Heli-Retter in Sauerstoffgefahr

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Autor: Scho

Medizinischer Sauerstoff zur Beatmung Schwerstkranker ist nicht ungefährlich. Einem Risiko können auch die Heli-Retter ausgesetzt sein. Im Innenraum von Notarzthubschraubern steigt nämlich bei Sauerstoffanwendung die Konzentration leicht auf brand- bis explosionsgefährliche Höhen, haben jetzt Versuche von Innsbrucker Notfallmedizinern mit drei Helikoptertypen ergeben.

Den Hintergrund bildet in vielen medizinischen Notfällen verwendete Sauerstoffgabe für Patienten unter unterschiedlichsten Bedingungen. Lisa Marie Kohler von der Intensiv- und Notfallmedizin MedUni Innsbruck und ihre Co-Autoren in der Fachzeitschrift „BMC Emergency Medicine“: „Während der Covid-19-Pandemie kam es zu einer steigenden Zahl von verheerenden Unfällen durch die häufige Anwendung von Sauerstoff für Patienten. Die mit dem Gebrauch von Sauerstoff einhergehenden Gefahren, speziell durch lokale Anreicherung und die Bildung von ‚Sauerstoff-Wolken‘, sind seit Jahren gut bekannt. Trotzdem kommt es immer wieder zu dramatischen Ereignissen, weil sich die Brandgefahr exponentiell mit der Sauerstoffkonzentration über 23 Prozent erhöht.“

Das hat gerade beim notwendigen schnellen Transport Schwerstkranker und Schwerstverletzter per Helikopter besondere Bedeutung. „Rettungshubschrauber unterliegen einem besonders hohen Risiko wegen der technischen Gegebenheiten, insbesondere eines Sauerstoffgebrauchs in einem sehr kleinen Raum – umgeben von Kerosinleitungen, elektrischen Relais und extrem heißen Oberflächen“, schrieben die Wissenschafter. Klar ist damit, dass jedes Risiko für Feuer oder Explosionen unter solchen Bedingungen möglichst gering gehalten werden sollte.

Die Innsbrucker Experten führten deshalb für die Publikation Experimente mit drei verschiedenen Typen von Notarzthubschraubern durch: Airbus H135, H145 und McDonnell Douglas902/MD902.

Es handelte sich offenbar um eine weltweite Premiere. „Unseres Wissens nach ist das die erste Studie zu diesem Thema, obwohl die Sauerstofftherapie in risikoreichen Situationen regelmäßig angewendet wird. Sogar der Hersteller, Airbus Helicopters, konnte dazu keine Angaben machen“, heißt es in der Publikation. Der Airbus H135 ist weltweit der am häufigsten eingesetzte Rettungshubschrauber (Marktanteil: 24 Prozent) und hat ein Kabinenvolumen von sechs Kubikmetern. Der Airbus H145 ist größer (8,07 Kubikmeter Kabinenvolumen). Der kleinste der Hubschrauber war der MD902 (4,9 Kubikmeter Kabineninnenraum).

„Für die Experimente maßen die Wissenschafter die Anreicherung der Innenluft mit Sauerstoff bei konstanter Zufuhr von 15 Litern/Minute an medizinischem Sauerstoff über 60 Minuten hinweg. Tests erfolgten auch zur nachfolgenden wieder erfolgten Abnahme der Sauerstoffkonzentration unter verschiedenen Belüftungssituationen. Zur Sichtbarmachung wurde auch eine Nebelmaschine eingesetzt.

Kritischer Wert nach 15 Minuten überschritten

Es zeigte sich jedenfalls, dass man speziell unter den Gegebenheiten in einem Rettungshubschrauber extrem vorsichtig sein sollte. „Eine Sauerstoffanreicherung auf über 21 Prozent wurde in jedem der Helikopter festgestellt. Nach zehn bis 15 Minuten wurde in allen drei Fluggeräten der kritische Wert von 23 Prozent überschritten. Die höchste Konzentration wurde in der kleinsten Maschine (MD902) nach 60 Minuten mit 27,4 Prozent registriert“, lautete das Resümee.

Darüber hinaus hielten sich Sauerstoff-Wolken im rückwärtigen Teil und am Boden der Fluggeräte auch wenn die Vordertüren geöffnet waren. Das sei besonders ausgeprägt bei dem größten Helikopter, dem Airbus H145, gewesen. Eine komplette und schnelle Beseitigung der erhöhten Sauerstoffkonzentrationen sei nur bei Querlüftung innerhalb von einer Minute erreicht worden. Belegt wird das in der Publikation auch durch Fotos.

„Sauerstoff sollte in Notarzthubschraubern mit besonderer Sorgfalt verwendet werden. Adaptierte Checklisten und Vorsichtsmaßnahmen können helfen, eine Sauerstoffanreicherung auf über 21 Prozent und damit tödliche Zwischenfälle zu verhindern“, lautete der abschließende Ratschlag der Experten.

(APA/red.)

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