologe mittels Ultraschall eine Messung der Nackentransparenz, des Nasenbeins, des Ductus venosus und der Herzfrequenz des Fötus durch.

Durch die vom Gynäkologen bei der Untersuchung gewählte Kombination wurde eine statistische Detektionsrate für Trisomie 21 von 89,2 % erreicht, woraus der Gynäkologe das Risiko für das Vorliegen einer Trisomie 21 mit 1 zu 12.869 errechnete. Unstrittig in dem Verfahren war, dass die vom Gynäkologen durchgeführten Untersuchungen lege artis erfolgt sind. Für die klagende Patientin waren diese Einschätzung und die Messergebnisse ausreichend. Insbesondere sprach sie sich gegen die Vornahme eines NIP-Tests (nicht invasiver pränataler Test) und einer Fruchtwasser- oder Plazentapunktion aus. Der Sohn der klagenden Patientin wurde mit Trisomie 21 geboren, weshalb die klagende Patientin ua. auf Unterhalt klagte. Die Klägerin argumentierte, dass sie im Falle der Kenntnis des Vorliegens von Trisomie 21 einen Schwangerschaftsabbruch hätte vornehmen lassen. Beide Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Dem Gynäkologen sei weder ein Aufklärungsfehler noch ein Behandlungsfehler vorzuwerfen.

Die Patientin klagte auf Unterhalt. Sie argumentierte, dass sie im Falle
der Kenntnis des Vorliegens von Trisomie 21 einen Schwangerschaftsabbruch hätte vornehmen lassen.

Der OGH sprach dazu aus, dass jeder Arzt im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrags Diagnostik, Aufklärung und Beratung nach den aktuell anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst schuldet. Die ärztliche Aufklärungspflicht umfasst dabei die Pflicht, den Patienten über mögliche Gefahren und schädliche Folgen einer Behandlung oder ihrer Unterlassung zu unterrichten. Aufklärungspflichten und Belehrungspflichten bestehen nicht nur dann, wenn die Einwilligung des Patienten zur Durchführung einer ärztlichen Heilbehandlung erreicht werden soll. Sie bestehen auch, um dem Patienten eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen, ob er eine (weitere) ärztliche Behandlung unterlassen kann.

Im gegenständlichen Fall stand fest, dass der Gynäkologe die klagende Patientin über alle Möglichkeiten von pränatalen Untersuchungsmethoden, deren Unterschiede und unterschiedliche Aussagekraft aufgeklärt hat. Darüber hinaus stand fest, dass die Untersuchungsmethoden, in die die klagende Patientin eingewilligt hat, lege artis durchgeführt worden sind.

Die klagende Partei wandte ein, dass sie das Informationsblatt unterfertigt hätte und sich aus diesem auch ihre Einwilligung in einen Combined-Test und die Trikuspidalklappen-Untersuchung ergeben hätte. Dieser Ansicht traten die Gerichte jedoch entgegen und führten aus, dass es sich bei diesem Informationsblatt um keinen Behandlungsvertrag mit klarem Auftrag zur Durchführung dieser Untersuchungen gehandelt hat, sondern vielmehr um eine bloße Information über die unterschiedlichen Untersuchungsmöglichkeiten zur Erkennung von Trisomie 21. Die konkrete Einverständniserklärung bezog sich nur auf das sog. Firsttrimester-Screening, weshalb dem Gynäkologen die Nichtdurchführung der weiteren Untersuchungen weder als Aufklärungs- noch als Behandlungsfehler anzulasten war.  

Dr. Monika Ploier ist Anwältin bei HLMK Rechtsanwälte und auf Medizin- und Arbeitsrecht spezialisiert. Sie ist Verfasserin zahlreicher Publika­tionen und Lektorin für Medizin & Recht an mehreren akademischen Bildungseinrichtungen. Monika Ploier ist Obfrau des Forschungsinstituts für Recht in der Medizin FIRM.

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