Wertstromdesign und Process-Mining zur Steigerung der Prozesseffizienz im klinischen Betrieb

Lesedauer beträgt 3 Minuten
Autor: Kepler Universitätsklinikum

Im Spagat zwischen steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen und beschränkten personellen sowie finanziellen Ressourcen stehen Österreichs Spitäler vor der herausfordernden Aufgabe, eine hochwertige Versorgungsleistung sicherzustellen. Ein vielversprechender Ansatz zur Bewältigung dieser Aufgabe ist die Prozessoptimierung im Bereich der Wertschöpfung. Eine Baselinebetrachtung an der Universitätsklinik für Neurochirurgie des Kepler Universitätsklinikums.

Zur Prozessoptimierung auf klinischer Ebene wendet die Universitätsklinik für Neurochirurgie des Kepler Universitätsklinikums Linz Wertstromanalysen an. Die Wertstromanalyse ist eine Lean-Management-Methode zur Abbildung des Ist-Zustandes einer Reihe von Prozessen, die zur Erbringung einer Gesundheitsdienstleistung notwendig sind.

Durch den zusätzlichen Einsatz moderner Data-Analytics-Methoden können wertvolle Einblicke in die Echtzeitdaten des Behandlungsprozesses gewonnen werden. Process-Mining ist eine Methode zur Analyse von Geschäftsprozessen und Prozessabläufen auf der Basis von Ereignisprotokollen (Mertens et al. 2020). Es umfasst eine Reihe von Techniken, die es den Akteuren des Gesundheitswesens ermöglichen, die tatsächliche Reihenfolge der Aktivitäten in einem Prozess zu ermitteln (Augusto et al. 2019) und Einblicke in die Beteiligung von Ressourcen an einem Prozess zu gewinnen (Cabanillas et al. 2020).

Prozesse: Modelle & Mining

Als Ausgangspunkt werden im Krankenhaus Informationen und Daten über Patienten und durchgeführte Verfahren im Krankenhausinformationssystem (KIS) gesammelt, welche für die Arbeit an Prozessmodellen verwendet werden. Diese beiden unterschiedlichen Pole von gesammelten Daten auf der einen und Prozessmodellen, die Richtlinien vorgeben, auf der anderen Seite werden mithilfe von Process-Mining in Beziehung gesetzt und effizient genutzt. Zunächst ist eines der definierten Process-Mining-Typen, nämlich Discovery, Conformance oder Enhancement, anzuwenden. Wie in der Abbildung dargestellt, kann auf Basis der gesammelten Daten ein Prozessmodell identifiziert werden. Wenn bereits ein Prozessmodell vorhanden ist und Daten gesammelt wurden, können beide Bereiche verglichen und eine Konformitätsprüfung durchgeführt werden. Nicht zuletzt ist auch die Erweiterung des bereits vorhandenen Prozessmodells möglich (Rojas et al. 2016).

Hauptaspekt dieser Techniken ist die Extraktion von Wissen aus Daten, die in den Datenbanken von Informationssystemen erzeugt und gespeichert werden, um Ereignisprotokolle zu erstellen (van der Aalst 2012).

Um eine weit verbreitete und systematische Einführung von Process-Mining im Gesundheitswesen zu erreichen, sind gezielte Methoden und Techniken erforderlich, die explizit die spezifischen Eigenschaften der Branche berücksichtigen. Dies zeigte sich auch deutlich in einem Pilotversuch der Etablierung des Process-Minings als Erweiterung zur Wertstromanalyse im klinischen Betrieb an der Universitätsklinik für Neurochirurgie.

Process-Mining
im Gesundheitswesen
(nach Rojas et al. 2016).

Daten: Qualität & Erfassung

Letztlich ist eine hohe Datenqualität die Grundlage sämtlicher Analysen; diese kann einerseits durch die intransparente und oft ungenaue manuelle Datenerfassung gemindert werden. Der Einsatz von mehr als einem System kann zu Problemen bei der Datenerfassung, zu geringerer Transparenz und zu unterschiedlichen Sichtweisen der Beteiligten bei der Interpretation der erfassten Daten führen. Ein herausfordernder Aspekt könnte das unterschiedliche Verständnis einzelner handelnder Personen von durchgeführten Aufgaben oder gesammelten Zeitstempeln sein. Damit werden Daten, je nachdem wer sie eingibt, unterschiedlich erhoben und Zeitdefinitionen, in denen bestimmte Aktivitäten durchgeführt werden, können nicht homogen interpretiert werden, obwohl sie aus Sicht des Process-Minings die wichtigsten Daten darstellen.

Abweichungen: Chancen & Kulturentwicklung

Die Prozesse im klinischen Betrieb zeichnen sich darüber hinaus durch ihr hohes Maß an Variation und ihre Abhängigkeit von Entscheidungen der jeweiligen autonomen Health Professionals aus. Die Unvorhersehbarkeit gewisser Aktivitäten darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, da das Gesundheitswesen oft anfällig für Umgehungen, d.h. für Abweichungen von vorgeschriebenen Praktiken und Prozessen, ist. Diese Abweichungen können als Chance bzw. Indikatoren für etwaigen Optimierungsbedarf dienen.

Ein weiterer hemmender Faktor ist nach wie vor die vom Management geprägte prozessorientierte Denkweise, die der Ansicht des Patientenpfades gegenübersteht. Der Perspektivenwechsel würde die Berücksichtigung von Prozessschritten sowie die Erfassung der damit verbundenen Daten unterstützen. Zuletzt muss auch an der Bewusstseinsschaffung für den Bedarf der integrierten Digitalisierung im Bereich des Gesundheitswesens gearbeitet werden, dies nicht nur auf Ebene der Entscheidungsträger im Bereich der IT, sondern auch bei allen am Prozess beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Die Schaffung einer geeigneten IT-Landschaft und die Ausbildung von Kompetenzen auf organisatorischer Ebene bilden die Basis zur Anwendung von Process-Mining als vielfältigem Werkzeug. Die Nutzung beschränkt sich nicht nur darauf, dass Prozessdaten aufgenommen werden können, sondern dient zur Schaffung von Transparenz hinsichtlich der Prozessabweichungen. Mithilfe von Business Intelligence können Daten aufgearbeitet und visualisiert werden, um eine Transparenz in allen Ebenen zu erreichen.

Vom Management bis zum Mitarbeiter sind somit alle informiert, was im Sinne des Lean Managements als wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung einer Kultur zur kontinuierlichen Prozess- und Ressourcenoptimierung darstellt.

Autoren:

Natasa Neuhold, MA, BA
Qualitätsmanagerin und Lean Clinical Management-Researcher, Kepler Universitätsklinikum Linz

DDR. Harald Stefanits
Leitender Oberarzt der Univ.-Klinik für Neurochirurgie,
Kepler Universitätsklinikum Linz

Literaturverzeichnis:

• Augusto, Adriano; Conforti, Raffaele; Dumas, Marlon; La Rosa, Marcello; Maggi, Fabrizio Maria; Marrella, Andrea et al. (2019): Automated Discovery of Process Models from Event Logs: Review and Benchmark. In: IEEE Trans. Knowl. Data Eng. 31 (4), S. 686–705. DOI: 10.1109/TKDE.2018.2841877.
• Cabanillas, Cristina; Ackermann, Lars; Schönig, Stefan; Sturm, Christian; Mendling, Jan (2020): The RALph miner for automated discovery and verification of resource-aware process models. In: Softw Syst Model 19 (6), S. 1415–1441. DOI: 10.1007/s10270-020-00820-7.
• Mertens, Katharina; Bernerstätter, Robert; Biedermann, Hubert (2020): Value Stream Mapping and Process Mining: A Lean Method Supported by Data Analytics. DOI: 10.15488/9653.
• Rojas, Eric; Munoz-Gama, Jorge; Sepúlveda, Marcos; Capurro, Daniel (2016): Process mining in healthcare: A literature review. In: Journal of biomedical informatics 61, S. 224–236. DOI: 10.1016/j.jbi.2016.04.007.
• van der Aalst, Wil (2012): Process mining. In: Commun. ACM 55 (8), S. 76–83. DOI: 10.1145/2240236.2240257.

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