An der Innsbrucker Kinderklinik werden aktuell sechs Kinder und Jugendliche, die unter der extrem seltenen Stoffwechselstörung „GLUT1-Defizienzsyndrom“ leiden, mit einer ketogenen Ernährungstherapie – einer fettreichen Ernährung mit kaum Kohlenhydraten – betreut und behandelt. Die Symptome der genetisch bedingten und damit angeborenen Erkrankungen können damit deutlich gelindert werden, hieß es seitens der Verantwortlichen bei einer Pressekonferenz in Innsbruck.
Sabine Scholl-Bürgi, geschäftsführende Oberärztin an der Innsbrucker Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde: „Durch die Störung fehlt wegen genetischer Veränderungen der Glukose-Transporter, der Glukose aus dem Blut ins Gehirn transportiert.“
Das sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, betonte Sabine Scholl-Bürgi, geschäftsführende Oberärztin an der Innsbrucker Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde. Denn die Symptome seien zahlreich und sowohl für die Eltern als auch für die Kinder und Jugendlichen überaus unangenehm: „Diese reichen von zerebralen Krampfanfällen bis hin zu Bewegungs- und Entwicklungsstörungen.“
Die Gründe – vor allem für die Krampfanfälle – seien leicht benannt: „Durch die Störung fehlt wegen genetischer Veränderungen der Glukose-Transporter, der Glukose aus dem Blut ins Gehirn transportiert.“ Das Gehirn habe damit zu wenig Energie zur Verfügung, erklärte Scholl-Bürgi. Die Ernährungstherapie bei der Behandlung der Krankheit – die 1991 erstmalig diagnostiziert worden war – sei in dieser Hinsicht ein wichtiger Gamechanger. „Damit gelingt es nämlich, natürlich nur durch viel Disziplin und strenger Einhaltung dieser Diät, die notwendigen Blutwerte zu erreichen.“ Der Schlüssel dazu: „Ernährung mit nur sehr wenigen Kohlenhydraten, die dafür aber sehr fettreich ist.“
Vor der ketogenen Ernährungstherapie müsse aber stets natürlich die richtige Diagnose stehen, hielt Johannes Zschocke, Direktor des Instituts für Humangenetik an der Medizinischen Universität Innsbruck, fest. „Bei seltenen Krankheiten ist das freilich die größte Herausforderung“, betonte er. „Die Einordnung fällt oft schwer und ohne Einordnung gibt es auch keine spezifischen Therapien wie in diesem Fall bei „GLUT1-DS“.“
Patientin & Mutter: Durch die Ernährungstherapie seien die Krampfanfälle „fast verschwunden“ .
Über ebenjene Diagnose, die in Innsbruck erfolgte, zeigte sich die ebenfalls bei der Pressekonferenz anwesende Mutter einer betroffenen 14-Jährigen erfreut. „Obwohl es natürlich schwer und herausfordernd für meine Tochter und uns als Familie ist, die Diät einzuhalten, können wir die Krankheit jetzt endlich benennen“, sagte sie. Durch die Ernährungstherapie seien die Krampfanfälle „fast verschwunden“ und ihre Tochter, die die Diagnose mit sechs Jahren erhielt, sei „deutlich energiereicher“. Zudem helfe ein Therapie- und „Signalhund“ dabei, zu erschnüffeln, wenn ihre Tochter wieder problematische Blutwerte habe.
Die Ernährungstherapie – derzeit Stand der Dinge in der Forschung – sei aber wohl nicht das Ende der Fahnenstange bei der Behandlung und Betreuung von „GLUT1-DS“ Patienten, stellte Scholl-Bürgi in den Raum. „Es ist denkbar, dass es irgendwann eine Gen-Therapie gibt“, meinte sie. Es werde „eifrig geforscht“, zumal man gegenwärtig davon ausgehe, dass die Krankheit häufiger sei als bisher angenommen: „Eine von 20.000 Personen ist wohl davon betroffen.“
Überhaupt seien seltene Krankheiten – deren Tag am 29. Februar „gefeiert“ wird – gar nicht so selten, betonte man unisono. Von „selten“ spreche man, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Einwohnern an einer Krankheit leiden. Da aber rund 7.000 unterschiedliche seltene Krankheiten existierten, seien in der Gesamtheit etwa sieben Prozent der weltweiten Bevölkerung davon betroffen. In Österreich kann man also von rund 500.000 Patienten ausgehen, hieß es.
(APA/red.)