Spielerisch zum Erfolg

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Autor: Petra Koller-Lechleitner

Gerade in Langzeitpflegeprozessen wie der Rehabilitation gewinnen spielerische Konzepte an Bedeutung. Sie steigern Motivation und Adhärenz der Patienten – unabhängig von Ort und Zeit.

Seit mehr als einer Dekade sind digitale Assistenzprogramme im Gesundheitsbereich im Vormarsch. Ihr Einsatz ist über das gesamte Gesundheitsspektrum verstreut – im präventiven, therapeutischen und im Nachsorgebereich. Die WHO prognostiziert, dass 2050 zwei Mrd. Menschen medizinische Assistenzsysteme vorübergehend oder dauerhaft nützen wird.
Im Bereich der Rehabilitation wächst der Stellenwert der Therapie- und Spiele-Apps praktisch stündlich. Denn der wichtigste Patientenmehrwert der digitalen Apps ist banal. Die Anwendungen sind überall einsetzbar. Ein häufiges Manko von Rehabilitationsmaßnahmen ist, dass sie zeitlich zu kurz sind, um die Rückkehr in einen beschwerdefreien Alltag in Freizeit und Beruf zu ermöglichen. Fachleute raten deshalb dringend dazu, nach der Reha weiter zu trainieren. Für einige Therapien ist nachgewiesen, dass sie langfristig wirksamer sind, wenn sie zu Hause fortgesetzt werden. Dies lässt Personen allein, die aufgrund des Wohnorts kein entsprechendes Programm in der Nähe haben oder die in ihrer Mobilität beschränkt sind. Digitale Assistenten helfen, das Ortsproblem zu beheben und mit den Patienten und dem Programm in Kontakt zu bleiben.

Gegen das Vergessen

Alzheimer Demenz zählt zu den Diagnosen, bei denen regelmäßiges Training besonders wichtig ist. Das internationale Leuchtturmprojekt „multimodAAL“ untersucht, welche Effekte ein strukturiertes, tablet-gestütztes Training zur geistigen und körperlichen Aktivierung bei Menschen mit Alzheimer zeitigt. Die Projektleiterin Maria Fellner erklärt den Studienaufbau: „110 Personen im frühen Stadium der Alzheimer Demenz absolvierten über 18 Monate gemeinsam mit ihrer Betreuung und zwischenzeitlich auch alleine ein Tablet-gestütztes Training zur Aktivierung. Bewegungs- und Wahrnehmungsübungen zum Aufwärmen werden gefolgt von Wissensfragen, Rechenaufgaben, Lückenwörtern und -texten, Puzzles, Bildpaaren, Fehlersuchbildern, Audiorätseln und mehr.“ Einerseits wurde die Wirksamkeit der Intervention untersucht, andererseits können mit Hilfe der gewonnenen Daten neue Wege im Monitoring und in der Diagnostik dieser Krankheit beschritten werden. Silvia Russegger vom Joanneum Research Digital erzählt, durch welche Beobachtungen das Projekt entstanden ist: „Wir haben untersucht, wie verschiedene Technologien bei älteren Menschen angenommen werden.“ Im Rahmen des Projekts „Amiga“ wurde der Soziale Roboter-Gefährte „Pepper“ in der Betreuung von Demenzkranken eingesetzt. Pepper kann sprechen, hören, gestikulieren, tanzen und sich sogar mit einem Gesprächspartner austauschen. Silvia Russegger: „Das hat überraschenderweise sehr gut funktioniert.“ Die Menschen hätten über das Tablet mit dem attraktiven Pepper kommuniziert und fanden dies „überhaupt nicht eintönig und langweilig“.

Wie helfen die medizinische Assistenzsysteme in der Rehabilitation?

Die Anwendung von Computerspielen in der Physiotherapie punktet durch Motivation und Engagement im Spiele-Erlebnis. Diese Vorzüge sind wichtige Variablen in der Therapie, weil sie das Erfolgssystem im Gehirn aktivieren. Daher macht die Gamification therapeutischer Behandlungen Sinn, weil Spiele das motorische und kognitive Verhalten positiv beeinflussen und die Behandlung von neurologischen Defiziten ermöglichen. Bei der Entwicklung wird auch die soziale Interaktion und menschliche Wahrnehmung berücksichtigt.

Österreichische Krankenkassen zahlen den Einsatz von Assistenzsystemen nur eingeschränkt. Die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen hat eigene telemedizinische Leistungen entwickelt wie die App „Leichter Leben“ zur Ernährung und Stressprävention (www.gesundheitszentrum-selbstaendige.at/medizinische-leistungen/telemedizin). Diese erfüllen aber nicht den Ansatz der Gamification, können nicht zur kognitiven Förderung eingesetzt werden und setzen auch keinen Anreiz zur motorischen Betätigung.

In Deutschland ist man hier schon einen Schritt weiter gegangen. Auf einer eigenen Webseite (https://diga.bfarm.de) sind alle digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) wie Apps oder browserbasierte Anwendungen zu finden, die ein geringes Risiko in der Verwendung aufweisen und dem Patienten unmittelbar zu Gute kommen. Die digitalen Gesundheitsanwendungen können damit von Ihrem Arzt verschrieben oder bei entsprechender Diagnose direkt von Ihrer gesetzlichen Krankenkasse erstattet werden.    //

„Die Patienten erleben individuelle Autonomie“

Anita Kidritsch erzählt, wie sich Patienten in digitalen Spielkonzepten geradezu verlieren können und sich selbst aktivieren.

Frau Kidritsch, wer sind Ihre Studenten?
Anita Kidritsch: Das sind in der Regel Personen mit technischer ebenso wie mit gesundheitlicher Qualifikation, beispielsweise aus dem Smart Engineering, Design, Development und Projektmanagement. Manche kommen aber auch aus der Medizintechnik oder Pflege. Die Bandbreite reicht bis hin zur Physiotherapie und Radiologietechnologie.

Werden die Studenten nur in der Anwendung der verschiedenen Technologien geschult oder auch in der Motivation der Patienten, damit diese die digitalen Anwendungen tatsächlich regelmäßig nützen? Worin liegt der Ausbildungsschwerpunkt?
Der personenzentrierte Ansatz ist wesentlich. Es bedarf der Schulung medien-pädagogischer Kompetenzen. Lernende brauchen eine Anleitung in der Reflexion ihrer eigenen Lernprozesse, die sie im Perspektivenwechsel in die Rolle von PatientInnen unterstützt. Ein Verständnis individueller Herausforderungen und Anreize für Verhaltensänderungen ermöglicht ihnen, die Motivation ihrer PatientInnen gezielt zu fördern.

Welchen Stellenwert nehmen spielerische Digitalkonzepte in der digitalen Rehabilitation ein?
Gamification spielt sowohl in der motorischen als auch kognitiven Rehabilitation eine Rolle. Die Programme fördern die physische und psychische Aktivität durch individuelle Anpassung des Trainingsniveaus. Die Patienten erleben individuelle Autonomie und gezielte Feedback-Prozesse, grundlegende Prinzipien von motorischem Lernen und Neuroplastizität. Anwendungen, in die die Patienten eintauchen können, ermöglichen zusätzliche Identifikation mit dem Erlebten.

Wie schaut die Kostendeckung durch die Krankenkassen für diese Art von Reha aus?
Abhängig von Kostenträger, Produkt, Diagnose und Verordnung gibt es Möglichkeiten der Finanzierung von zertifizierten Medizinprodukten. Ein Nachweis der Wirksamkeit kann über medizinische Befunde bzw. Daten entsprechender Assessments gefordert werden. Der Vertrieb erfolgt üblicherweise über MedizintechnikerInnen bzw. Firmen selbst. Die Anwendung bedarf einer Schulung durch konkrete betreuende Gesundheitsberufe.

DIRENE­Koordinatorin.
Anita Kidritsch ist Dozentin am Institut
für Gesundheitswissenschaften
an der FH St. Pölten und internationale
Koordinatorin von DIRENE

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