Freiheitsbeschränkung – ein sensibles Thema praktisch umgesetzt

Lesedauer beträgt 1 Minuten
Autor: NÖ Landesgesundheitsagentur

Das Thema Freiheitsbeschränkung ist ein sensibles und omnipräsentes Thema im klinischen Alltag, da es besonders das höchstpersönliche Recht der Freiheit betrifft. Die Anwendung von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen ist nur nach normierten Ausnahmefällen, welche der Gesetzgeber unter anderem in der Form des Heimaufenthaltsgesetzes (HeimAufG) definiert, zulässig. Diese Ausnahmefälle in Verbindung mit der Anwendung der Freiheitsbeschränkung beschäftigen sowohl Patientinnen und Patienten, deren Angehörige, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Bewohner- und Bewohnerinnenvertretung (BV).

Ziele

Im Landesklinikum Mistelbach-Gänserndorf wurde diese komplexe Thematik anlassbezogen im Sinne des KVP neu gestaltet. Die Kollegiale Führung hat den hauseigenen Qualitätsmanager Frederik Haas, den Leiter der IT-Abteilung und stellvertretenden kaufmännischen Direktor Karl Schreiber, seinen Mitarbeiter Thorsten Christ sowie Pflege-Bereichsleiter Christian Pleil beauftragt, eine Adaptierung der Vorgänge vorzunehmen und so eine Verbesserung der Situation zu erreichen. Wichtig war dem beauftragten Team, dass es eine möglichst praktikable und gesetzeskonforme Lösung für den Arbeitsalltag mit einfacher Usability gibt.

Lösungen & Umsetzung

In einem ersten Schritt wurde damit begonnen, die innerklinischen Prozesse, insbesondere die Anwendung des HeimAufG, Meldung an die BV, sowie den dafür notwendigen Dokumentationsprozess auf deren Handhabung und Anwendungsgrad zu prüfen.

Das von der BV zur Verfügung gestellte Online-Formular wurde in das KIS des LK Mistelbach-Gänserndorf importiert und so angepasst, dass eine automatische Verknüpfung mit den Patientendaten stattfindet. Dieser Schritt führte zu einer erheblichen Zeitersparnis in der Bearbeitung und Übermittlung der Meldedaten. So konnten durch den Konnex zu den Patientendaten bereits abgesendete Meldungen eingesehen werden, womit ersichtlich ist, wer bereits eine freiheitsbeschränkende Maßnahme in der Vergangenheit erhalten hat.

Insbesondere durch die Betrachtung von in der Vergangenheit vorgenommenen beschränkenden sowie von gelinderen Maßnahmen lässt sich die individuelle Versorgung der Patienten im Sinne eines KVP effizienter steuern. Zeitgleich wurde die Pflegedokumentation am Landesklinikum Mistelbach-Gänserndorf mit einer effizienten Verlaufsdokumentation in Bezug auf die Freiheitsbeschränkung erweitert.

Geschäftsprozessmodell Freiheitsbeschränkung

Parallel wurde durch den Qualitätsmanager Frederik Haas in enger Zusammenarbeit mit dem Pflege-Bereichsleiter Christian Pleil damit begonnen, eine SOP samt Prozessbeschreibung zu verfassen. In dieser wurden die Definitionen der Freiheitsbeschränkung, der gelinderen Maßnahmen und die vorhandenen Mittel zur Freiheitsbeschränkung genauestens – nach aktueller Gesetzgebung und Literatur – beschrieben.

In einem weiteren Schritt wurden die verschiedensten Formen der Freiheitsbeschränkung in einem Ablauf definiert und grafisch mittels Flowchart (Abb.) dargestellt, um eine möglichst einfache Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten.
Nach Konzipierung des aktualisierten IT-Tools und Erarbeitung der SOP wurde die BV eingeladen, diese Entwürfe zu sichten und auf Praxisanwendung zu prüfen. Durch das Feedback der BV konnten noch einige Verbesserungen eingearbeitet werden, bevor eine erste Testphase an einer Pilotstation erfolgte.

Klinikintern wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gesundheits- und Krankenpflege in Kurzschulungen in die neue Anwendung und insbesondere auf die Dokumentationsqualität mit Bezug auf freiheitsbeschränkende Maßnahmen eingewiesen. Des Weiteren wird die Thematik der Freiheitsbeschränkung mit Fokus auf das HeimAufG für Führungskräfte im Verantwortungsbereich der Pflegedirektion im Rahmen einer Quartals-Führungskräfte-Schulung aufgegriffen.

Fazit

Im Rahmen von laufenden Abstimmungen mit der BV konnten bereits erste positive Rückmeldungen eingeholt werden. Die gemeldeten Freiheitsbeschränkungen wer­den systematisch erfasst und können dadurch noch effizienter einem laufenden Monitoring unterzogen werden. Bei entsprechenden Auffälligkeiten kann seitens der Führungskräfte im Verantwortungsbereich der Pflegedirektion rasch agiert werden.

Autoren:

PD PhDr. Christian Pleil, MSc MLS MBA
DI Karl Schreiber
QM Frederik Haas, BA MA

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