Weltpremiere: Patientin erhielt Implantat aus hauseigenem 3D-Drucker

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Autor: Scho

Ein häuslicher Unfall im Frühsommer und ein schweres Schädel-Hirn-Trauma sind die dramatische Vorgeschichte des Falls. Um zu verhindern, dass die Patientin durch eine maligne Hirnschwellung weiteren Schaden nimmt, wurde bei der Patientin am Uniklinikum Campus CDK in Salzburg eine Entlastungskraniektomie durchgeführt – sprich: auf der linken Schädelseite wurde ein rund 12 mal 10 Zentimeter großes Stück der Kalotte (Schädeldecke) entfernt. Jetzt allerdings ist es gelungen auch diesen schützende Knochen wieder herzustellen. Und das mit einem Implanten aus eigenem Haus.

„Die Patientin hat sich so gut erholt, dass wir den fehlenden Teil durch ein Implantat ersetzen konnten“, sagt Professor Christoph Griessenauer, Vorstand der Uniklinik für Neurochirurgie. Das ärztliche Behandlungsteam um Oberarzt Johannes Pöppe hatte sich entschied, anstelle einer Plastik aus modellierbarem PMMA ein Implantat aus PEEK-Kunststoff einzusetzen.

Das Besondere daran: Dieses Implantat wurde im 3D-Drucklabor des Uniklinikums Salzburg gemeinsam von Dr. Pöppe, Dr. Mathias Spendel und dem Managementbereich Medizin- und Informationstechnologie entworfen und produziert. Dr. Pöppe: „Wir haben die CT-Bilder der Patientin an das Team unserer IT-Kundenbetreuung rund um Werner Wurm geschickt. Dieses hat dann ein Modell des Schädels und des Implantats ausgedruckt. Nachdem wir das Modell freigegeben haben, wurde das Implantat auf dem 3D Systems EXT 220 MED (Kumovis R1) 3D-Drucker unter Reinraumbedingungen gedruckt.“

Christoph Griessenauer & Johannes Pöppe: Enge Kooperation zwischen medizinischem Team und dem IT-Bereich hat die Behandlung möglich gemacht. Weitere OPs sind bereits geplant.

Der Eingriff selbst wurde am 12. September durchgeführt und dauerte nur 59 Minuten. Professor Griessenauer: „Wir führen im Jahr rund 40 Entlastungskraniektomien durch und setzen dann rund 25 Mal pro Jahr wieder Implantate ein. Hier haben wir aber den ersten weltweit dokumentierten Fall, bei dem ein im Haus gefertigtes Implantat aus dem 3D-Drucker eingesetzt wurde. Dabei wurden auch alle Anforderungen der Medical Device Regulation (MDR) der EU für patientenspezifische Implantate eingehalten. Das heißt: Der 3D-Druck ist endgültig im klinischen Alltag angekommen!“

Das Implantat wurde über Plättchen mit der Schädeldecke verschraubt. Über Löcher in der Struktur konnte die Hirnhaut mit dem Implantat vernäht werden. Der Patientin geht es nach dem Eingriff gut. „Der postoperative Verlauf ist völlig unauffällig. Die Heilung schreitet gut voran“, berichtet Dr. Pöppe. In der postoperativen Bildgebung zeigte sich eine optimale Rekonstruktion der Schädeldachform. Für die kommenden Wochen planen die Neurochirurginnen und -chirurgen schon mehrere weitere Implantate aus dem 3D-Drucker.

Nach Heilversuch mit Prothese nun regelhafte OP mit Implantat

Bereits im vergangenen Frühjahr hat die Uniklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) am Uniklinikum Salzburg international Schlagzeilen gemacht: Damals erhielt ein Patient (55) eine erste selbstgefertigte Hinterhaupt-Prothese aus dem 3D-Drucker. Die Unterschiede zum aktuellen Eingriff: Es handelte sich noch um einen Heilversuch und keine regelhafte Operation nach der MDR. Und der Patient erhielt damals eine Prothese, welche die Knochenstruktur ergänzte und kein Implantat, das Knochenstruktur ersetzt.

Das 3D-Drucklabor des Uniklinikums Salzburg ist an der Uniklinik für MKG angesiedelt, unterstützt jedoch mehrere Kliniken. „Es ist Teil unserer Digitalisierungsstrategie, die wir seit dem Beginn der Corona-Pandemie noch konsequenter verfolgen“, erklärt Dozent Paul Sungler, Geschäftsführer der Salzburger Landeskliniken: „Wir wollten den Schwung nutzen, den die Pandemie in diesem Bereich gebracht hat und haben 2021 zum Jahr der Digitalisierung ausgerufen. Die Früchte dieser Arbeit können wir jetzt ernten. Die aktuelle Operation an unserer Uniklinik für Neurochirurgie zeigt auch, wie wir Digitalisierung verstehen: Sie ist kein Selbstzweck, sondern muss direkt bei den Patientinnen und Patienten oder im klinischen Alltag ankommen.“

(OTS/red.)

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