Ein funktionierender Austausch von Botenstoffen über die Blut-Hirn-Schranke ist essenziell für die Regulation vieler Körperfunktionen. Störungen spielen bei Erkrankungen wie Alzheimer, Übergewicht, Diabetes oder auch COVID-19 eine Rolle. Im Rahmen des EU-finanzierten Projektes WATCH untersucht das Forschungsteam um Prof. Markus Schwaninger, Leiter des Instituts für experimentelle und klinische Pharmakologie und Toxikologie, die Funktion spezialisierter Gehirnzellen im Bereich der Blut-Hirn-Schranke. Erste Erkenntnisse sind vielversprechend und könnten neuen therapeutischen Ansätzen den Weg ebnen.
Das Ziel des EU-Projektes WATCH (Well-Aging and the Tanycytic Control of Health) ist die Erforschung spezialisierter Gehirnzellen, die sich im Hypothalamus befinden, dem Steuerzentrum unseres vegetativen Nervensystems. Diese Tanyzyten genannten Gliazellen übernehmen wichtige Funktionen bei der Kontrolle, Steuerung und dem Transport von Botenstoffen und Stoffwechselsignalen über die Blut-Hirn-Schranke. Das Projekt WATCH mit einer Laufzeit von insgesamt sieben Jahren und einem Fördervolumen von rund 9,9 Mio € ist ein gemeinsamer Antrag von Markus Schwaninger und seinen Kooperationspartnern Vincent Prevot (Universitätsklinikum Lille, Frankreich) und Ruben Nogueiras (Universität von Santiago de Compostela, Spanien). Der internationale Forschungsverbund will mithilfe von neuesten Technologien der systemischen Neurowissenschaften, Mausgenetik und translationaler Forschung die Rolle der Tanyzyten und Endothelzellen insbesondere im Kontext der Blut-Hirn-Schranke, bei der neuroendokrinen Regulation von Körpergewicht und Fruchtbarkeit und im peripheren Metabolismus entschlüsseln.
Vielversprechende Ergebnisse
Seit dem Projektstart im März 2019 konnte das Forschungsteam bereits vielversprechende Ergebnisse erzielen und in zahlreichen hochkarätigen Journalen publizieren. So konnte das Team zeigen, dass Tanyzyten im Hypothalamus das aus Fettzellen stammende Hormon Leptin ins Gehirn transportieren und darüber die Nahrungsaufnahme, Fettsäuresynthese und den Insulinmetabolismus steuern. Störungen in diesem Stoffwechsel könnten bei der Entstehung von Fettleibigkeit oder Diabetes von Bedeutung sein (Duquenne et al. Nat Metab 2021).
Weiterhin fand das Forschungsteam heraus, dass Neuronen des Hypothalamus, die die Energiehomöostase regulieren, mit einem Netzwerk aus Tanyzyten verschaltet sind, wobei die Tanyzyten über die Umwandlung von Glukose zu Laktat als Energiesensoren und -lieferanten dieser Neuronen fungieren. Diese Ergebnisse könnten neue Behandlungsmöglichkeiten von Stoffwechselstörungen wie Fettleibigkeit und Diabetes eröffnen (Lhomme et al. J Clin Invest. 2021).
Covid & die Blut-Hirn-Schranke
„In den letzten Jahren haben wir das Forschungsthema um Covid-19 erweitert, weil die Blut-Hirn-Schranke von der Erkrankung betroffen ist. Wir haben in diesem Zusammenhang interessante Daten gefunden, wie SARS-CoV-2 die Blut-Hirn-Schranke schädigen kann“ berichtet Schwaninger.
In einer der Studien konnte das Forschungsteam an Patienten und Mäusen zeigen, dass SARS-CoV-2 die Endothelzellen des Gehirns infiziert. Die SARS-CoV-2 Hauptprotease schaltet dabei das Protein NEMO aus, was in der Folge zum Absterben der Hirnendothelzellen und zu Gefäßanomalien führt. Die Gefäßpathologie konnte durch das gezielte Blocken von Faktoren der regulierten Zelltodkaskade verhindert werden und so potenzielle therapeutische Ziele für die Behandlung der Neuropathologie von COVID-19 aufgedeckt werden (Wenzel et al. Nat Neurosci 2021).
Das Projekt WATCH wird noch bis 2026 laufen. Das internationale Forschungsteam hofft, dass einige Entdeckungen patentiert werden und in Zukunft den Menschen mit Stoffwechselkrankheiten oder COVID-19 zugutekommen.