ECR: Besserer Durchblick

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Autor: Josef Ruhaltinger

Der Europäische Radiologenkongress ECR bringt jedes Jahr Europas führende Fachexperten nach Wien. KI-Diagnostik und photonenzählende CTs bestimmen die Themen.

Sie konnten ihre Begeisterung nur schwer im Zaum halten. Für den Berufsstand der Radiologen kommt dies praktisch einem Ausnahmezustand gleich. Helmut Prosch, Sektionsleiter für Thoraxbildgebung am AKH Wien, und Dietmar Tamandl, Abteilungsleiter für Körper-CT ebendort, präsentierten in einer Nebenveranstaltung zum Radiologenkongress 2024 in Wien ihre Erfahrungen mit photonenzählenden CTs. Die neue Scanner-Generation kam Ende 2021 auf den Markt. Siemens Healthineers hatte der Medizinischen Universität Wien bereits zuvor ein Vorausmodell des NAEOTOM Alpha zur Verfügung gestellt, den bislang einzigen kommerziell verfügbaren CT-Scanner mit zugelassener Photon Counting-Technologie. Diese Technologie erlaubt es, die Anzahl und Energie der Röntgenphotonen individuell zu messen, was eine deutlich feinere Gewebedifferenzierung und eine höhere räumliche Auflösung von bis zu 0,2 Millimetern ermöglicht. „Jetzt sind wir imstande, schärfere Bilder zu erzeugen – und auch Bilder mit schärferem Kontrast“, so die beiden Radiologen im Gespräch mit der Ärztewoche. Auch sei der Bildkontrast höher und das alles bei einer stark verminderten Strahlendosis. Die Radiologen zeigten die Fortschritte der hochauflösenden CTs am Beispiel von karzinogenen Lungenscans. Selbst Laien vermochten auf den mit Photon Counting erstellten Bildern mehr als nur Schatten zu erkennen. Ein auf der Messe anwesender Facharzt verglich die Technologie „mit dem Übergang vom Schwarzweißfernsehen zum hochauflösenden Farbfernsehen“. Mit dem hohen Detaillierungsgrad erlaube sie präzisere Diagnosen und verbesserte klinische Entscheidungen. Die Einsatzgebiete der photonenzählenden CTs sind unbegrenzt. Sie reichen von der Kardiologie, Onkologie, Pulmologie über die Neurologie und weiter: Die photonenzählenden CTs setzen in der bildgebenden Diagnostik neue Standards.

Hohe Ausstrahlung. Der Europäische Radiologen­kongress lockte 19.000 Experten des bildgebenden Faches nach Wien. In keinem medizinischen Fach ist die KI so fortgeschritten wie in der radiologischen Diagnostik.

Schnelleres MRT

Siemens Healthineers präsentierte zudem eine neue Generation von MRT-Scannern, die mit weniger Helium auskommen und eine automatisierte Wiederherstellungsfunktion nach einem Stromausfall bieten. Zu den hervorstechenden Eigenschaften der neuen MR-Generation gehört die massive Reduktion des für die Kühlung der Magneten nötigen flüssigen Heliums: von bis zu 1.500 Litern auf 0,7 Liter. Das spart Kosten – und es spart auch das baupolizeilich vorgeschriebene Löschrohr, mit dem im Störfall entstehendes gasförmiges Helium ins Freie abgeleitet werden muss. Dies erlaubt in den Kliniken und Fach­ordinationen eine deutlich flexiblere Raumplanung – zumal der 2 Meter kleine Apparat durch jede Tür passt. Zweite Neuerung ist die automatische Wiederherstellungsfunktion nach einem Stromausfall. Das System fährt automatisch herunter und auch wieder hoch – und versetzt sich von selbst in den Arbeitsmodus, was den Apparat auch in Gegenden mit schwankender Stromversorgung einsetzbar macht. Mithilfe von KI wurde der neue MR-Apparat auch deutlich schneller: Durch eine deutlich flexiblere Patientenpositionierung sinkt die Bildaufnahmezeit von 30 auf zehn Minuten. Das führt dazu, dass Patiententermine im 20-Minuten-Takt vergeben werden können.

No Helium. Magnetom Flow

Verbessertes Angiographiesystem

Philips präsentierte auf der ECR-Messe erstmals sein Angiographie System Azurion, das um ein neuro-biplanares System erweitert wurde. Dadurch sollen neurovaskuläre Interventionen bei Schlaganfällen deutlich verbessert werden, wie Fryderyk Czajkowski, Business Manager für Image Guided Therapy Systems bei Philips DACH, unterstreicht. Das neue Modell weise eine komplett neue Geometrie auf. Dadurch kann es schneller und in fast jede Richtung bewegt werden. Die verbesserte Flexibilität erlaubt beispielsweise eine schnellere Vorbereitung von 3D-Aufnahmen, was bei Schlaganfallinterventionen essenziell ist, um das Volumen vom Kopf komplett aufzunehmen. So kann deutlich rascher diagnostiziert und therapiert werden. Bis Ende des Jahres sollen die ersten Geräte im deutschen Sprachraum installiert werden.

Canon Medical mit zwei neuen CTs

Canon Medical stellte auf der ECR zwei neue CTs für Herz- und Lungen-Scans vor. Die neuen Apparate verwenden eine spezielle Technologie, die sich Silver Beam nennt. Dabei handelt es sich um einen Röntgenstrahlfilter, der Lungenscreenings und die Lungen-CT-Aufnahme bei besonders niedriger Dosis durchführen lässt. Die Cardio-CTs scannen nach dem gleichen Prinzip mit wenig Dosis. Dabei verwenden die Systeme Modelle der Künstlichen Intelligenz zur Bildrekonstruktion. Die Software rechnet mithilfe der KI die mit niedriger Strahlendosis generierten Bilder in High-Resolution hoch. Als weiteren Vorteil nennt Canon das Instinx Workflow Konzept, das die CT-Bedienung so einfach macht „wie die Bedienung eines Smartphones“.

Preis für postmortale CT-Technik

Es wurden auch Preise verliehen. Eine spezielle Auszeichnung erfuhr Andreas Heinrich vom Universitätsklinikum Jena. Der forensische Radiologe wurde für die Entwicklung einer postmortalen CT-Technik zur eindeutigen Identifizierung von Leichen prämiert. Er präsentierte am Kongress eine Methode, Computer-Vision-Merkmale aus Bildern, beispielsweise Orthopantomogrammen (OPGs), zu extrahieren und diese in einer Datenbank zu speichern. Spezielle Software erlaubt es, die visuellen Informationen zu analysieren und zu verstehen. Sobald ein bestimmter Grad an Ähnlichkeit der Computer-Vision-Merkmale zwischen dem Obduktionsbild und dem Antemortem-Referenzbild von der Mustererkennung festgestellt wird, kann eine unbekannte verstorbene Person laut Andreas Heinrich „mit hoher Wahrscheinlichkeit identifiziert werden“.

Der Europäische Radiologenkongress ist der unbestrittene Treffpunkt für Fachleute aus dem Bereich der medizinischen Bildgebung. Rund 19.000 Teilnehmer aus 127 Ländern und 230 ausstellende Unternehmen informierten sich über die Trends der „Next Generation Radiology“. ESR-Präsident Carlo Catalano: „Zum Abschied vom ECR 2024 stehen wir an der Schwelle einer neuen Ära in der Radiologie – einer Ära, die von Innovation, Zusammenarbeit und grenzenlosen Möglichkeiten geprägt ist“: Innovative Technologien erlauben in der Radiologie eine neue Definition der Patientenversorgung. Und diese gelte es zu nutzen. 

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