Machtfaktor Arzt: 1450 oder „Keine Diagnose durch die Hose“?

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Autor: Scho

Österreich hat die größte Ärztedichte weltweit – und dennoch gibt es einen Mangel in der Primärversorgung. Wie passt das zusammen? Susanne Rabady vom Kompetenzzentrum „Allgemein- und Familienmedizin“ sagt dazu beim 14. Österreichischen Gesundheitswirtschaftskongress am Donnerstag: Immerhin sei es heute nicht mehr so, dass einem jungen Mediziner, der in die Allgemeinmedizin gehen möchte, von Lehrenden gesagt werde: „Na, dir hätte ich aber mehr zugetraut.“ Und zugleich sagt sie: Es scheitere oft schlicht daran, dass kaum jemand verstehe, was hausärztliche Medizin eigentlich ist. Denn da sei die lange Verweigerung der Fachehrung und das Fehlen einer spezifischen Ausbildung. Und daraus entstehe wiederum der Eindruck: „Die machen eben alles so ein bisschen.“

Dabei sieht Susanne Rabady die Allgemeinmedizin durchaus als „Pandemiegewinner“. Denn viele Menschen hätten in diesen Jahren bemerkt, welchen Wert primärversorgende Medizin in einer solchen Notsituation habe. Jetzt gibt es diese Ausbildung auch seit 2015. Aber welchen Stand hat sie?

Solange es keine Abteilungen in Spitälern für Allgemeinmedizin gebe, „können wir mit dieser Ausbildung machen, was wir wollen“, so Harald Mayer, Vizepräsident der Ärztekammer abschwächend. Seine Schlussfolgerung aber ist: „Die Patientenversorgung funktioniert derzeit immer schlechter.“ Schuld daran seien alle medizinischen Bereiche. Dabei gebe es Lenkungssysteme: die Telefonhotline 1450 und ELGA. Auch Videokonsultationen kann sich Mayer vorstellen.

Das Problem sind die demografischen Veränderungen, so Martin Sprenger von der Medizinischen Universität Graz. Er sagt dazu: „1960 gab es in Österreich 3.900 Hausärzte. 64 Jahre später haben wir eine deutlich größere Bevölkerung, eine weitaus ältere Bevölkerung, aber die selbe Anzahl an Hausärzten.“ Und was Reformen angeht, sagt er: „Alles ist hierarchisch in Österreich, wir müssen flacher werden.“

Die daraus resultierende Herausforderung für das System sei, wie er sagt : „Den Standard zu halten“. Denn der Betreuungs- und Pflegebedarf werde massiv steigen. Aber die Patientensteuerung sei noch immer nicht gelungen. Sprenger plädiert für einen Focus auf „wohnortnahe und regionale Versorgung“. Denn 80 Prozent der Pflegegeldbezieher würden zu Hause betreut. Leuchtende Beispiele wie es gehen könnte, gebe es durchaus. Nur die würden nicht vor den Vorhang geholt.

Was Sprenger zudem kritisiert, ist mangelnde Datenerhebung und damit Planungs-Blindflug: Wie zum Beispiel könne man etwa planen, ohne ein Gesundheits-Beruferegister? „Wir haben keinen Überblick über den Personalbedarf.“

Besen aus dem Schrank

Hinzu komme, dass man ein Wahlarztsystem geschaffen habe, ohne aber zu sehen, dass der „Besen, den man da aus dem Schrank lässt, nicht unkontrollierbar wird“. Solange man ein zahlungskräftiges Publikum habe, funktioniere das auch. „Wenn dann auch Versicherungen aufspringen, dann hat das System alles, was ein System auch braucht“, sagt er. Wo aber sei die Institution, die das im Sinne der Steuerzahler reguliere?

„Jemanden anrufen, der verschreibt dann halt etwas“, das sei der komplett falsche Zugang, so Susanne Rabady. Es brauche „eine Medizin, die den Mensch angreifen kann“. Auf Telemedizin oder Telefonhotlines zu setzen, hält sie für „exzessiv problematisch“. Sie sagt: „Keine Diagnose durch die Hose.“ Vor allem aber auch brauche es eine „Kontinuität in der Patient-Arzt-Beziehung“. Einer Macht-Beziehung, die viele Aspekte habe.

Susanne Rabady ortet vor allem eine problematische Folge einer zunehmend privaten Gesundheitsfürsorge basierend auf ökonomischen Grundregeln. Rabady beschränkt das dezidiert „nicht auf Ärzte und nicht einmal auf medizinische Berufe“, sondern spricht da direkt die Esoterik an. Denn ausgehend von dem Umstand, dass die Arzt-Patienten-Beziehung eine Machtbeziehung sei, brauche es eben auch für diese Beziehung eine Ausbildung. Macht sei an sich nicht schlecht, sagt sie „Macht braucht aber Begrenzung“. Und das vor allem wenn man bedenke, dass „Menschen bereit sind zehn, 20 oder 30 Prozent ihres Monatsbudgets für Gesundheit aufzuwenden.“

Alle Infos zum Österreichischen Gesundheitswirtschaftskongress 2024 finden Sie hier.

(red.)

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