Neue Methoden aus der Gesundheits­ökonomie machen Auswirkungen neuer Leistungen auf gesundheitliche Ungleichheit sichtbar

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Autor: AIHTA

Gesundheit ist in Österreich ungleich verteilt. Wer eine höhere Bildung hat oder reicher ist, lebt im Mittel länger und ist gesünder. Die Verteilung von Gesundheit in der Bevölkerung wird auch bei der Einführung neuer Leistungen implizit beeinflusst. Traditionelle gesundheitsökonomische Evaluationen haben Auswirkungen auf die gesundheitliche Ungleichheit lange ignoriert und ausschließlich auf Effizienz fokussiert. Eine Forschungsgruppe aus York entwickelt Ansätze, die Effizienz- und Verteilungsaspekte integrieren und für Entscheidungsträger anwendbar machen.

Während die Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen ist, ist Gesundheit gleichzeitig ungleich verteilt. Personen mit geringer formaler Bildung oder niedrigem Haushaltseinkommen haben eine deutlich niedrigere Lebenserwartung und verbringen mehr Lebensjahre in eingeschränkter Gesundheit als solche mit hohem Einkommen und höheren Bildungsabschlüssen. 2019 hatten in Österreich etwa Männer bzw. Frauen mit hohem Bildungsabschluss eine um 6,5 Jahre bzw. 3,7 Jahre höhere Lebenserwartung als solche mit Pflichtschulabschluss. Neben Lebens- und Arbeitsbedingungen inkl. Bildung wird gesundheitliche Ungleichheit auch über den Zugang und die Inanspruchnahme von Leistungen im Gesundheitswesen beeinflusst. Daher sollte vor der Einführung einer neuen Leistung deren Auswirkung auf die gesundheitliche Ungleichheit berücksichtigt werden.

Bisherige Methoden der gesundheitsökonomischen Evaluation stellen zwar fest, welche Maßnahmen den durchschnittlichen Gesundheitszustand der Bevölkerung am meisten verbessern, nicht aber, wie sie die Verteilung von Gesundheit beeinflussen. Eine Gruppe an der University of York (EQUIPOL) forscht seit längerem zu Methoden, mit denen Verteilungsaspekte in die gesundheitsökonomischen Evaluationen integriert werden können. Die Forscher:innen entwickelten ein 6-Schritte-Konzept, anhand dessen die Folgen einer Intervention auf die Verteilung von Gesundheit systematisch berücksichtigt werden können (welche Gruppen sind aus Verteilungssicht bei einer Erkrankung relevant, wie ist Gesundheit in diesen Gruppen derzeit verteilt, wie beeinflusst die neue Leistung die aktuelle Verteilung von Gesundheit etc.). Um diese Fragen nicht nur qualitativ zu erörtern, erstellten sie auf Basis britischer Daten einen einfach anwendbaren „Health Equity Impact Calculator“ (https://shiny.york.ac.uk/dceasimple/). Damit wird sichtbar, wenn die Finanzierung einer neuen Leistung zwar die Effizienz erhöht, die gesundheitliche Ungleichheit aber verstärkt, und umgekehrt.

Mit dem zweiten der zehn österreichischen Gesundheitsziele hat sich Österreich vorgenommen, für gesundheitliche Chancengerechtigkeit zu sorgen. Daher sollte mit der Finanzierung einer neuen Leistung unerwünschte gesundheitliche Ungleichheit nicht verstärkt und im Idealfall sogar verringert werden. In zukünftigen Auseinandersetzungen mit gesundheitsökonomischen Methoden in Österreich gilt es daher, die Entwicklungen zu Gerechtigkeitsaspekten aufzugreifen.

Autorin:

Dr. Ingrid Zechmeister-Koss
Stellvertretende Institutsleiterin der HTA Austria – AIHTA GmbH

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