Achtung, Umbau! Über die Sanierung der österreichischen Spitäler

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Autor: Martin Hehemann

Österreichs Spitäler sind in die Jahre gekommen. Sanierung oder Modernisierung bei laufendem Betrieb ist dabei alles andere als trivial. Experten verraten, worauf es ankommt.

Der Start für die „Operation Umbau“ verlief wie geplant: Der Wettergott hatte ein Einsehen. Der zeremonielle Spatenstich wurde von allen Beteiligten unfallfrei absolviert. „Mit einer Investition von 57 Millionen Euro wird bis 2028 umgebaut, renoviert und saniert, um die Abläufe für PatientInnen und MitarbeiterInnen zu optimieren“, gab das Management des Pyhrn-Eisenwurzen Klinikums Steyr anschließend bekannt. Konkret wird im Klinikum Steyr die gesamte Notfallversorgung zusammengelegt. Zudem wird der Zentral-OP-Bereich ausgebaut: Sieben OP-Säle stehen dann in einem Gebäudekomplex zur Verfügung.

Das Umbauprojekt in Steyr ist eines von vielen. In Österreich müssen zahlreiche Kliniken saniert, umgebaut und modernisiert werden. „Die Situation zeigt sich dabei von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. Die heimische Spitallandschaft ist heterogen“, meint Petra Herzog, Beraterin bei Solve Consulting, einem Wiener Beratungsunternehmen, das sich auf das Gesundheitswesen spezialisiert hat.

Der Pavillon hat ausgedient. Moderne Kliniken funktionieren nach anderen Konzepten als noch vor hundert Jahren. Eine Modernisierung braucht Geld, gute Pläne – und Mut.

6,6 bis 7,9 Milliarden

In der „Krankenanstalten-Studie 2021“ nannte das Beratungsunternehmen Roland Berger den Zustand der österreichischen Krankenhäuser „schwer angeschlagen“. Im Juni 2022 präsentierte der Wiener Gesundheitslandesrat Peter Hacker das nach Eigenangaben „größte Investitionsprogramm des Wiener Gesundheitsverbundes“. Es sieht eine umfassende Neugestaltung der städtischen Spitäler bis 2040 vor. Besonders in die älteren Krankenhäuser soll massiv investiert werden. Die ÖKZ berichtete. Die Kosten für das Gesamtprojekt: Kalkuliert wird mit 6,6 bis 7,9 Milliarden Euro.

Viele Gebäude sind baulich schlicht sanierungsreif. Dazu kommt der technologische Wandel. „Krankenhäuser haben eine gewisse Lebensdauer, die irgendwann überschritten ist“, erläutert Martin Knoll, ebenfalls Berater bei Solve Consulting. „Vor 40 Jahren gab es praktisch keine medizinische Krankenhaus-IT. Und vor fünfzehn Jahren hat kaum jemand daran gedacht, ein leistungsfähiges WLAN-Netzwerk zu installieren.“ Heute kommt keine Klinik ohne diese Einrichtungen aus.

Vom Wandel überholt

Ähnlich dynamisch hat sich die Medizin selbst entwickelt. „Nehmen Sie nur die minimalinvasiven Eingriffe. Heute sind Eingriffe möglich, die vor zehn Jahren undenkbar waren“, so Knoll. Und das habe Auswirkungen auf die Infrastruktur. Früher habe ein Patient nach einer Knieoperation mehrere Tage im Spital verbracht. Heute könne er es nach einer Arthroskopie rasch wieder verlassen. „Tagesklinische Behandlungen nehmen deutlich zu. Darauf muss das Spital sich einstellen – organisatorisch und baulich“, meint Knoll.

Die Solve-Berater begleiten pro Jahr rund zehn Spitäler bei größeren oder kleineren Umbau- und Reorganisationsprojekten. Eines davon ist das Salzkammergut Klinikum, das zur Ober­österreichischen Gesundheitsholding (OÖG) gehört. Das Klinikum betreibt Häuser an drei Standorten. Für zwei davon – die Häuser in Bad Ischl und Gmunden – hat das Solve-Team rund um Herzog und Knoll das Spital unterstützt, einen „Masterplan“ zu entwickeln.

„Der Masterplan definiert die notwendigen baulichen und organisatorischen Anpassungen der Krankenhausstruktur an die heutigen und zukünftigen Erfordernisse“, so Herzog. Auf Basis von strategischen Zielen und Soll-Leistungs- und Kapazitätsdaten werden in einem ersten Schritt Organisationskonzepte und Funktionsschemata für optimale Abläufe und Raumprogramme zur Flächenabschätzung entwickelt. Darauf basierend erstellt man Lösungsvarianten als „Zonenpläne“ und legt fest, welche Funktionen wo im Gebäude angesiedelt werden. Das Ziel: die Arbeitsabläufe im Krankenhaus optimal unterstützen. „Unter Berücksichtigung der Funktionalität, der Kosten und eines möglichen Bauphasenplanes wird dann eine Best-Variante ermittelt“, meint Herzog.

In Gmunden stand man vor einer vertrackten Situation: Die Ambulanzen von Unfallchirurgie und Orthopädie befinden sich im Erdgeschoss auf der gleichen Ebene, sind aber räumlich und organisatorisch getrennt. Synergien: deutlich optimierbar. Zudem werden tageschirurgische Operationen durchgeführt – also Eingriffe, nach denen die Patienten am gleichen Tag wieder die Klinik verlassen können. In der Ambulanz sind jedoch keine ausreichenden Nachbetreuungsmöglichkeiten für diese Patienten vorhanden.

Eine Lösung mit zwei Maßnahmen

Die Lösung, die das Projektteam aus Spitalsmitarbeitern und Beratern erarbeitet hat, sieht zwei Maßnahmen vor. Erstens: Die beiden Ambulanzen im Erdgeschoss werden zu einer zusammengeführt. Zweitens: Im ersten Obergeschoss wird eine „operative Tages- und Wochenklinik samt same-day-surgery-Bereich“ geschaffen. Hier werden in Zukunft sämtliche Patienten betreut, die nicht über einen längeren Zeitraum stationär aufgenommen werden müssen. Der Vorteil der beiden Maßnahmen: „Die Kapazitäten in der Ambulanz können besser genutzt und die Patienteninnen und Patienten besser betreut werden“, meint Solve-Berater Knoll. „Zudem werden die stationären Bereiche entlastet, da die Kurzzeit-Fälle in einem eigenen Bereich betreut werden.“

Bis Patienten und Personal in den Genuss der neuen Struktur kommen, wird allerdings noch etwas Zeit vergehen. Denn noch haben die Bauarbeiten nicht begonnen. Und diese werden die Beteiligten vor beträchtliche Herausforderungen stellen.

„Der Umbau eines bestehenden Hauses bei laufendem Betrieb erfordert deutlich mehr Planung als der Neubau auf der grünen Wiese“, meint Reinhold Mittermayr, der in der OÖG für Bau und Haustechnik verantwortlich ist. Ein ganz entscheidender Faktor für den Projekterfolg aus seiner Sicht: „Kommunikation. Je besser die Erwartungshaltungen und Fakten ausdiskutiert sind, desto größer ist das Commitment.“ Nachsatz: „Das steigert am Ende auch die Zufriedenheit mit dem Ergebnis.“ 

Fünf Tipps für die Operation Umbau

  1. Strategie
    Jedes Haus benötigt eine Strategie für die kommenden 10 bis 20 Jahre: Welche Anforderungen stellt die Öffentliche Hand? Wie soll die Klinik langfristig mit welchen Schwerpunkten positioniert werden?
  2. Masterplan
    Was bedeutet die Strategie für die Spitäler und Abteilungen? Wie schauen die organisatorischen Prozesse und baulichen Strukturen aus? Welche Umbauarbeiten sind notwendig?
  3. Kommunikation
    Holen Sie das Commitment aller Beteiligten und Betroffenen ein. Das gilt auch für Bereiche, die unter den Bauarbeiten leiden werden – Stichwort: Lärm und Staub. Sie können nicht zu viel kommunizieren.
  4. Realistische Planung
    Kalkulieren Sie Zeit und Kosten faktenbasiert.
  5. Nachhaltige Lösungen
    Flüchten Sie nicht in provisorische Lösungen. Investieren Sie in nachhaltige Projekte, die für die nächsten 20 bis 30 Jahre funktionieren.

Quellen und Links:

Krankenanstalten-Studie Roland Berger 2021

Studie von PWC 2023: Der Modernisierungsstau in deutschen Krankenhäusern wächst weiter

Website von Solve Consulting