Das Lean Daily Management-System: eine Brücke zur Kultur der kontinuierlichen Verbesserung

Lesedauer beträgt 5 Minuten
Autor: Kepler Universitätsklinikum

Die fortschreitende Umkehr der Alterspyramide und die damit verbunden steigenden Patientenzahlen stellen die Gesundheitssysteme weltweit vor die große Herausforderung, die Versorgungsqualität bei zumindest gleichbleibender Patienten­sicherheit und Mitarbeiterzufriedenheit aufrecht zu erhalten. Um dies mit der aktuellen Ressourcenknappheit bewerkstelligen zu können, suchen Entscheidungsträger im Gesundheitsbereich vermehrt nach Lösungsansätzen aus anderen Branchen.

Zuletzt zeigte sich ein verstärktes Interesse an Managementideologien aus der Automobilindustrie, welche durch den Fokus auf Prozesse und einen hohen Grad an Standardisierung gekennzeichnet sind. Vielversprechend ist dabei die aus Japan stammende Lean-Philosophie sowie das dazugehörige Lean Management-System.

Obgleich diverse Branchen einen maßgeblichen und vor allem nachhaltigen Unternehmenserfolg durch die Etablierung eines Lean Management-Systems berichten, findet sich im Gesundheitswesen kaum ein Beleg für die Nachhaltigkeit der Umsetzung eines solchen. Als maßgeblich dafür wird die alleinige Verwendung der einschlägigen Tools genannt, ohne die restlichen umfassenden Aspekte dieser Managementphilosophie im Sinne eines vollwertigen Managementsystems zu etablieren. Die meisten Ansätze sind als Lean Healthcare und Lean Hospital tituliert, doch die Schwerpunkte sind jeweils in den Verwaltungs- und Hilfsprozessen gesetzt. Den Ansatz in den klinischen Alltag, also an die Frontline der Gesundheitsversorgung zu bringen, scheint eine schwer zu bewältigende Herausforderung zu sein.
Ein mehrfach genannter kritischer Erfolgsfaktor ist hierbei der Wandel der Organisationskultur hin zur Kultur der kontinuierlichen Verbesserung. Paradoxerweise sollte man sich jedoch nicht auf die Kultur selbst, sondern auf das Managementsystem konzentrieren, um eine Kultur zu schaffen, die der Verbesserung und Umsetzung förderlich ist (Mann 2015). Das heißt, dass geeignete Rahmenbedingungen und die Vorbildwirkung der Führungskräfte selbst einen Wandel der Unternehmenskultur bedingen. Allerdings führen sowohl das Prinzip der Entropie als auch die Natur des menschlichen Verhaltens im Laufe der Zeit zu Abweichungen vom Standard, sodass sich die gelebte Lean Management-Philosophie und die Kultur der kontinuierlichen Verbesserung ständig auf die Einhaltung der selbst auferlegten Prinzipien und Regeln besinnen muss – und zwar durch ein systematisches Daily Management (Liker und Convis 2012).

Lean Daily Management- System an medizinischen Fachabteilungen

Für eine Organisation des Gesundheitswesens, die Lean-Methoden eingeführt hat, bietet ein vollwertiges Lean Management-System die einzige Möglichkeit, die Lean-Umstellung aufrechtzuerhalten. Das Lean Daily Management-System (LDMS) ist ein wichtiges Element innerhalb des umfassenden Lean Management-Systems, welches im Zuge eines kontinuierlichen Prozesses darauf achtet, dass die Arbeit auf die richtige Art und Weise und zur richtigen Zeit erledigt wird. So wird der Abteilungserfolg entsprechend den strategischen Zielen der Gesamtorganisation erreicht.

Im Mittelpunkt steht hierbei die Frage, wie diejenigen Personen, die dem jeweiligen Prozess am nächsten stehen, in ihrer täglichen Arbeit Probleme erkennen und bewältigen. Objektive Kennzahlen bilden dafür die Grundlage. Das LDMS verfolgt die Zielsetzung, den operativen Alltag an der Frontline zu unterstützen, stets mit Augenmerk auf die kontinuierliche Verbesserung auf Prozessebene und die Steuerung und gegebenenfalls Korrektur der täglichen Abläufe.

Das DMS ermöglicht den Health Professionals auf allen Ebenen, sich ein klares Bild davon zu machen, ob die Leistung an einem bestimmten Tag (bei Bedarf auch stündlich, wöchentlich oder monatlich) der Zielsetzung der Patientensicherheit und Leistungsqualität entspricht. Dabei können Abweichungen schnell erkannt und Maßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden.

Eine der größten Herausforderungen bei der Umsetzung eines Lean Daily Management-Systems an medizinischen Fachabteilungen ist mit Sicherheit die Definition adäquater Kennzahlen und Indikatoren. Es handelt sich dabei um Kennzahlen, welche Risiken, Qualität, aber auch betriebswirtschaftliche Effizienz der Abteilungsprozesse messen können (Lagging Indicator), sowie Faktoren, welche auf diese Kennzahlen Einfluss haben (Leading Indicator) und rechtzeitig umgelenkt werden können.

Das Daily Management ist im klinischen Alltag nicht neu – Morgen- oder Nachmittagsbesprechungen, Übergaben, Teambesprechungen sind im Ansatz einem Daily Management sehr nahe, sofern sie interdisziplinär und interprofessionell standardisiert sind und strukturiert die entscheidenden Fragen auf Basis der Kennzahlen stellen (z.B.: Sind alle zu besetzenden Positionen im OP, in den Ambulanzen, auf den Stationen so wie im Dienstplan vorgesehen auch besetzt oder gibt es unerwartete Abwesenheiten? Entspricht die Aufnahmeplanung der freien Bettenkapazität? Ist das Instrumentarium/Material für die geplanten Operationen vorhanden?).

Ein LDMS an medizinischen Fachabteilungen impliziert diese Aspekte und ermöglicht darüber hinaus die Gestaltung und Aufrechterhaltung eines organisatorischen Rahmens bzw. klinischen Managementsystems, welches schnelles und agiles Reagieren auf sämtliche Abweichungen erlaubt.

Dies macht das LDMS auch zu einem wertvollen Instrument der Führung am Weg hin zur operativen Exzellenz.

Literaturverzeichnis:
• Buckley, Peter; Prewette, Peter; Byrd, Jonathan; Harrison, Glynn (2017): Staying Lean. DOI: 10.1201/b10492.
• Liker, J.K. and Convis, G.L. (2012) The Toyota Way to Lean Leadership Achieving and Sustaining Excellence through Leadership Development.
• Mann, David (Hg.) (2015): Creating a Lean Culture. Tools to Sustain Lean Conversions, Third Edition. 3rd ed. Hoboken: CRC Press.

Autoren:

Natasa Neuhold, M.A., B.A.
Qualitätsmanagementbeauftragte
Stabsstelle Qualitätsmanagement
Standortzuständigkeit Neuromed Campus
natasa.neuhold@kepleruniklinikum.at

OA Dr. Harald Stefanits
Leitender Oberarzt Univ.-Klinik für
Neurochirurgie
Kepler Universitätsklinikum GmbH
www.kepleruniklinikum.at

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