Im Jahr 1911 publizierte der deutsche Philosoph Hans Vaihinger eines seiner Hauptwerke: „Die Philosophie des Als Ob“. In diesem Werk geht es darum, theoretisch nicht beweisbare Ideen (Gott, Seele, Freiheit…) trotz ihrer objektiven Nicht-Existenz als Basis für unser Denken und Handeln zu verwenden. Wir können also wissenschaftlich nicht beweisen, ob es Gott oder eine Seele gibt, aber wir können so handeln, als ob sie wirklich wären. Wir ziehen, sozusagen, „objektiv falsche“ Annahmen als Basis für „subjektiv richtiges“ Handeln heran. Einfach gesagt: Wir tun als ob.
Dieser Ansatz Vaihingers wurde als eine wichtige Basis des damals gleichzeitig entstandenen Pragmatismus gesehen, in dem praktisches Handeln über die theoretische Vernunft gestellt wird.
Auf den ersten Blick scheint diese Methode sehr praktikabel. Demnach können wir uns an jenen Dingen, die für uns nützlich sind, orientieren und müssen nicht ständig über theoretische Hintergründe nachdenken. Wenn Ideen für uns brauchbar sind, dann leben wir einfach besser in der Annahme, dass diese Ideen Tatsache sind.
Das Gute und die Gefahr des Als Ob
Insbesondere wenn es um die Moral und Ethik geht, kann uns das Handeln im Als Ob einen Mehrwert bringen. Wir nehmen grundlegende Normen und Werte (z.B. Menschenrechte, Gleichheitsgrundsätze) einfach als fundamentale ethische Grundgesetze an und richten danach unser Handeln aus. Wir tun so, als ob diese Werte universelle Naturgesetze wären.
Etwas schwieriger wird es dann, wenn wir nur jene Ideen als gegeben annehmen, die uns in der jeweiligen Situation nützlich sind. Kann der Zweck also Theorien und Werte heiligen?
Und könnte es darüber hinaus nicht regelrecht zur Gefahr werden, wenn wir uns für unser Verhalten einfach gewisse Modelle zurechtbasteln, um damit eine Rechtfertigung gegenüber uns selbst, aber auch gegenüber unserer Umwelt zu haben?
Das Als Ob im Management
Im Management und unternehmerischen Handeln ist das Als Ob eher verpönt. Wir lieben es ja, unsere Entscheidungen auf Basis von Wahrheiten und Evidenz zu begründen. Unerforschte und unbewiesene Handlungsanleitungen sind etwas für unprofessionelle Pseudo-Manager.
Und dann gibt es beim Als-Ob-Management auch noch den üblen Geruch des „Washings“. Wir tun so, als ob wir ökologisch nachhaltig agieren (green washing), oder wir geben vor, unsere sozial-nachhaltigen Strategien tagtäglich zu leben (social washing). Der nächste Shitstorm lässt grüßen, wenn wir bei diesem „Als-Ob-Management“ ertappt werden. Und noch schlimmer – wenn wir uns für unser Handeln eigens Ideen und Modelle zurechtzimmern, um damit eine Rechtfertigung für unser Agieren in der Hand zu haben. Ein kritischer Blick darauf offenbart dann leicht diese Absicht.
Vaihingers Konzept des Als Ob kann aber trotzdem im Management von Organisationen sehr nützlich sein. Nämlich dann, wenn wir ganz bewusst unbeweisbare Ideen für den guten Zweck als gegeben annehmen. Es reduziert Komplexität und hilft uns in der Bewältigung unserer Alltags-Herausforderungen, denn diese Leitsätze, Regeln und Normen schaffen Ordnung und Stütze in der Arbeit und auch im Privaten.
Autor:
Mag. Anton Prettenhofer, pluswert
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