Viele ältere Menschen werden wegen Herzerkrankungen, zum Beispiel Vorhofflimmern oder nach Operationen (Herzklappenersatz), mit Blutgerinnungshemmern behandelt. Eine Studie mit Beteiligung zahlreicher österreichischer Experten und unter Verwendung auch von Daten der 38 Stroke Units Österreichs belegt jetzt den Vorteil neuerer Blutgerinnungshemmer in Sachen Schlaganfallverhütung und Sicherheit.
Lukas Mayer-Suess von der neurologischen Universitätsklinik der MedUni Innsbruck und die Co-Autoren von Kliniken in Wien, Graz, Linz und Salzburg haben ihre Studie im „European Stroke Journal“ veröffentlicht. „Laut der ‚Global Burden of Disease‘-Studie (weltweite Studie zur Krankheitslast verschiedenster Ursachen; Anm.) ist der Schlaganfall unter den drei häufigsten Ursachen für Tod und Invalidität und hat in den vergangenen drei Jahrzehnten signifikant zugenommen“, stellten die Fachleute in ihrer Einleitung fest.
Bei der häufigsten Herzrhythmusstörung, dem Vorhofflimmern, werden seit Jahren Blutgerinnungshemmer (Antikoagulantien) vor allem zur Verhinderung von Blutgerinnseln, die ins Gehirn gelangen können, empfohlen und verwendet. Doch das ist eine Gratwanderung, immerhin kann es durch die Arzneimittel auch vermehrt zu Gehirnblutungen kommen. Einerseits sollen durch die Medikamente ischämische Schlaganfälle durch Thromben verhindert werden, andererseits soll es auch zu keinen Blutungen kommen, was einem hämorrhagischen Schlaganfall entspricht.
Bei den oral einnehmbaren Antikoagulantien gibt es seit Jahrzehnten Vitamin-K-Antagonisten (vor allem Marcoumar), bei denen aber regelmäßige Laborkontrollen der Blutgerinnung notwendig sind. Es ist schwierig, die Patienten in einem Zustand zwischen zu viel und zu wenig Gerinnungshemmung zu halten. Die Dosis muss oft angepasst werden. Eine Alternative sind seit rund 15 Jahren direkt durch Hemmung von Blutgerinnungsfaktoren wirkende neue, ebenfalls in Tablettenform einnehmbare Antikoagulantien (NOAKs; Hemmstoffe des Blutgerinnungsfaktors Xa etc.). Hier sind keine Gerinnungskontrollen notwendig, die Dosierung bleibt gleich. Laut klinischen Studien bringen sie eine bessere Thrombusverhütung bei weniger Blutungen.
Die Wissenschafter analysierten nun die Antikoagulans-Therapie bei 4.384 Patienten, die mit einem Schlaganfall in eine Tiroler Stroke Unit eingeliefert wurden. Zuvor hatten 15,2 Prozent der 3.861 Erkrankten mit einem Schlaganfall durch einen Thrombus im Gehirn eine Antikoagulans-Behandlung bekommen, ebenso 25 Prozent der 523 Erkrankten mit einer Gehirnblutung.
Risikoreduktion um 41 Prozent
Rechnete man die Verschreibungsraten für die beiden verschiedenen Prinzipien von medikamentöser Blutgerinnungshemmung ein, zeigte sich ein deutlicher Unterschied zugunsten der neueren direkt wirkenden Antikoagulantien: Personen, die vor dem Schlaganfall solche Arzneimittel eingenommen hatten, erlitten mit einer Häufigkeit von 0,62 Prozent einen ischämischen Schlaganfall, Patienten mit Marcoumar mit einer Häufigkeit von 1,05 Prozent. Das entsprach einer Risikoreduktion um 41 Prozent. Bei den Gehirnblutungen stellte sich eine Verringerung der Gefährdung bei Anwendung der neueren Medikamente um 32 Prozent ein. Hier war der Unterschied zu den Benutzern von Vitamin-K-Antagonisten aber statistisch knapp nicht signifikant.
Die Ergebnisse sind vor allem wichtig, weil sie erstmals Auskunft über die Situation außerhalb von klinischen Studien mit Spitalspatienten geben und weil bei 20 bis 35 Prozent der Probanden eine Blutgerinnungshemmung nicht wegen Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern), sondern wegen anderer Gesundheitsprobleme erfolgte. „Einer von sieben Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall und einer von vier Patienten mit einer Gehirnblutung hatte zuvor eine Antikoagulans-Behandlung“, schrieben die Wissenschafter. In beiden Gruppen hätten sich die NOAKs als besser im Vergleich zu den alten Vitamin-K-Antagonisten erwiesen. Immer mehr Patienten erhalten in Österreich Antikoagulantien: Die Zahl der Betroffenen stieg laut den Verschreibungsdaten der Krankenkassen gemäß der neuen Studie von etwas weniger als 300.000 im Jahr 2015 auf knapp 390.000 im Jahr 2021.
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(APA/red.)