Österreich ist in Sachen Verhütung im europäischen Vergleich nur im oberen Mittelfeld. Zwar ist die Online-Aufklärung hierzulande sehr gut, doch bei Zugang, Finanzierung und Beratung ist noch einiges aufzuholen. Laut dem Verhütungsatlas, der 2017 zum ersten Mal erstellt wurde, liegt Österreich von 46 Ländern auf Platz 19 mit einem Wert von 62,2 von 100 Prozent. Auf den Top drei liegen Großbritannien, Frankreich und Belgien. Dort wird am meisten für Empfängnisverhütung getan.
Der Verhütungsatlas soll zeigen, in welchen Ländern der Zugang zu Verhütungsmitteln, die Beratung über Empfängnisverhütung und die Online-Aufklärung am besten läuft. Denn 35 Prozent der Schwangerschaften in Europa seien ungewollt, sagte Leonidas Galeridis vom European Parliamentary Forum for Sexual and Reproductive Rights, das die Auflistung erstellt, bei der Präsentation in Wien. Um die Abtreibungsrate zu reduzieren, sei eine moderne Empfängnisverhütung eine wichtige Maßnahme. Nur knapp über die Hälfte, 57 Prozent, der Frauen in Europa würden Verhütungsmittel in Anspruch nehmen. Und nur 20 der 46 untersuchten Länder haben die Verhütung in ihr Gesundheitssystem eingebunden. In Österreich ist das nicht der Fall. Hierzulande ist die Verhütung Privatsache, sagte SPÖ-Nationalratsabgeordnete Petra Bayr, die auch Präsidentin des European Parliamentary Forum for Sexual and Reproductive Rights ist. In Frankreich bekommen etwa alle Unter-26-Jährigen gratis Kondome.
Leonidas Galeridis vom European Parliamentary Forum for Sexual and Reproductive Rights: Nur 20 der 46 untersuchten Länder haben Verhütung in ihr Gesundheitssystem eingebunden.
Großbritannien erreichte beim Verhütungsatlas einen Wert von 96,9 Prozent, Frankreich 93,2 Prozent und Belgien mit 91,1 Prozent. Negativbeispiel ist Polen mit 33,5 Prozent. Das Land erreichte den letzten Platz, davor liegen Bosnien-Herzegowina mit 39 Prozent und Ungarn mit 40 Prozent.
Beratung & Zugang zu Verhütungsmitteln
„Unter den westlichen, nördlichen Ländern in Europa sind wir die allerschlechtesten“, sagte Bayr. „Und das kommt aufgrund einer sehr durchwachsenen Situation.“ Was die Online-Information zu dem Thema betrifft, zählt Österreich zu den Besten, so Bayr. Der Staat würde eine gute Website zur Verfügung stellen, die vollinhaltlich Informationen liefere, erklärte auch NEOS-Abgeordnete Fiona Fiedler. Das Angebot gebe es in verschiedenen Sprachen und auch der Zugang sei auch barrierefrei.
Beim Zugang zu Beratungen sieht es schon anders aus. Diese würden laut Fiedler hauptsächlich in den Aufgabenbereich der Gynäkologinnen und Gynäkologen fallen und die Kosten würden nur bis zum 18. Lebensjahr übernommen. „Dann ist es eine Privatleistung“, sagte Fiedler. Und das sei nicht für alle leistbar, vor allem für junge und einkommensschwache Menschen.
„Was allerdings den Zugang zu Verhütungsmitteln an sich betrifft, da sind wir echt schlecht, ganz schlecht und das seit Jahren“, sagte Bayr. Die Frage von Verhütung sei nicht im österreichischen Gesundheitssystem implementiert. Es gebe keinerlei Unterstützung von öffentlicher Hand. Zwar seien die Verhütungsmittel überall erhältlich, aber der Zugang setze eine Privatleistung voraus, kritisierte Bayr. „Es gibt kein flächendeckendes, öffentlich gefördertes Unterstützungsangebot“, monierte die SPÖ-Abgeordnete. Es gebe nur manchmal Ausnahmen, wenn die Verhütung medizinisch indiziert ist, wie etwa bei Endometriose. Deshalb werden die Kosten bei der Frage nach der Wahl des Verhütungsmittels vorangestellt. Die Hälfte der Paare würde nämlich zu anderen Verhütungsmitteln greifen, wenn sie finanziert werden würden, so Bayr. Laut der Abgeordneten gibt es wenige staatlich geförderte Beratungsstellen in Österreich, nur in Salzburg, Wien, Graz und in Kärnten.
Jugendsexualpädagogin Dorith Nopper: Sexualunterricht gebe es bis heute nicht in Schulen, obwohl der Bedarf und das Interesse groß wären.
Laut der Jugendsexualpädagogin Dorith Nopper wäre hier auch sexuelle Bildung der Jugendlichen essenziell. Seit 1970 gebe es Forderungen, dass Sexualität qualitätsvoll und umfassend im Unterricht behandelt werde. Dennoch gebe es einen solchen Unterricht bis heute nicht in Schulen, obwohl der Bedarf und das Interesse groß wären, sagte Nopper.
„Mehr von dem, was gut ist, und Angebote dort, wo es fehlt“, sieht die Kurzfassung der Forderungen der Rednerinnen laut der Grünen-Abgeordneten Faika El-Nagashi aus. Der niederschwellige Zugang zu Verhütungsmitteln müsse kostenlos sein, und das für alle Altersgruppen. Zudem müsste das Angebot an Familienberatungsstellen weiter ausgebaut werden, derzeit gebe es diese nicht in jedem Bundesland. Dort können sowohl Schwangerschafts- als auch Verhütungsberatungen durchgeführt werden. Weiters müsse die Frage der Empfängnisverhütung strukturell ins Gesundheitssystem eingebaut werden. Als weiteren Punkt forderte El-Nagashi die Verankerung der sexuellen Bildung in den Schulen.
Einen link zum Verhütungsatlas finden Sie hier.
(APA/red.)