Chronische Patienten bleiben im Alltag oft auf sich allein gestellt. Eine Studiengruppe der FH St. Pölten entwickelt ein Peer-Projekt, in dem Betroffene anderen Betroffenen mithilfe einer Messenger-App und des Smartphones Unterstützung geben.
Der Erfolg der Diabetestherapie hängt stark von den Betroffenen ab. Sie müssen ihr Leben und ihre Erkrankung aufeinander abstimmen“, erklärt Elisabeth Höld vom Institut für Gesundheitswissenschaften der FH St. Pölten. Kurzzeitige Schulungen und Reha-Angebote würden selten nachhaltig wirken: „Viele Fragen tauchen erst im Laufe der Zeit auf und sind meist nicht medizinischer Natur. Elisabeth Höld leitet die Studie DiabPeerS, die sich zum Ziel gesetzt hat, eine Peer-Support-Intervention mittels eines leicht bedienbaren Messengers am Smartphone aufzusetzen. Die grundlegende Annahme ist, dass die Intervention das Diabetes-Selbstmanagement fördert und somit zu dauerhaft verbesserten krankheitsspezifischen Parametern führt.
Erfahrungswerte: Ernährungstipps sind für Diabetiker von zentraler Wichtigkeit. Im St. Pöltner Peer-Projekt geben erfahrene Patienten ihr Wissen per Messenger-Gruppe an andere Betroffene weiter.
Was sind „Peers“?
Das Wort „Peer“ kommt aus dem Englischen und bedeutet Gleichgestellte, Gleichgesinnte oder auch Gleichaltrige. Im Projekt agieren die „Peers“ als Moderatoren, die selbst an Diabetes erkrankt sind und eine spezielle Schulung durchlaufen haben. Eine Diätologin und ein spezielles Handbuch unterstützen die Peers mit fachlichem Rat. „Die Moderatoren ‚betreuen‘ jeweils eine kleine Gruppe von Diabetikern im Chat. Sie geben Impulse zum besseren Selbstmanagement, motivieren und regen zu Diskussionen rund um Diabetes mellitus Typ 2 an“, so Johanna Grüblbauer, Studiengangsleiterin Medienmanagement und stellvertretende Forschungsgruppenleiterin an der FH St. Pölten. Sie ist im Projekt für die Arbeit mit den Moderatoren sowie für die technischen Analysen und für den Messenger zuständig.
So einfach wie WhatsApp
Drei von vier der 40- bis 69-Jährigen, also jener Altersgruppe, die am häufigsten von Typ-2-Diabetes betroffen ist, kennen und nutzen Instant-Messaging-Programme wie WhatsApp, Signal oder Telegram. „Wir wollten nichts Neues erfinden“, beteuert Grüblbauer, „wir setzen auf einen Messenger, der zulässt, die Daten in Österreich DSGVO-konform zu hosten.“ Die Gruppengröße in den Chats bewegt sich zwischen 10 und 14 Personen, die sich vorher nicht gekannt haben. Klarnamen können, müssen aber nicht verwendet werden. Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind aus Niederösterreich, vereinzelt nehmen auch Wienerinnen und Wiener daran teil. „Wichtig ist, dass die Personen zu den vereinbarten medizinischen Messungen in eines der niederösterreichischen Spitäler anreisen können“, so Grüblbauer. Im Spätsommer 2021 startete die Rekrutierung der Probandinnen und Probanden von DiabPeerS.
Erste Eindrücke
Wann und wieviel gepostet wird, entscheiden die Teilnehmenden selbst, so wurde zum Beispiel innerhalb einer Gruppe beschlossen, nicht nach 22 Uhr zu posten. Die Moderatoren passen die im Handbuch vorgeschlagenen Themen an „ihre“ Gruppe an und richten sich nach den jeweiligen Interessen. „Überrascht hat uns, dass zwar 2/3 der Teilnehmenden Männer sind, jedoch die Chats vorwiegend von den teilnehmenden Frauen geführt werden. Männer hören eher zu“, sagt Grüblbauer. Es sei noch zu früh, um valide Aussagen zu den Ergebnissen zu geben. Die Forschung zum Peer-Support in der Diabetesbehandlung stehe noch am Anfang. „Wir befinden uns mitten im ersten Interventionsdurchlauf und suchen aktuell noch Probandinnen und Probanden für den zweiten Interventionsdurchlauf“, so Höld.