In der Akutversorgung des Schlaganfalls nimmt Deutschland weltweit eine Spitzenposition ein – vor allem aufgrund der flächendeckenden Versorgung mit Stroke Units. Bei der Nachsorge von Schlaganfällen gibt es hierzulande allerdings noch einiges zu verbessern, denn hier gibt es ein Schnittstellenproblem zwischen stationärer und ambulanter Versorgung. Dies erschwert zum Beispiel die Überwachung der medikamentösen Therapie, die Verordnung von Heilmitteln sowie das Erkennen von Folgeerkrankungen wie Depression und Demenz. Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) thematisiert das schon seit einigen Jahren und mittlerweile ist das Thema in der Gesundheitspolitik angekommen. Die DSG begrüßt daher das Modell der Schlaganfall-Lotsen. Das Konzept wurde nun ausgewertet, erste Ergebnisse stellten DSG-Experten auf ihrer Online-Pressekonferenz am 26. Oktober vor.
Das Schlaganfall-Lotsen-Projekt Ostwestfalen-Lippe, kurz Stroke-OWL, ist ein Projekt der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, welches in enger Kooperation mit den neurologischen Kliniken in Ostwestfalen-Lippe durchgeführt und von der Universität Bielefeld wissenschaftlich betreut wurde. „Stroke-OWL kann als Musterprojekt für die Schlaganfall-Nachsorge angesehen werden, da es flächendeckend in einer ländlichen Region im Norden von Nordrhein-Westfalen umgesetzt wurde“, erklärt Wolf-Rüdiger Schäbitz, Pressesprecher der DSG. „Das Besondere sind die Case-Manager, sogenannte Schlaganfall-Lotsen, die als patientenorientierte Bindeglieder zwischen den verschiedenen Akteuren der Versorgung fungieren.“ Die Schlaganfall-Lotsen arbeiten eng mit Akutkliniken, Reha-Kliniken und Hausärzten zusammen und schließen auf diese Weise die Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Versorgung. „Sie dokumentieren Behandlungen, überprüfen den Bedarf an Hilfs- und Heilmitteln, unterstützen bei der Überwachung von Risikofaktoren, kontrollieren die Medikamenteneinnahme und vereinbaren für Patienten wichtige Termine“, ergänzt Schäbitz von der Universitätsklinik für Neurologie am Universitätsklinikum OWL der Universität Bielefeld.
Die Ergebnisse nach Auswertung des kürzlich abgeschlossenen Projektes zeigten keinen Effekt auf die ambitionierten primären Endpunkte Schlaganfallrezidive und Sterblichkeit. Immerhin nahmen durch Lotsen begleitete Schlaganfall-Patienten ihre Medikamente regelmäßiger und zuverlässiger ein – eine Voraussetzung für eine Reduktion erneuter Schlaganfälle. Interessanterweise gibt es Hinweise, dass durch die Lotsenintervention flüchtige Schlaganfälle, sogenannte TIAs (transitorische ischämische Attacken), weniger häufig erneut auftraten. Die Wissenschaftler konnten zudem eine Steigerung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität beobachten. Prinzipiell war STROKE-OWL von den Abläufen her sehr gut durchführbar und die Lotsen integrierten sich in bestehende Versorgungsstrukturen. „Damit ist das Lotsen-Modell grundsätzlich übertragbar auf andere chronische Erkrankungen wie Herzinfarkt und Diabetes“, so interpretiert Professor Schäbitz die Ergebnisse des Projekts. Dass die Reduktion der Sterblichkeit und des Wiederauftretens schwerer Schlaganfälle nicht gezeigt werden konnte, erklären die Experten mit der kleinen Stichprobe und der generellen Schwierigkeit, eine Wirksamkeit in einer solchen Versorgungsstudie mit einer Nachbeobachtungszeit von ein bzw. zwei Jahren nachzuweisen. „Insgesamt ist erfreulich, dass die Lotsentätigkeit so gut angenommen wurde und auch ein positiver Effekt zumindest auf die Lebensqualität nachweisbar war“, sagt der Pressesprecher. „Der fehlende Evidenz-Nachweis in Bezug auf Rezidivschlaganfall und Sterblichkeit kommt jedoch nicht unerwartet und reiht sich damit in die Datenlage zu vergleichbaren Studien ein.“
Die DSG befürwortet, dass die Bundesregierung es sich in ihrem Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt hat, Patientenlotsen in die Regelversorgung der Krankenkassen zu überführen – nach dem Vorbild des Projekts Stroke-OWL. Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe entwirft nun ein Nachfolgeprojekt: LEX LOTSEN OWL. Es soll dem Gesetzgeber weitere Hinweise liefern, wie Patienten-Lotsen unabhängig vom Krankheitsbild fungieren können und wer ihre wertvolle Arbeit als Schnittstelle zwischen Kliniken, Ärzten und Patienten bezahlen sollte. Auch die DSG betont, dass weitere Studien für umfassendere Erkenntnisse durchzuführen seien.
Quelle: Presseinformation der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG).