Beim Aufräumen sei ihr unlängst ihr erster Vortrag zu Gesundheitspolitik in die Hände gefallen, so die ehemalige Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky bei der Eröffnungspodiumsdiskussion des 14. Österreichischen Gesundheitswirtschaftskongresses am Donnerstag, dem 13. Juni 2024, in Wien. Ein Vortrag aus den späten 1980er-Jahren sei das gewesen. Und da sei unter den Grundforderungen vermerkt gewesen: Finanzierung aus einer Hand und eben auch raus aus dem Spital in den niedergelassenen Bereich. Kdolsky kennt alle Seiten des Gesundheitswesens: Als Ärztin, als Managerin, als Politikerin. Und als sie damals in die Politik ging, da habe sie gedacht, sie werde alles umreißen können in diesem System. Falsch gedacht. Denn sehr bald sei sie dann an Gummiwände gestoßen. Weil, wie sie sagt: Als Gesundheitsministerin sei man eine Marionette. Die Verantwortung für die Spitäler liege bei den Ländern, und dann auch noch all die anderen Strukturen von Kammern über Sozialversicherungsträger. Letztlich sei man die Buh-Frau der Nation, weil man es nicht geschafft habe.
Und daraus schlussfolgert Kdolsky: Gesundheitsminister haben die kürzeste Verweildauer im Amt. Man brauche da eine große Frustrationstoleranz. Aber immerhin: Angestoßen habe sie so einiges.
Es saß noch eine ehemalige Gesundheitsministerin bei der Podiumsdiskussion mit dem vielsagenden Titel „Reformen im Rückspiegel – Veränderungen voraus“: Beate Hartinger-Klein. Sie habe immer geglaubt, Systeme müssten von innen verändert werden, sagt sie. Aber auch sie habe dann sehr bald gemerkt, wie kompliziert schon alleine die Reform in einer Teilstruktur sei.
Moderiert wurde die Eröffnungspodiumsdiskussion von der Vizepräsidentin des ÖGWK Susanne Herbek (Mitte).
Veränderungen stehen aktuell an. Viele Veränderungen in vielen Teilstrukturen. Und all das angesichts drängender Problemlagen von Pflegenotstand über zu Finanzierungsfragen bis zu technologischen Entwicklungen.
Wir können private Träger in diesem Wirrwarr agieren? „Wir haben mit den Reformen umzugehen“, fasst es der Gesamtleiter der Barmherzige Brüder, Peter Ausweger, zusammen. Die Probleme, die bevorstünden, seien aber um vieles größer, als das, was aktuell abarbeitbar sei. Die großen Bretter seien jedenfalls noch nicht gebohrt worden. Wer entscheide denn auf Landesebene in den Landesversicherungen, die jetzt sehr zentralistisch organisiert seien? Das sei ein Thema, das es aufzugreifen gelte. Ein anderes: Die Organisation des Bereichs außerhalb der Spitäler. Spitäler seien es gewohnt, sich auf Effizienz zu fokussieren. Was aber sei mit den Nachbetreuung zu Hause? Was sei mit der Pflege? Wo sollten die Patienten hin, wen sie unversorgt seien? Dann kämen sie eben in die Ambulanzen und die Spitäler, was diesen Bereich wieder überlaste. Da gelte es weitaus integrierter zu denken.
Alfred Zens, Vorstand der Niederösterreichischen Landesgesundheitsagentur, sieht auch in diesen Feldern durchaus Bewegung. Allerdings all das mit einem großen Aber: Woran er zweifel habe, sei die Geschwindigkeit, in der die Reformen voranschreiten würden. Doch die Richtung stimme. Als großen Fortschritt sieht er zum Beispiel die Ausweitung des Angebots ambulanter Leistungen in Spitälern.
Wenig geändert hat sich für Josef Probst, ehemaliger Generaldirektor des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger. Die Fragestellungen seien damals wie heute dieselben, sagt er. Was es dringend brauche, sei politisches Führung mit Mut und Engagement.
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(red.)