Arbeitgeberbewertungen und Best Practice im Pflegemanagement

Lesedauer beträgt 9 Minuten
Autor: Autorenteam

Die Veranstaltungsreihe Führung 4.0 des Karl Landsteiner Instituts für Human Factors & Human Resources im Gesundheitswesen fand ihre Fortsetzung am 30. November 2021 zum Thema „Hotspot Pflegemanagement“. Bei den knapp 200 Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmern zeigte eine Umfrage während der Veranstaltung, dass 86 % im Pflegemanagement tätig sind. Der Fokus dieser Online-Veranstaltung lag bei der Präsentation und dem offenen Austausch von Best-Practice-
Beispielen verschiedener Organisationen im Gesundheitswesen. Ausgangspunkt waren die Ergebnisse der im Frühjahr 2021 in Zusammenarbeit mit EUCUSA, dem Spezialisten für Feedbacksysteme, durchgeführten Umfrage „Führungsbarometer Pflege 2021“, an welcher 1.600 Führungskräfte aus allen Settings der Pflege teilgenommen haben (vgl. Qualitas 03/21).

Arbeitgeberbewertungen und Einschätzungen der Arbeitssituation gibt es heute in vielen Bereichen. Sie bieten Einblicke in die Berufspraxis, die über bisherige Bemühungen auf Basis von Dienstleistungsbewertungen durch Patienten, Kunden, Klienten hinausgehen. Die Informationen, die aus diesen Ergebnissen gewonnen werden, können Erkenntnisse liefern, die relevante Themenbereiche identifizieren und praktische Implikationen für die Arbeit bieten. In Anlehnung an Wolter 2019 korrelieren Informationen über die Mitarbeiterzufriedenheit direkt mit Patientenzufriedenheit. Faktoren wie Arbeitsatmosphäre, Arbeitsbedingungen, Gestaltungsspielraum oder Gehalt sind klassische Kriterien für die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine positive Unternehmenskultur stärkt die Organisationszugehörigkeit, erhöht die Weiterempfehlungsbereitschaft und erleichtert somit Recruitingmaßnahmen, die besonders im Pflegebereich einen aktuell sehr hohen Stellenwert besitzen.

Um den positiven Einfluss auf relevante Aspekte in diesem Zusammenhang zu stärken und die sich äußerst langsam veränderbaren Rahmenbedingungen im Pflegebereich zu relativieren, werden von den im Pflegemanagement Tätigen in Österreich funktionierende Maßnahmen und wirksame Modelle in einzelnen Organisationen umgesetzt. Nach der Erhebung des Führungsbarometers war es wichtig, mit den Befragungsergebnissen weiterzuarbeiten und dabei auf gut funktionierende Modelle aus der Praxis aufzubauen.

Nach den im „Führungsbarometer Pflege 2021“ erhobenen Ergebnissen und dem abgeleiteten Handlungsbedarf war der nächste Schritt eine träger- und organisationsübergreifende Vernetzung von Expertinnen und Experten. Aus allen Versorgungsbereichen wurden und werden im dabei gegründeten „Nationalen Netzwerk Pflegemanagement“ vertiefende Analysen und Maßnahmen zur Stärkung der bestehenden Ressourcen und der Steigerung der Attraktivität des Berufsfeldes entwickelt, welche dann auch in gesundheitspolitische Prozesse und Gremien eingebracht werden sollen. In der Veranstaltung am 30.11.2021 wurden Beiträge über schon gut funktionierende Lösungen in einzelnen Einrichtungen, aber auch Erfordernisse und politische Perspektiven präsentiert.

Mario Filoxenidis, Geschäftsführer von EUCUSA und wissenschaftlicher Beirat des Karl Landsteiner Institutes, eröffnete diese Veranstaltung mit näheren Erläuterungen zum Führungsbarometer.

Alexander Seidl, Geschäftsführer von health care communication, führte durch die weitere Veranstaltung. Er gab einen Überblick über positiv eingeschätzte Aspekte, wie Freude an der Arbeit, Teamklima, Wertschätzung durch Mitarbeitende und der wichtige Einfluss der eigenen Führungskraft. Als unzureichend und kritisch zeigte sich die Personalsituation, adäquate Entlohnung, Image, die Einbindung in Entscheidungen und vorhandene Ressourcen, um Pflege in hoher Qualität zu leisten. Jüngere Führungskräfte aus allen Bereichen beurteilten nahezu alle Parameter in der Befragung wesentlich kritischer als ältere Führungskräfte.

Empowerment für Führungskräfte

Die Frage, was junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Führungstätigkeit brauchen, stellten sich daher gleich im ersten Vortrag Tamara Archan, 2. Vizepräsidentin des ÖGKV und Mitgründerin der ARGE Junge Pflege, sowie Ines Schwarz, Pflegepädagogin, unter dem Titel „Em­powerment und Bedürfnisse junger Führungskräfte in der Pflege“. Ausgehend von einem zu erwartenden Bedarf von mind. 76.000 Pflegepersonen bis 2030 und damit auch einem entsprechenden Bedarf an vielen jungen Führungskräften haben die Vortragenden vor allem die Sandwichposition in der Organisation, aber auch die Bedürfnisse der verschiedenen Generationen im Team hervorgehoben. „Gut im Fach zu sein, ist nicht ausreichend und ist nicht gleich Führungskompetenz“: Die Anforderungen sind hoch und auch die Erwartungen junger Führungskräfte haben sich verändert. Gefragt sind neue Arbeitszeitmodelle wie Homeoffice („Dienstpläne können auch zu Hause erstellt werden…“) oder Kernarbeitszeiten bzw. flexiblere Arbeitszeitgestaltung. Weitere Schritte zur Attraktivierung für junge Führungskräfte wären (Cross-) Mentoring, also unternehmensübergreifende Unterstützungsmöglichkeiten, neue Führungskräfteentwicklungen mit mehr Persönlichkeitsentwicklung und Kommunikationsskills, aber auch der Generationendialog und Erfahrungsaustausch. Zusätzlich wäre die Möglichkeit einer „Dualen Führung“ mit einer APN – advanced practice (Führungs)Nurse hilfreich und würde auch in der Organisation eine weitere Karrieremöglichkeit bieten.

Transparenz schafft Vertrauen

Doris Kazianka-Diensthuber, Pflegedirektorin der KABEG Gailtal-Klinik, präsentierte in ihrem Vortrag ihr Best-Practice-Beispiel zum Thema „Transparenz schafft Vertrauen“ und warum sich Investition in die Gesundheit für Führungskräfte lohnt. Anhand des Gedankens der Salutogenese und des Blicks auf gut Funktionierendes erläuterte sie die Entwicklung der Führungskultur in ihrer Organisation in den letzten Jahren. Als wichtig in der Führung betonte sie das Kohärenzgefühl, das sich zusammensetzt aus der Verstehbarkeit, der Handhabbarkeit und der Bedeutsamkeit bzw. Sinnhaftigkeit. Wenn also Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen und auch verstehen, was geplant ist (selbst, wenn es unerfreuliche Entwicklungen sind), wenn sie Mittel zur Bewältigung haben und wenn sie einen Sinn im Ganzen sehen, dann können sie größere Belastungen und Herausforderungen besser bewältigen. „Rückendeckung der Vorgesetzten haben höhere Wirkung auf die Gesundheit, als Rückenschulungen es jemals vermögen.“ Gesunde Führung besteht insbesondere aus Anerkennung („Positives hervorheben und direkt ansprechen“), Interesse am Mitarbeiter als motivierendster Faktor, Kommunikation („Verborgene Schätze im Mitarbeiter heben, damit sie/er sich bestmöglich entfalten kann, aber auch direktes Ansprechen von Problemen“). Transparenz und Durchschaubarkeit – Vorgesetzte, die klar sagen was ihnen wichtig ist – schaffen Vertrauen und geben Sicherheit. Dadurch wird Stabilität geschaffen, die vor allem in Krisensituationen wichtig ist. Dies zeigte sich sehr klar in der jetzt während der Corona-Krise durchgeführten Mitarbeiterbefragung in der Gailtal-Klinik. Das Bemühen um Wertschätzung im Betrieb wirkt sich auch betriebswirtschaftlich positiv aus. „Wer in Zukunft qualifizierte Beschäftigte ans Unternehmen binden möchte, wird mehr bieten müssen als nur ein gutes Gehalt“, so Kazianka-Diensthuber.

Führungskräfte begeistern

Wie man „Führungskräfte in der Langzeitpflege begeistert“, war das Thema der Pflegedienstleitung Susanne Bauernfeind vom Wiener Gesundheitsverbund, Pflege Rudolfsheim-Fünfhaus. Teams im Langzeitbereich zu führen, heißt, mit verschiedenen Qualifikationen und Berufsgruppen, unterschiedlichen Wissensständen, verschiedenen Generationen und verschiedenen Kulturen in einem Team zu arbeiten, und erfordert besonders hohe soziale Kompetenz gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Bewohnern und Angehörigen. Viele Führungskräfte gehen in nächster Zeit in Pension. Aus diesem Grund wurde in dieser Einrichtung ein Ansatz gesucht, um junge Kollegen mit Führungsagenden vertraut zu machen. Es wurden fachliche Teamverantwortliche (Teamleiter – zur Koordination der Tagesaufgaben) eingesetzt, was besonders von jungen Kollegen sehr positiv aufgenommen wurde. Weiters wurden Fachteams etabliert wie das Wundteam oder das Palliativteam. Durch diese Übernahme von Funktionen kristallisierten sich Stärken und Interessen von Nachwuchsführungskräften heraus. Als weitere Maßnahme wurde für diese Mitarbeiter ein eigenes Entwicklungsprogramm etabliert. Fortbildungen zum individuellen Förderbedarf wurden und werden angeboten und in einem zwei- bis dreiwöchigen Praktikum in einem anderen Wohnbereich können – als Ersatz der dortigen Vertretung und gemeinsam mit der Wohnbereichsleitung – erste Führungserfahrungen gesammelt werden. In der Langzeitpflege wird und muss es viele und auch große Veränderungen geben. Wichtig ist, dass diese Veränderungsprozesse von allen gemeinsam gestaltet und mitgestaltet werden.

Anliegen gemeinsam kommunizieren

In seinem Vortrag „Ohne Kommunikation ist alles nichts – aber nur reden bringt uns auch nicht weiter“ zeigte Markus Mattersberger, Präsident Lebenswelt Heim, die Bedeutung eines gemeinsamen Auftretens der Pflege auf, um auch politisch Einfluss nehmen zu können. Auf die Pflegereform als großes Thema wurde schon länger aufmerksam gemacht. Mattersberger weist darauf hin, dass Pflegenotstand nicht das primäre Problem ist, sondern ein Versorgungsnotstand: Es kann den Menschen in vielen Settings der Pflege nichts mehr angeboten werden. Hier ist die Politik gefragt. In Österreich wird pro Kopf sehr viel Geld in das Gesundheitssystem investiert, jedoch nicht genügend in den Pflegebereich. Neben dem Versorgungsnotstand gibt es somit ein Strukturproblem und ein Kommunikationsproblem. Es ist wichtig, von einer Pflegereform zu einer Reform des Gesamtsystems zu kommen. Dazu bedarf es des Zusammenwirkens möglichst vieler Organisationen und Stakeholder wie z.B. der MotivAllianzPflege (einem Zusammenschluss von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden, Berufs- und Interessensverbänden sowie Dienstleistungsanbietern), um Probleme und Lösungen aufzuzeigen und Reformen zu bewirken. Im letzten Termin mit Bundesminister Mückstein wurde der Start der Pflegereform mit Jänner 2022 zugesichert, dazu sollen alle Stakeholder (Länder, Gebietskörperschaften, Organisationen und Inter­essensvertretungen) eingeladen werden. „Es bewegt sich etwas und wir müssen die Chance nutzen – um unsere Anliegen gemeinsam zu kommunizieren und zu deponieren. Dafür ist der Rückhalt aller Führungskräfte essenziell.“

Fazit

In der Veranstaltung „Hotspot Pflegemanagement“ haben sich zwei Aspekte sehr klar gezeigt:

Erstens: Zu Themen, die in der einen Organisation ein Problem darstellen, gibt es oftmals bereits in einer anderen Organisation gute Lösungsansätze. Was fehlt, ist eine trägerübergreifende, transparente Vernetzung.

Zweitens: Bei aller Kreativität gibt es Themen, für die eine Lösung nur gemeinsam mit der Politik gefunden werden kann.

In Anbetracht des derzeitigen Versorgungsnotstandes ist es hoch an der Zeit, dass beide Ansätze strukturiert verfolgt werden, wenn wir auch in 10 Jahren noch gleichermaßen eine Akutpflege wie auch eine stationäre oder mobile Langzeitpflege in hoher Qualität anbieten wollen.

Autoren:
Korrespondierende Autorin:
• Mag. Dr. Annelies Fitzgerald, Leiterin des Karl Landsteiner Instituts für Human Factors & Human Resources, a.fitzgerald@karl-landsteiner.at, www.kli-hr.at
• Tamara Archan, 2. Vizepräsidentin des ÖGKV und Mitgründerin der ARGE Junge Pflege.
• Ines Schwarz, Pflegepädagogin.
• Doris Kazianka-Diensthuber, Pflegedirektorin der Gailtal-Klinik (KABEG).
• Susanne Bauernfeind, Pflegedienstleitung Pflege Rudolfsheim-Fünfhaus (Wiener Gesundheitsverbund).
• Markus Mattersberger, Präsident Lebenswelt Heim.
• Alexander Seidl, Geschäftsführer health care communication.

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