Bekenntnisse eines Leidenden. Eine Satire von Norbert Peter.
Nach jahrelangem Studium an mir selbst wurde ich nicht nur zum Hypochonder der Sonderklasse, sondern kann auch meine Expertise anbieten, wenn es um eine Sanierung des Gesundheitssystems geht.
Im Vordergrund steht meines Erachtens die Einbindung eines Players, der nicht nur übersehen wird, sondern gar nicht als Player betrachtet wird – im besten Fall als Objekt der Begierde: der Patient. Und naturgemäß erst recht die Patientin.
Nur zu gerne würde ich einmal zwischen die Fronten geraten, wenn die Gesundheitskassa der Ärzteschaft ausrichtet, dass sie genauer hinschauen soll, bevor sie mir weitere Exkursionen in die Magnetresonanzröhren unserer schönen Heimat verschreibt. Ich würde aufzeigen und sagen: „Ja, mein Hausarzt soll genauer hinschauen. Bei der oft praktizierten 3-Minuten-Medizin gehen sich ja gerade mal die Begrüßung und die Erläuterungen zum letzten Schi-Urlaub aus.“
Und dann kommen wir zur Sache: Wie soll mein Arzt in ein paar Minuten herausfinden, was mich plagt, wenn ich nicht einmal selbst weiß, was sich in mir in welcher Reihenfolge abspielt? Allein der Fantasie, dass behandelnde Ärzte sich bei einem Ordinationstermin meinem wichtigsten Leiden widmen wollen, steht doch die Realität entgegen: Wer von uns nur ein Leiden hat, werfe den ersten Gallenstein. Im Laufe eines Tages schmerzt die Schulter, rumort es in meinem Unterbauch, sticht mein Knie und kribbelt es in unregelmäßigen Abständen in meiner kleinen Zehe links! (Oder war es rechts?)
Wie komme ich dazu, da Schiedsrichter in meinem Körper zu spielen und ganz ohne Linienrichter und Video-Überwachung zu entscheiden, welches Organ vorrangig der Behandlung bedarf? Absurd!
Ich würde mir auch Urlaub nehmen, um mich dann mit meinem Arzt, oder besser noch mit einem ganzen Ärzteteam, in Konklave zu begeben. Keiner geht nach Hause, bevor nicht der weiße Rauch der Erkenntnis aus den Köpfen aufsteigt.
Eine Lachnummer der letzten Jahre soll angeblich mehr Gewicht erhalten. Als Kabarettist weiß ich, wovon ich spreche: 1450 ist immer für eine Pointe gut. Ausgerechnet diese Hotline soll verstärkt zwischen mir und den heilversprechenden Ambulanzen platziert werden. Termine nur noch via 1450: Telemedizin als Gatekeeper! Vielleicht gleich ein Callcenter mit Pflegekräften dazu organisieren? Es müsste nicht einmal in Österreich sein …
Warum nicht gleich KI als Telefonistin gewinnen? Lasst den Algorhythmus auf mich los! Der kann wenigstens gleich berechnen, ob sich ein Eingriff überhaupt noch auszahlt.
Übrigens: Wer in der Warteschleife landet, hat die Gewissheit, dass man nach zwei Stunden automatisch aus der Leitung fliegt. Ist das nicht ein beruhigendes Gefühl? Dass sich da jemand Gedanken gemacht hat, wie es einer Anruferin geht, während die Zeit verstreicht. Wie wohl die zwei Stunden errechnet wurden? Handelt es sich um die Zeitspanne, in der Anrufende die Kontrolle über ihr Zeitgefühl verlieren und man sie vor sich selbst schützen muss, bevor sie die ganze Nacht wach bleiben? Oder sind die zwei Stunden ein Indiz dafür, dass es ja nicht ganz so dringend sein kann, wenn sich jemand so lange in der Leitung halten kann? Oder darf man ein Handy nicht länger ans Ohr halten, ohne seine Gehirnmasse elektromagnetisch zu grillen?
Machen wir doch mehr daraus! Wir sind ja ein Volk der Lottospieler und Rabattmarkensammler. Spielerisch und mit etwas Glück sollen wir demnächst auf Rettung hoffen. Gamification lautet das Schlagwort! Machen wir doch statt einer Nummer (1450) mehrere: 1401 bis 1445. Pro Anruf bezahlt man einen Euro. Und jetzt der Clou: Nur bei einer Nummer hebt medizinisches Personal ab. Das dafür aber bereits nach dreimal läuten.
Gut? Noch besser: Gesund bleiben!

Norbert Peter
Kabarettist, Buchautor, Journalist
Peter & Tekal, medizinkabarett.at
Nächste Termine:
– „Fit mit Amalie“ am 18.06.2025 im Theater Center Forum, 1090 Wien
– „30 Jahre Gesund Gelacht“ am 15.07.2025 in der Tschauner Bühne, 1160 Wien