In der Diskussion um die aktuelle Arzneimittelknappheit hat der Verband der pharmazeutischen Industrie (Pharmig) die Anpassung der Medikamentenpreise in Österreich an die Inflation gefordert. Zudem brauche es die Rückholung der Produktion nach Europa, hieß es bei einer Pressekonferenz in Wien. In der akuten Lage werde aber nur ein Ende der Erkältungswelle Entspannung bringen. 612 Arzneiprodukte waren Montagfrüh eingeschränkt verfügbar, 340 davon nicht lieferbar.
„Die jetzige Situation ist darauf zurückzuführen, dass wir extrem hohe Nachfrage haben nach Erkältungs- und Schmerzmitteln“, berichtete Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog. Die Krankheitswelle habe die Erwartungen der Expertinnen und Experten übertroffen. Bei einem Abklingen werde sich die Entspannung bei manchen Produkten wahrscheinlich schneller einstellen als bei anderen, die Produktionsanlagen würden jedenfalls auf Hochtouren laufen, betonte Pharmig-Vizepräsident Bernhard Wittmann.
„Schmerzmittel und Antibiotika kosten teilweise weniger als eine Wurstsemmel“, sagte Herzog. Das habe die Produktion in den asiatischen Raum verlagert. „Das halten wir für nicht gut“, so der Pharmig-Generalsekretär, der mehr einen „Lieferengpass“ als einen „Versorgungsengpass“ sah. „Wir tun gut daran, lokale Versorgungen aufzubauen“, erläuterte auch Wittmann. Es sei aber „nicht realistisch“, bei Arzneimitteln „alles“ nach Europa zurückzuholen, meinte der Geschäftsführer der Sigmapharm Arzneimittel GmbH/MoNo chem-pharm Produkte GmbH.
Niedrige Preise als Ursache?
„Was wir brauchen ist, dass wir unsere Preise an die Inflationsrate anpassen können“, forderte Herzog. Der Pharmaindustrie sei es in Österreich nicht gestattet, selbst die Preise anzuheben, sondern jedes Unternehmen müsse dann einen Antrag bei der Sozialversicherung stellen. Das sei ein mühsamer Prozess, der in der Regel negativ entschieden werde, erläuterte Herzog. Es brauche einen automatisierten Prozess.
Die heimischen Pharmaunternehmen hätten in den vergangenen zehn bis 20 Jahren „unglaublich viel investiert“, etwa in Qualitätssicherung und Fälschungssicherheit, sagte Wittmann. Das habe sich nicht auf der Preisseite niedergeschlagen. „Preise, die zehn, 20 Jahre gleich bleiben, das funktioniert nicht“, betonte er. Herzog warnte davor, dass man im österreichischen Erstattungssystem auf den Preis pro Packung schiele, statt den gesamtgesellschaftlichen Nutzen zu betrachten.
Pharmazeutische Innovationen haben beispielsweise dazu geführt, dass Krebs heutzutage besser behandelbar ist und die Überlebensraten gestiegen sind, erklärte Pharmig-Vizepräsidentin Ina Herzer. „Das sind Faktoren, die aus unserer Sicht vom Zahlersystem nicht genug anerkannt werden.“ Die Geschäftsführerin von Merck Sharp & Dohme Östereich forderte außerdem, dass innovative Arzneien schneller bei den heimischen Patientinnen und Patienten ankommen sollten – nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch im niedergelassenen Bereich.
Eine Umfrage auf der Managementebene heimischer Pharmaunternehmen im Auftrag der Pharmig habe ergeben, dass sich die Branche zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in Österreich faire Preise, Änderungen beim Erstattungsprozess und die höhere Anerkennung von Innovationen wünscht, berichtete Sozialforscher Peter Hajek. Die gegenwärtige wirtschaftliche Lage des eigenen Unternehmens sehen die Befragten überwiegend „gut“ bis „befriedigend“. Bei der Frage nach dem Ausblick für die kommenden sechs Monate sehen jedoch 39 Prozent die Entwicklung „ungünstiger“. „Die Zukunft wird deutlich kristischer gesehen“, betonte Hajek.
Ein Register der vertriebseingeschränkten Medikamente finden Sie hier.
(APA, red.)