Risiken im klinischen Alltag: Best-Practice-Beispiele aus dem Netzwerktreffen

Lesedauer beträgt 2 Minuten
Autor: Katrin Stimnicker-Schöberl

Beim Netzwerktreffen der Initiative Patient*innensicherheit Steiermark 2025 wurden zwei Beispiele beleuchtet, wie Risiken im klinischen Alltag gemeistert werden können.

Die Initiative Patient*innensicherheit Steiermark (IPS) verfolgt seit 2010 das Ziel, die Sicherheit von Patient:innen in steirischen Gesundheitseinrichtungen zu erhöhen. Unter dem Motto „Voneinander lernen“ finden jährlich Netzwerktreffen statt, bei denen sich Expert:innen über Erfahrungen, Herausforderungen und Lösungen im Bereich der Patientensicherheit austauschen. Im Rahmen des Treffens 2025 wurden zwei besonders lehrreiche Best-Practice-Beispiele zu sogenannten „Beinahe-Fehlern“ ausgewählt. Diese zeigen praxisnahe Strategien zur Vermeidung von Risiken im Klinikalltag.

1. Lifttüren: Eingeschlossene Patient:innen durch automatische Schließmechanismen

Fallbeschreibung:
Zwei Rollstuhlnutzer:innen mit hoher Rückenmarksläsion waren in einem Lift eingeschlossen, da sie aufgrund fehlender Handfunktion die Bedientasten nicht betätigen konnten. Die Lifttüren schlossen sich automatisch und öffneten sich erst wieder bei Erreichen eines Zielstockwerks oder durch einen externen Ruf.

Ursachenanalyse:
Die automatische Schließfunktion der Lifttüren führte dazu, dass die Patient:innen ohne Möglichkeit zur Selbsthilfe eingeschlossen waren. Nur externe Personen konnten den Lift wieder öffnen.

Lösungsansatz und Umsetzung:
> Rückfrage bei der Liftfirma ergab, dass ein Dauer-Offen-Modus technisch möglich ist.
> Testbetrieb bei einem Lift wurde durchgeführt und für erfolgreich befunden.
> Bei den nächsten Wartungsarbeiten wurden alle Lifte umgestellt – Türen bleiben offen, bis ein Ruf erfolgt oder Tasten betätigt werden.
> Zusätzlich wurde in allen Liften eine Sprachansage zur besseren Orientierung installiert.

Evaluierung:
Aufgrund der baulichen Veränderung ist keine gesonderte Evaluation geplant. Die Maßnahme verhindert künftig ein unbeabsichtigtes Einschließen von bewegungseingeschränkten Personen.

2. Herzalarm nicht korrekt ausgelöst: Verspäteter Notfalleinsatz trotz Erstversorgung wegen fehlender Ortsangabe

Fallbeschreibung:
Ein Herzalarm wurde vom Verwaltungspersonal ausgelöst, jedoch wurde keine Nachricht auf das Tonband gesprochen. Das Notfallteam wusste daher nicht, wo der Notfall war, und musste alle Stationen kontaktieren, bevor es zur Versorgung eilen konnte. Der Patient wurde bis zur Ankunft durch das Personal vor Ort stabil versorgt.

Risikoeinschätzung:
> Beeinträchtigte Qualitätsindikatoren: Patientensicherheit, rechtzeitige Versorgung, Kontinuität
> Risikostufe: hoch bis sehr hoch

Ursachenanalyse:
Technische Fehler wurden ausgeschlossen. Die Unsicherheit beim Bedienvorgang – insbesondere das fehlende Freizeichen und Unklarheiten über den Sprechtext – führte zur mangelhaften Auslösung. Praktisches Training war bisher nicht vorgesehen.

Lösungsansatz und Umsetzung:
> Anlassbezogene Schulungen zur korrekten Alarmierung (2x Ansage sprechen, danach auflegen)
> Ab 2024 verpflichtende Notfall­t­rainings (ERC ILS und BLS) auch für nicht-medizinisches Personal
> Praktische Übungen mit speziell bereitgestellten DECT-Geräten
> Sensibilisierungskampagnen über Mitarbeiterportal
> Evaluierung und Nachrüstung von Notfallplakaten im gesamten Krankenhaus

Evaluierung:
> Laufende Feedbackauswertung aus Notfalltrainings
> Erinnerung an das Alarmierungs­vorgehen in Teambesprechungen
> Auswertung von Fällen im Chancen- und Risikomanagement
> Feedbackrunden im Rahmen von Patientensicherheits-Jour-fixe mit Teamleitungen

Fazit

Die vorgestellten Best-Practice-Beispiele verdeutlichen, wie systematische Fehleranalyse und gezielte Interventionen zur nachhaltigen Verbesserung der Patientensicherheit beitragen können. Die vorgestellten Maßnahmen sind auch auf andere Einrichtungen übertragbar und zeigen eindrucksvoll, wie aus Beinahe-Fehlern wertvolles Wissen für das gesamte Gesundheitswesen generiert werden kann. 

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