Der Betreuungs-Skandal hinter mancher Wohnungstür! 

Lesedauer beträgt 3 Minuten
Autor: Michael Wendler

Verschiedene Medienberichte, beschönigende Aussagen von Politikern und demgegenüber die eigenen Erfahrungen als geriatrischer Hausarzt und auch involvierter Angehöriger lassen meinen Unmut und Zorn hochkochen.

Fast jede Woche muss ich weitere Patienten besuchen, wo 24-Stunden-
Betreuerinnen alleinstehende hochbetagte Menschen versorgen, ohne nur die geringsten Kenntnisse in Deutsch zu haben. Alleiniges „Opi, iss, iss!“ wird einen 90-Jährigen mit beginnender Demenz bestenfalls in eine zusätzliche Protesthaltung drängen. Wenn ich ganz einfache Fragen zum Verlauf habe, muss ich bei der Visite oft eine Viertelstunde mit Händen und Füßen und meinem Urlaubs-Serbokroatisch (oder Schul-Latein bei den Rumäninnen) ausdeutschen, was „Kilo“ oder „Herzschlag“ bedeutet.
Das bedeutet aber unmittelbare medizinische Gefahr, wenn dann wichtige Kontrollwerte nicht richtig übermittelt werden oder angekündigte Alarmsignale missdeutet werden. Aber auch diese Fehlbesetzungen kosten den Klienten oft 85 Euro und mehr pro Tag, was schon der Tarif der großen qualitätsgesicherten Pflegeinstitutionen ist, der dort aber meist mehr als gerechtfertigt ist. Diese haben derzeit aber auch riesige Probleme, gute Betreuerinnen für schwere oder komplizierte Patientengeschichten zu finden.

Und schließlich die Situation mit den Rumäninnen: Da berichtet der ORF, dass die Corona-Situation in diesem Land soweit zum Schlechten gediehen ist, dass sich dort Angehörige um Sauerstoffflaschen prügeln und die Bevölkerung nur zu 30 % geimpft ist. Das bedeutet – und mit mir zusammenarbeitende Pflegedienstleiterinnen bestätigen mir dies auch – nur 3 von 7 der 24-Stunden-Betreuerinnen, die zumeist in Minibussen zu uns gekarrt werden, sind nicht geimpft und werden auf unsere Senioren verantwortungslos losgelassen. Und da ist keiner in Regierung, Land, ÖGK und anderswo, der mit Hausverstand (?) Eins und Eins zusammenzählt, was das für unsere betagten Patienten bedeutet, die mit diesen Frauen auf engstem Raum zusammenleben müssen.
Der Hut brennt lichterloh und das System wird furchtbar zusammenbrechen. Denn wenn man diesen Skandal abstellt, werden die Betreuungsbedürftigen vor den Pflegeheimen Schlange stehen. Doch diese laufen auch gerade auf Grund, da jahrelang der Personalschlüssel möglichst an die gesetzliche Mindestgrenze gedrückt wurde und jede Schwangerschaft von Mitarbeiterinnen die Situation bereits prekärer machte. Was sagen mir bewährte Heim-Mitarbeiterinnen: „Jetzt sind schon so viele weggegangen, dass wir schon zum Teil unmenschlich arbeiten. Ich geh daher auch bald.“

Wenn mir diverse Politiker und Entscheidungsträger diese Schilderungen nicht glauben, dann sind sie herzlichst eingeladen, mich auf meiner Visitentour von manchmal 14 – 18 Uhr zu begleiten. Kann auch je nach Terminwunsch spontan angepasst werden!

Dr. Michael Wendler
Hausarzt mit Zusatzfach Geriatrie, Graz
dr.wendler@posteo.de
www.lehrpraxis.net

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