ÖGWK 2024: Verbesserung braucht Veränderung

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Autor: Josef Ruhaltinger

Die Veranstaltungen des 14. Österreichischen Gesundheits­wirtschafts­kongresses machten sich auf die Suche nach den Auswirkungen der jüngsten Reformbemühungen. Denn wenn alles gleich bleibt, fahren wir gegen die Wand. Sagt der Gesundheitsminister.

Das akademische Viertel war nahezu aufgebraucht, als Gesundheitsstadtrat Peter Hacker verspätet in den Vortragssaal des 14. Österreichischen Wirtschaftskongresses rauschte. Sein Vorredner Bundesminister Johannes Rauch hatte – schon am Rednerpult stehend – den Beginn seiner Rede verzögert, um seinem Wiener Verhandlungspartner Gelegenheit zu geben sich einzurichten. Schließlich zeigte sich Rauch schmunzelnd enttäuscht. Hatte der Minister doch nach eigenen Worten „gehofft, die Redezeit des Stadtrates selbst in Anspruch nehmen zu können“.

Begegnungen. Kongresse bedeuten Austausch von Informationen – und Visitenkarten. Branchenkontakte sind für jeden Teilnehmer ein unvergänglicher Gewinn.

Der humorvolle Start wich in beiden Politikerreden rasch einer nüchternen Bestandsaufnahme. Johannes Rauch ließ sogar einen Anflug an Wehmut erkennen, als er anmerkte, dass dies aller Voraussicht nach „sein letzter Auftritt als Minister“ auf dem Gesundheitswirtschaftskongress sein werde. Er ließ aber auch nicht unerwähnt, dass die unter seiner Ägide zustande gekommenen Pflege- und Gesundheitsreformen ihre Wirkung entfalten würden. Der kurz vor dem Kongress unterzeichnete Zielsteuerungsvertrag zwischen Bund und Ländern werde als letzter „Baustein die Gesundheitsreform finalisieren“. Er warnte aber auch: „Wenn es die Republik Österreich nicht schafft, in den kommenden fünf bis zehn Jahren zu einer einheitlichen Finanzierung des Gesundheitssystems zu kommen, dann wird sich die Rechnung nicht mehr ausgehen.“ Und er machte kein Hehl: Er sei „an der Systemfinanzierung aus einem Topf gescheitert“.

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker – inzwischen wieder zu Atem gekommen – stellte sich bei seinem Vortrag mit einer Frage schnell an die Seite seines Vorredners „Johannes“: „Wieso ist es in den letzten 20 Jahren so schwierig geworden, an den hervorragenden Künsten und dem Können der Mediziner und Pflegenden in Österreich teilzuhaben?“ Eine Mystery-Call-Aktion der Ärztekammer, die die Wartezeiten in den Wiener Ordinationen erheben ließ, nötigte dem Stadtrat Respekt ab: „Hätten ich, der Bundesminister oder die Kassen eine derartige Aktion vor drei Jahren verlangt, wäre es zu Straßenprotesten gekommen.“ Hacker kommentierte die Umfrageergebnisse hart: „Es ist furchtbar, wie schlecht das Zeugnis ausfällt, dass diese Befragung dem heimischen Gesundheitssystem ausstellt.“ Er unterstreicht aber auch, dass zwei zusätzliche Diabeteszentren für Wien beschlossen wurden oder eine neue Wundambulanz für die Hauptstadt geplant sei. Das sei das Ergebnis eines „neuen Miteinander, wo Gebietskrankenkasse, Ärztekammer, aber auch der Bund gemeinsam auf die Ziele lossteuern“. Dieses Miteinander müsse auch das Ergebnis einer „Finanzierung aus einer Hand“ sein. Wobei sich Hacker mit der Aussage nicht unbedingt auf einer Linie mit dem Gesundheitsminister sieht. Ihm schwebt eine einheitliche Finanzierungsinstanz vor, in der die Stakeholder gleichmäßig vertreten seien – Bund, Länder, Kassen – und in der auch die Ärztekammer gehört werden könne. Die Fragmentierung des heimischen Gesundheitssystems bei Finanzierung und Kompetenzen bleibe „das zentrale Problem, wenn wir etwas verändern wollen“. Die jüngste Gesundheitsreform im Zuge des Finanzausgleichs habe Fortschritte in der Flexibilisierung gebracht, aber „den großen Wurf haben wir auch nicht geschafft“.

Wachsendes Unbehagen

Kongresse sind Orte der Begegnungen. Übelmeinende Abwesende ziehen den Vergleich zu verkappten Klassentreffen, überzeugte Kongressteilnehmer schätzen die Begegnungen mit den Entscheidungsträgern und Kollegen und Kolleginnen. „Es ist der Austausch von Erfahrungen und Meinungen, der lockt“, unterstreicht Heinz Brock, Kongresspräsident und gemeinsam mit Susanne Herbek für Organisation und Programm des Gesundheitswirtschaftskongresses verantwortlich. Das Präsidium leitete im Juni den dritten Kongress unter der Ägide des Springer Medizin Verlages. Seither hat die Veranstaltung ein vollkommen neues Korsett: Sie wurde zur zweitägigen Veranstaltung mit erweiterten Vorträgen und Abendbankett ausgebaut. Der Kongress ist seither eines der Schwergewichte in der langen Liste der Branchenveranstaltungen. Über 450 Teilnehmer und 80 Vortragende versammelten sich für zwei Tage im Wiener Hotel Savoyen, um den Fragen der heimischen Gesundheitspolitik tiefer auf den Grund zu gehen. Heinz Brock macht den Erfolg des diesjährigen Kongresses rückblickend an einem einfachen, aber überzeugenden Indikator fest: „Wir hatten auch am zweiten Tag ein volles Haus.“

Das Präsidium hatte den Kongress unter den Programmtitel „Alles bleibt anders. Prüfen. Überlegen. Gestalten“ gestellt. „Ohne Anpassungen werden unsere Probleme zunehmen“, erklärt Heinz Brock die Aussage. Dies hatte Auswirkungen auf das Programm: „Wir beobachten einen immer schärferen Blick der Insider auf die Probleme unseres Gesundheitssystems. Das muss sich am Kongress widerspiegeln.“ Ging es früher meist um Geld und Einfluss, so reichen heute die Analysen in tiefere Sphären: „Das unkoordinierte Nebeneinander von ambulanter und stationärer Versorgung hat sich trotz intensiver Kritik nicht verbessert“, ärgert sich Brock. Das Ideal der integrierten Patientenversorgung, in der sich mehrere Leistungsbereiche aufeinander abgestimmt um den Patienten kümmern, sei „immer noch ein Wunschtraum“. Und die abnehmende Leistungsfähigkeit des Systems – befeuert durch die grassierende Personalnot und steigende Inanspruchnahme – „beunruhige mittlerweile alle Akteure in den Gesundheitseinrichtungen“.

Die Pandemie hat den lange schwelenden Unzulänglichkeiten des Systems die dämmende Decke weggezogen: Monatelange Wartezeiten auf Facharzttermine, abgesagte Operationen, unbefriedigende 5-Minuten-Behandlungen, ein unkontrolliert wachsender Bereich der Privatmedizin – all diese Umstände lassen das Unbehagen mit dem österreichischen Gesundheitssystem immer stärker werden. Für Heinz Brock, emeritierter ärztlicher Direktor des Kepler Universitätsklinikums, ist „das heimische Gesundheitssystem immer noch ausgezeichnet“, aber der Trend zeige „mittelfristig nach unten“. Und er interpretiert den Programmtitel des Kongresses auf eindeutige Weise: „Wenn alles gleich bleibt, wird es schlechter.“

Gestärkte Medienpräsenz

Mit Herbst beginnen die ersten Vorbereitungen für den 15. Österreichischen Gesundheitswirtschaftskongress. Das Präsidium wird das im Juni umgesetzte Konzept einer direkteren Vortrags- und Diskussionsgestaltung weiterziehen. Heinz Brock: „Wir wollen weniger Power­point und mehr Debatten in den Panels.“ Die Besucherbefragungen zeigen, dass die verstärkte Einbindung der Teilnehmer und vor allem die Abwesenheit von Frontalvorträgen begrüßt wurde. Als Verbesserung wurde auch die erweiterte Nachbereitung des Kongresses wahrgenommen. Die verlagseigene Berichterstattung wurde forciert, Videos zu den Keynotes, Vorträgen und Sessions hochgeladen. Die Online-Präsenz des Kongresses wurde vervielfacht. Ohne Veränderung gibt es keine Zukunft. 

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Informationen und Nachberichte zum 14. Österreichischen Gesundheitswirtschaftskongress finden Sie hier.

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