Schon junge Männer mit pathogenen Mutationen in der Keimbahn

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Autor: Scho

Der Zusammenhang zwischen dem Alter des Vaters bei der Empfängnis und Keimbahn-Mutationen, die zu Fehlbildungen beim Kind führen können, ist komplexer als angenommen. Bisher ging man davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit für eine zu Fehlbildungen führende Mutation steigt, je älter ein Mann ist. Linzer Forscherinnen und Forscher zeigen nun im Fachjournal „Genome Biology and Evolution“, dass auch schon junge Männer potenziell pathogene Mutationen in den Spermien haben können.

Mutationen, die beim Nachwuchs zu angeborenen Erkrankungen führen können, sind in der männlichen Keimbahn häufiger anzutreffen und liegen um Größenordnungen über der durchschnittlichen Mutationsrate des menschlichen Erbguts. „Das Dogma war bisher, dass je älter ein Mann mit Kinderwunsch ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit ist, eine solche Mutation in seinen Spermien zu finden – mit potenziell pathogenen Auswirkungen für den Nachwuchs“, erklärte Irene Tiemann-Boege vom Institut für Biophysik der Universität Linz gegenüber der APA. Denn solche Mutationen seien oft mit einer Genfunktionsänderung verbunden und können beim Kind zu Knochen- und Herzfehlbildungen wie Achondroplasie (Kleinwuchs) oder neurologischen Entwicklungsstörungen wie Autismus führen.

Für ihre Studie analysierte das Team um Tiemann-Boege Spermaproben von anonymen Spendern von der Kinderwunschklinik an der Linzer Universitätsklinik. Sie untersuchten dabei die Häufigkeit für Mutationen für zehn verschiedene Varianten des Gens FGFR3 bei Männern im Alter von 23 bis 59 Jahren. FGFR3 ist ein bekanntes krebsauslösendes Gen (Onkogen), das in den männlichen Keimdrüsen stark ausgeprägt ist. Es zeichnet für den Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor 3 verantwortlich – ein Protein, das beim Menschen in Geweben wie Knorpel, Gehirn, Darm und Nieren vorkommt. „Schon einzelne Veränderungen von Buchstaben dieses Gens können die Funktionalität des Proteins beeinflussen – mit schwerwiegenden Konsequenzen wie verschiedene Arten von Dysplasien“, erklärte Tiemann-Boege.

„Wir fanden heraus, dass bestimmte Mutationen in demselben Gen in unterschiedlicher Art und Weise auftreten.“ Dabei handelt es sich um Mutationen, deren Häufigkeit mit dem Alter in Hoden und Spermien zunimmt, und Mutationen, die entstehen, bevor die männliche Keimbahn geschlechtsreif wird, und unabhängig vom Alter des Mannes schon da sind und deren Anzahl mit dem Alter konstant bleibt. Das sei eine „neue Erkenntnis für diese Art der Mutagenese“.

Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter untersuchten, wie sich die Mutationsfrequenz mit dem Alter ändert und ob sich Mutationen in den Stammzellen des Keimepithels des Hodens, die für die kontinuierliche Produktion von Spermien verantwortlich sind (Spermatogonien), ausbreiten, weil die mutierten Rezeptormoleküle eine erhöhte Zellteilungsrate zur Folge haben. Zudem überprüften sie, ob es funktionale Effekte dieser Mutationen gibt, die teilweise noch gar nicht beschrieben worden sind.

„Mutationen auch in jungen Probanden“

Es zeigte sich, dass die FGFR3-Variante, die mit Achondroplasie einher geht, mit dem Alter des Vaters zunimmt, ebenso eine andere Variante, die mit einer in der Regel tödlichen Skelettstörung bei Kindern (Thanatophoren Dysplasie) assoziiert ist. Dagegen würden andere FGFR3-Varianten nicht mit dem Alter des Vaters zusammenhängen.

„Was wir aber auch gesehen haben ist, dass einige der analysierten Mutationen auch in jungen Probanden auftreten können“, sagte Tiemann-Boege. In den Hoden junger Männer würden sie klein bleiben und keine großen Cluster wie bei älteren Probanden formen. Aber neun der zehn Mutations-Varianten hätten auch einen funktionalen Effekt und würden zu einer Hyperaktivierung des Proteins führen, wie biophysikalische Messungen zeigten.

Der Expertin zufolge können solche Mutationen schon sehr früh auftreten, teilweise sogar schon vor der Geschlechtsreife eines Mannes. Je nachdem, wie viele Keimbahnzellen davon betroffen sind, steige dann auch das Risiko für Fehlbildungen bzw. Störungen beim Nachwuchs.

Die Fachpublikation finden Sie hier.

(APA/red.)

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