Da war kein Geld, kein Interesse und auch keine Vision

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Autor: Josef Ruhaltinger

Herr Mischak, Sie sagen in einem Interview, Österreich pflege einen „zögerlichen Um­gang mit eHealth“. Dies müsse aufhören. Was meinen Sie damit?

Robert Mischak: Wir verstricken uns in organisatorischen und kulturellen Vorbehalten und Nebenschauplätzen. Wir habe die größten technischen Probleme gelöst. Denken Sie an den elektronischen Impfpass, der eigentlich seit Jahren fertig ist. Eingeführt wurde er aber erst, als der Druck durch Covid kein Verzögern mehr zuließ. Im wirklichen Leben ist es noch immer nicht einfach, eHealth-Anwendungen zu finden.

Was ist der Grund für die Skepsis?

Man spricht bei der Digitalisierung und Automatisierung auch vom Gamechanger. Das bedeutet, die Spielregeln ändern sich, aber auch die Spieler. Das löst unter den bisherigen Akteuren eine gewisse Zurückhaltung aus. Wir sind auch häufig zu Behörden und Institutionen gepilgert, um gemeinsame Projekte vorzuschlagen. Da war kein Geld, kein Interesse und auch keine Vision, was mit eHealth-Projekten erreicht werden kann. Und eine weitere Trivialität: eHealth-Anwendungen werden von den Krankenkassen nicht erstattet. Was man nicht verrechnen kann, wird nicht gemacht.

Es heißt, die nächste Pandemie kommt bestimmt. Wie gut sind wir nach Covid auf neue Ausbrüche vorbereitet?

Die Pandemie war ein Stresstest für das Gesundheitswesen, so wie dies Banken und Versicherungen erleben – nur eben ohne Simulationscharakter. Die Ergebnisse sind schon sehr ernüchternd. Aus
eHealth-Sicht gibt es zwei Themen, bei denen wir uns stark verbessern müssen. Wir haben eine wirklich schlechte Performance bei der Datenerfassung gesehen. Das hat recht simple Gründe mit großen Auswirkungen.

Worum geht es?

Wir haben keine eindeutigen Falldefinitionen: Wir wissen nicht, wie wir Mehrfachzählungen vermeiden können. Wir haben keine klare Vorstellung, wie es bei den Strukturdaten aussieht: Wann ist ein Intensivbett ein Intensivbett? All diese Informationen müssen eindeutig für alle definiert werden, damit wir darüber reden, ohne Verwirrung zu stiften. Das Zusammenspiel der verschiedenen Meldesysteme scheint nicht optimal zu sein.

Was ist der zweite Ansatz?

Was machen wir mit diesen Daten? Die Informationsversorgung der Bevölkerung und der Stakeholder, also der handelnden Interessengruppen ist unglücklich verlaufen. Man hat epidemiologische Kenngrößen nicht richtig berechnet. So ist bei Vergleichen mit Ländern beispielsweise oft nicht das Verhältnis der Bevölkerungsgrößen hergestellt worden. Das ist trivial, aber ich kann die USA nicht mit Österreich in absoluten Zahlen vergleichen. Man müsste viele Messgrößen nach dem Alter der Betroffenen einordnen, weil die Generationenzugehörigkeit ein Risikofaktor ist. Gute Gesundheitsinformationen orientieren sich z.B. an den Qualitätskriterien der Österreichischen Plattform für Gesundheitskompetenz.

Warum ist dies wichtig?

Die Informationen waren widersprüchlich und nicht vollständig. Damit hat man das Vertrauen der Bevölkerung verspielt. Es ist nicht gut, wenn Nebenwirkungen keine Erwähnung finden, auch wenn sie in der Häufigkeit im Vergleich zu den Millionen Impfungen verschwindend sind: Wenn Menschen die Erfahrung machen, dass derartige Ereignisse unter den Tisch gekehrt werden, misstrauen sie auch dem Rest der Informationen.

Viele Menschen denken bei eHealth an ihre Sport-Apps mit Pulsfrequenzmesser. Haben Bevölkerung und Stakeholder die Tragweite von eHealth-Anwendungen verstanden?

Da muss sich sicher die eHealth-Community an der eigenen Nase nehmen. ELGA ist ein wirklich ambitioniertes Projekt, das mit viel Idealismus gemacht wurde. Aber wir konnten den Nutzern nicht vermitteln, welche Vorteile das System bringt. Der Mehrwert wird bis heute nicht erkannt. Wenn wir dies besser vermittelt hätten, wären wir in dem Punkt wesentlich weiter.    

Zur Person.
Robert Mischak ist Leiter des Instituts eHealth an der FH JOANNEUM. Er wurde in Graz geboren, studierte in Graz und Wien Maschinenbau/Wirtschaft. In der Schweiz absolvierte er das berufsbegleitende Master-Studium „Public Health“ und befasst sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit der Digitalisierung des Gesundheitsbereichs.

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