Technik gegen Organmangel – Hilfe für die erfolgreiche Transplantation

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Autor: Scho

Wenn Patientinnen und Patienten heute auf ein Spenderorgan warten, müssen sie vor allem Glück und Geduld haben. Bedingt durch steigendes Lebensalter und die Zunahme chronischer Erkrankungen gibt es einen wachsenden Bedarf an Spenderorganen, der nicht mehr abgedeckt werden kann. Um Betroffenen zu helfen, müssen zunehmend technische Lösungen gefunden werden.

Eine Organspende ist vor allem eine Frage der richtigen Zeit und des richtigen Ortes: Wenn Organe bei hirntoten Patientinnen und Patienten entnommen werden, sind sie nur für eine begrenzte Zeit für eine Transplantation nutzbar. Ohne die Versorgung im Körper mit Sauerstoff und Nährstoffen sterben ihre Zellen schnell ab. Leider sind die Spenderinnen und Spender und die potenziellen Empfängerinnen und Empfänger von Organen nicht immer nah beieinander, sodass längere Transportzeiten entstehen. Währenddessen kann ein Organ Schaden nehmen.

Aber auch das Immunsystem der Empfängerin oder des Empfängers spielt eine Rolle: Es muss mit dem Spenderorgan kompatibel sein, da es dieses ansonsten als körperfremd erkennt und in kurzer Zeit zerstört. Transplantationen finden deshalb nur zwischen Menschen statt, die diese Voraussetzung erfüllen.

Darüber hinaus ist das Alter wichtig – sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene. Durch ein höheres Alter und die Zunahme damit verbundener Erkrankungen wird es für immer mehr Menschen wahrscheinlich, dass sie im Laufe ihres Lebens ein Spenderorgan benötigen. Gleichzeitig sinkt die Spendebereitschaft, sodass Transplantationszentren zunehmend auch die Organe älterer Spenderinnen und Spender in Betracht ziehen müssen, die für eine Transplantation weniger geeignet sind.

Organ-Service

Deshalb arbeitet die Medizin an Wegen, um mehr Organe für eine Spende zugänglich zu machen. An der Charité Universitätsmedizin Berlin wird dazu die Maschinenperfusion erforscht, durch die Organe nach der Entnahme wieder aufbereitet werden können. Sie werden vor der Transplantation über einen Kreislauf entweder mit warmem Spenderblut oder einer kalten Lösung durchgespült. Beide Flüssigkeiten werden für diese Behandlung mit Sauerstoff angereichert.

Dieser Prozess soll zu einer verbesserten Zellfunktion des Organs beitragen und so die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass es nach der Transplantation seine Arbeit wieder im ausreichenden Maße aufnimmt und die Transplantation ein Erfolg ist. Derzeit leitet die Charité zwei Studien zu diesem Verfahren bei der Transplantation von Niere und Leber.

Trotz der Möglichkeiten, mit denen wir heute Organe erhalten können, müssen viele Patientinnen und Patienten lange auf ein Spenderorgan warten. Für sie werden technische Möglichkeiten benötigt, die die Wartezeit überbrücken, indem sie eine verlorene Organfunktion teilweise oder ganz ersetzen. Das älteste Beispiel dafür ist die Dialyse, bei der eine Maschine außerhalb des Körpers die Funktion der Niere erfüllt und Stoffe aus dem Blut spült, die ansonsten über die Niere ausgeschieden würden. Da diese Behandlung alle paar Tage stattfinden muss, sind die Patientinnen und Patienten häufig an den Standort ihres Dialysezentrums gebunden.

Ersatzsysteme

Ähnlich verhält es sich mit heutigen Unterstützungs- und Ersatzsystemen, die bei einer Schädigung des Herzens eingesetzt werden: Je nach Schwere der Erkrankung kommt entweder eine vollständig implantierbare Pumpe zum Einsatz oder ein System, das von außen den Blutkreislauf antreibt. Die Trägerin oder der Träger muss dabei ständig eine Antriebs- und Steuereinheit mit sich führen. Ausfälle sind hier lebensbedrohlich.

Bei allen Systemen, die teilweise oder ganz implantiert werden, können an den Oberflächen Blutgerinnsel oder Zellablagerungen entstehen, die die Funktion stören. Das Sonderforschungsprojekt „Towards an Implantable Lung“ unter Leitung der Universitätsklinik der RWTH Aachen versucht, einen derartigen Effekt zu verhindern – und das für ein völlig neues Medizinprodukt: „Wir arbeiten daran, die Grundlagen für eine künstliche, implantierbare Lunge zu schaffen, ähnlich heutigen implantierbaren Herzen“, sagt Prof. Rolf Rossaint im Interview mit MEDICA.de. Im Projekt wird vor allem eine gute Biokompatibilität angestrebt.

Dieses System ist für COPD-Patientinnen und -Patienten gedacht, die ohne eine Transplantation an Lungenversagen sterben oder im Endstadium der Krankheit erheblich unter der damit verbundenen Atemnot leiden würden. Sie können zwar heute schon Atemunterstützung erhalten, um den Leidensdruck der Erkrankung zu mindern – für ein tatsächliches Lungenversagen gibt es aber noch keine Behandlungsmöglichkeit.

Externe Lunge

Eine Möglichkeit, Patientinnen und Patienten mit Lungenversagen zu helfen, ist die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO). Dabei wird der Gasaustausch des Blutes außerhalb des Körpers durchgeführt. Da das Blut während dieser Behandlung mit einer großen Menge künstlicher Oberflächen in Kontakt kommt, nehmen nicht nur die Blutzellen selbst Schaden, das Risiko für eine Gerinnselbildung in der Maschine ist ebenfalls stark erhöht, und damit steigt auch die Gefahr einer Thrombose.

Deshalb ist die Behandlung mit der ECMO auch nur für einen kurzen Zeitraum möglich und nicht als längerfristiger Ersatz für die Lunge gedacht. Bei der ECMO handelt es sich um ein stationäres Gerät, das derzeit vor allem für die Behandlung von Corona-Patientinnen und -Patienten auf der Intensivstation eingesetzt wird. Bei ihnen muss die ECMO den kompletten Gastausch der Lunge übernehmen.

Hier setzt „Towards an Implantable Lung“ an, um die Technik zu verkleinern: „Wenn es darum geht, nur einen Teil des Gasaustausches zu übernehmen, kann man aber auch an viel kleinere Geräte denken. Diese könnten dann sogar implantierbar sein“, erklärt Rossaint. Er rechnet damit, dass es noch zehn bis zwölf Jahre dauern wird, bis ein implantierbares Unterstützungssystem für die Lunge tatsächlich verfügbar sein wird.

Viele Herzunterstützungssysteme werden durch eine Einheit außerhalb des Körpers angetrieben. Die Verbindung zur Pumpe führt dann durch die Haut.

Viele Organfunktionen sind zu komplex, um sie technisch effizient nachzubilden. Aber auch, wenn es in Zukunft mehr und bessere technische Lösungen für den Organersatz geben sollte, müssen wir das Augenmerk trotzdem weiter auf den Erhalt und die Nutzbarmachung von Spenderorganen lenken. Implantate oder externe Geräte schränken die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten stark ein und sollten deshalb eine Überbrückungslösung bleiben. Leider steht aber ein steigender Bedarf an Spenderorganen einer abnehmenden Verfügbarkeit gegenüber, weshalb wir vorerst nicht auf technische Ersatzsysteme verzichten können.

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