Halloween: Der Spass am Spuk wissenschaftlich erklärt

Lesedauer beträgt 3 Minuten
Autor: Scho

Halloween war nicht immer so beliebt in Europa. Das Gruselfest ist erst vor relativ kurzer Zeit über den Atlantik nach Europa geschwappt. Mittlerweile gehört das kollektive Schaudern aber vor allem bei der jüngeren Generation fest in den Eventkalender. Halloween-Partys, makabre Kostüme, schauderhafter Schmuck und natürlich Horrorfilme sind im Oktober nicht mehr wegzudenken. Furcht, Angst und Ekel stehen im Mittelpunkt und wollen erweckt werden, dabei versuchen wir, diese Emotionen üblicherweise eher zu vermeiden. Warum sehnen wir uns also hin und wieder nach dem Spuk?

Die Lust an der Angst scheint auf den ersten Blick widersprüchlich zu sein. Tatsache ist jedoch, dass die körperliche Reaktion, welche durch das „emotionale Programm“ Angst hervorgerufen wird, nämlich die Freisetzung von diversen Stresshormonen, durchaus einer Art „Rausch“-Erleben gleichgesetzt werden kann. „Wir sehen ähnliche Phänomene bei der Ausübung u. a. von Extremsportarten. Hier werden gezielt in einem sicheren Rahmen Situationen erzeugt, die massiv unsere Psyche unter Stress setzen und entsprechende Reaktionen provozieren“, erklärt Robert Queissner. Jedoch ist der Brauch von Halloween nicht mit dem bloßen „Sich-Erschrecken“ gleichzusetzen. Es geht hier vielmehr um eine persönliche und auch gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Tod und der eigenen Vergänglichkeit, jenem Thema, das für jeden von uns, bewusst oder unbewusst, am meisten mit Angst besetzt ist.

„Sie liegt in der ursprünglichsten Funktion der Emotion Angst an sich. Mindestens bei allen höheren Säugetieren zeigt sich diese Emotion in unterschiedlicher Ausprägung, mit dem gemeinsamen Sinn die jeweilige Lebensform vor potenziellen Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen. Hier verdeutlicht sich die Verwandtschaft dieser Themen, wobei die Angst beim Menschen sich nicht nur rein auf diese Funktion reduziert und Einfluss auf viele Sphären unseres soziokulturellen Handelns zeigt“, fasst Robert Queissner zusammen.

Halloween als Brauch

Das Fest Halloween selbst stellt eine moderne Derivation unterschiedlicher christlicher wie auch heidnischer Bräuche zur Ehrung der Toten und Abwehr von bösen Geistern oder Ähnlichem dar. Unterschiedliche Ausprägungen dieser Feste gab und gibt es in unterschiedlichen Kulturen und geografischen Regionen. Das konkrete Fest geht zum einen wahrscheinlich motivisch auf das keltische Samhainfest wie auch auf zentraleuropäisch-christliche kulturelle Ereignisse, wie die Walpurgisnacht und sogenannte Heischebräuche, zurück. Es gibt, wenn auch die Feste in Ablauf und Bräuchen unterschiedlich scheinen, einen gemeinsamen Nenner, nämlich die Furcht vor einer unkenntlichen, allgegenwärtigen Bedrohung, die unser wie auch das Leben unserer Lieben verändern oder beenden kann. „Dieser Sachverhalt wird dann durch die Ausübung diverser kultischer Handlungen auf magischen Wegen abgelenkt bzw. abgewendet. Die Imitation dessen, was wir fürchten, im konkreten Fall durch Kostümierung und die überspitzte Hervorkehrung unterschiedlicher Wesenheiten des Todes, dient für uns als ein Vehikel, jene Angst zu verdrängen bzw. die Bedrohung als kontrollierbar zu erleben“, erklärt Robert Queissner.

Neben der Lust an der Angst stehen zu Halloween auch das Makabre und Ekelige im Vordergrund, Horrorfilme spielen gerne mit recht plastischen Darstellungen von Verletzungen oder Schlimmerem und auf Halloween-Partys sind Snacks in Form von Augäpfeln, Spinnen und anderem eher weniger Appetitlichen der Renner. Halloween eröffnet die Möglichkeit, in einem sozial akzeptierten Rahmen diese Grenzen zu überschreiten. Indirekt dient dieses „gezielte Brechen“ eines Tabus zu gewissen Zeiten und Situationen zu dessen Kräftigung. „Wobei in der heutigen Zeit in der zeitgenössischen Ausrichtung dieses Festes wahrscheinlich eher kommerzielle Interessen in der Ausübung gewisser Bräuche im Vordergrund stehen und sich nicht jedes Detail aus einem tiefsinnigen kulturhistorischen Prozess ableiten lässt“, schließt Robert Queissner ab.

Robert Queissner ist seit 2015 an der Klinischen Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin tätig. Sein klinischer wie auch wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt im Bereich der affektiven Erkrankungen, insbesondere dem Thema der biologischen Grundlagen der bipolaren affektiven Störung und der Erforschung damit zusammenhängender Biomarker und struktureller Veränderungen des Gehirns.

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