Der steigende Fachkräftemangel im Gesundheitswesen und die damit verbundenen Hindernisse in der Erfüllung des Versorgungsauftrages üben einen zunehmenden Handlungsdruck auf das Management von Gesundheitseinrichtungen aus.Das dem Toyota Produktionssystem (TPS) entsprungene Lean Management hat in den letzten Jahren besondere Aufmerksamkeit im Gesundheitssektor erlangt und sich im Krankenhausmanagement beinahe als Modewort etabliert.
Die Anwendung der Lean Ideologie im Krankenhaus erfolgt häufig mit dem Ziel, Ineffizienzen zu reduzieren und die Patientenversorgung zu verbessern. Diese Bemühungen führen in vielen Fällen zu einer überstürzten Implementierung von Lean-Praktiken wie Kanban, Huddle Board oder 5S. Der wahre Kern und das Potenzial des Lean Managements liegen nicht nur in der Anwendung von Methoden, sondern in der Schaffung einer lernenden Organisation, in der kontinuierliches Problemlösen und Verbesserung im Mittelpunkt stehen. Dies erfordert eine kulturelle Transformation und einen entsprechenden Aufbau der Mitarbeiterkompetenzen (Liker & Convis, 2011).
Um diese kulturelle Transformation tiefgreifend zu unterstützen, bedarf es eines systematischen Ansatzes, der nicht nur auf die Anwendung von Methoden abzielt, sondern auch Verhaltensweisen und Denkstrukturen der Mitarbeitenden gezielt in Richtung Weiterentwicklung fördert. Hier setzt der Toyota Kata-Ansatz an, der von Mike Rother bei Toyota beobachtet und ausformuliert wurde. Der Begriff „Kata“ stammt aus dem Japanischen und bedeutet wörtlich „Form“ oder „Muster“.
Abb. 1: Kata als Ergänzung im Managementsystem
Im Kontext des Lean Managements bezieht sich Kata auf strukturierte Routinepraktiken, die darauf abzielen, kontinuierliche Verbesserungen und Problemlösungen in den täglichen Arbeitsabläufen zu integrieren (Rother, 2010). Rother beschreibt in seinen Arbeiten, dass die Unternehmen oft versuchen von Toyota zu lernen, dabei erfassen sie nur die sichtbaren Aspekte und sind nicht lange genug vor Ort, um die eigentlichen Erfolgskriterien zu erkennen, welche sich tief unter der Oberfläche befinden (Abbildung 1).
Toyota Kata beschreibt ein strukturiertes Denk- und Verhaltensmuster innerhalb des (Problem-)Lösungszyklus, welches auf die Schaffung einer Kultur des Lernens und der kontinuierlichen Verbesserung abzielt. Im Gegensatz zu traditionellen Verbesserungsansätzen betont Toyota Kata die Notwendigkeit eines systematischen Problemlösungsprozesses und die kontinuierliche Anpassung an veränderte Bedingungen (Rother, 2010). Es basiert auf zwei zentralen Routinen: der Verbesserungs-Kata und der Coaching-Kata.
Abb. 2: Verbesserungs-KATA
Die Verbesserungs-Kata fördert eine systematische Vorgehensweise, um sich Schritt für Schritt dem Zielzustand zu nähern. Dabei stehen die Analyse des aktuellen Zustands und die Festlegung von Experimenten im Vordergrund, die zu einer kontinuierlichen Verbesserung führen (Rother, 2010). Die Coaching-Kata hingegen betont die Rolle der Führungskräfte als Mentoren, die ihre Mitarbeiter durch gezieltes Coaching dabei unterstützen, diese Problemlösungsfähigkeiten zu entwickeln (Liker & Convis, 2011).
Die Prinzipien der Improvement-Kata und die 4 grundlegenden Schritte:
- Verstehen der Richtung oder Herausforderung: Das Ziel ist es, ein klares Verständnis der langfristigen Vision und der aktuellen Herausforderung zu entwickeln.
- Analysieren des aktuellen Zustands: Eine detaillierte Analyse des aktuellen Zustands hilft, die Diskrepanz zwischen dem Ist-Zustand und dem angestrebten Zielzustand zu identifizieren.
- Definieren des nächsten Zielzustands: Basierend auf der Analyse wird ein erreichbarer Zwischenzielzustand definiert, der dadurch einen Schritt näher in Richtung der langfristigen Vision setzt.
- Durchführen von Experimenten zur Zielerreichung: In kleinen, kontrollierten Experimenten werden Hypothesen getestet und die Erkenntnisse genutzt, um den Prozess kontinuierlich zu verbessern.
Die Cooaching-Kata unterstützt die Improvement-Kata, indem sie Führungskräfte und Mitarbeiter in die Lage versetzt, kontinuierlich Verbesserungsroutinen zu erlernen und anzuwenden. Dies geschieht durch regelmäßige Coaching-Zyklen, bei denen Coaches (oft Führungskräfte) ihre Coachees (Mitarbeiter) durch den Verbesserungsprozess führen. Diese Zyklen bestehen typischerweise aus kurzen, regelmäßigen Meetings, in denen Fortschritte besprochen und nächste Schritte geplant werden.
Komplexität im Krankenhaus als Stolperfalle
Die Implementierung von Toyota Kata im Krankenhaus stellt besondere Herausforderungen dar, die berücksichtigt werden müssen. Die Komplexität des Krankenhausumfelds, die hohe Dynamik in der Patientenversorgung und die interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordern ein tiefes Verständnis für die besonderen Rahmenbedingungen, die in diesem Sektor herrschen.
Die arbeitsteiligen Krankenhausprozesse sind oft hochkomplex und beinhalten unterschiedliche Akteure und Expertisen. Eine dauerhafte Anwendung von Toyota Kata in Problemlösungsprozessen erfordert daher eine Anpassung der Verbesserungs-Kata an diese komplexen Umgebungen, um sicherzustellen, dass alle relevanten Prozessbeteiligten einbezogen werden (Hamel & Zanini, 2018). Dies kann nur gelingen, wenn Führungskräfte in Verbesserungsbemühungen die funktionalen Silos durchbrechen und eine Kultur der Transparenz und der kontinuierlichen Reflexion fördern, um sicherzustellen, dass sich Verbesserungen langfristig und in gesamtsystemischer Betrachtung etablieren können. Hierfür müssen klare Entscheidungsstrukturen etabliert und eine offene Fehlerkultur gestützt werden, in der aus Herausforderungen und Fehlern gelernt wird (Kaplan et al., 2014).
Natasa Neuhold, MA, BA
Klinisches Lean Operations ManagementStabsstelle QualitätsmanagementKepler Universitätsklinikum GmbH
natasa.neuhold@
kepleruniklinikum.at
www.kepleruniklinikum.at
Angelika Wagner-Kronberger, MBA
Certified Project Manager
Die Autorinnen sind Gründerinnen
der KATA School Austria.
Literatur:
• Hamel, G., & Zanini, M. (2018). The End
of Bureaucracy. Harvard Business Review.
• Kaplan, G. S., Patterson, S. H., Ching, J. M., & Blackmore, C. C. (2014). Why Lean doesn’t work for everybody. Healthcare Management Review.
• Liker, J. K., & Convis, G. L. (2011). The Toyota Way to Lean Leadership: Achieving and Sustaining Excellence through Leadership Development. McGraw-Hill.
• Radnor, Z. J., Holweg, M., & Waring, J. (2012). Lean in healthcare: The unfilled promise? Social Science & Medicine.
• Rother, M. (2010). Toyota Kata: Managing People for Improvement, Adaptiveness and Superior Results. McGraw-Hill.
• Rother, M., & May C. (2019). Das KATA Praxishandbuch. CETPM GmbH Deutscher Management Verlag.
• Womack, J. P., & Jones, D. T. (2003). Lean Thinking: Banish Waste and Create Wealth in Your Corporation. Free Press.