CoPilot Gesundheit: Die Entwicklung einer Patient Journey-App

Lesedauer beträgt 4 Minuten
Autor: Gerald Sendlhofer

Was machen Patientinnen und Patienten, wenn sie sich auf den Operationstermin vorbereiten sollen? Sehr oft leider sehr wenig. Eine steirische Gesundheits-App betreut Patientinnen und Patienten vor und nach der Operation.

Generell liegt die Gesundheitskompetenz (engl. Health Literacy) der Menschen in Österreich unter dem europäischen Durchschnitt. Dies zeigte die erste Erhebung zur Österreichischen Gesundheitskompetenz (HLS-EU 2011). Die Ergebnisse wurden weitgehend durch die zweite Studie 2019 (HLS19-AT) bestätigt. Gesundheitskompetenz bedarf daher einer intensiven Stärkung und das nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Ländern Europas. Patient*innen-Informationen und Anleitungen zu der jeweiligen Erkrankung, Vorbereitung auf eine Operation oder Handlungsempfehlungen für die Zeit nach einem Eingriff sind in der Medizin ein sehr wichtiges Thema und können die individuelle Gesundheitskompetenz der betroffenen Menschen stärken.

Digitaler Begleiter. Eine neue Gesundheits-App informiert Patienten vor und nach einer Operation, welche Maßnahmen und Übungen den Heilungsprozess optimal unterstützen.

Je nach Indikation und der dazugehörigen therapeutischen notwendigen Maßnahme ist die übermittelte Information an Patientinnen sehr umfangreich. Dies kann dazu führen, dass Patient*innen und deren Angehörige mit der Informationsflut überfordert sind. Informationen können vergessen werden oder auch verloren gehen. Dadurch entstehen für die Patientinnen Risiken mit potenziell negativen Auswirkungen, die einen Einfluss auf den Behandlungserfolg oder die Genesungsdauer haben können. In weiterer Folge kann auch der sogenannte „Drehtüreffekt“ auftreten, indem Patient*innen unnötigerweise mehrmals in eine Gesundheitseinrichtung kommen müssen, da sie gewisse Empfehlungen nicht adäquat umgesetzt oder eben nicht verstanden haben. Durch den Drehtüreffekt entstehen wiederum vermeidbare Mehraufwände auf beiden Seiten, wie Ressourcenbindung.

Als Beispiel dient eine elektive Hüftoperation. Der/die Patientin erhält die Indikation zur Operation. Für einen optimalen Behandlungsverlauf braucht es ein entsprechendes Mitwirken in der Vorbereitung zur Operation. Eine OP bedingt eine Unterbrechung der Arbeitsfähigkeit oder Veränderung des Alltags mit meist vorrübergehender Pflegebedürftigkeit bzw. hat man nach dieser Operation einen Rehabilitations- oder Re-mobilisationsbedarf. Zusätzlich benötigt man therapeutische Maßnahmen wie Physiotherapie, Wundmanagement etc.

Die Wartezeit bis zu der bevorstehenden Operation kann durchaus bis zu einem Jahr betragen. Diese Zeit kann ein Patient, eine Patientin nutzen, um den Behandlungserfolg zu verbessern. So kann man lernen, wie man mit Krücken geht, man kann eine mögliche Anämie abklären, das häusliche Umfeld sturzsicherer gestalten oder sich schon frühzeitig um einen Rehabilitationsaufenthalt kümmern.

Gesundheits-App als neues Hilfsmittel

Zu diesem Zweck wurden in Deutschland schon vor vielen Jahren sogenannte „Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA)“ entwickelt. DiGA sollen unterstützen und einen Mehrwert für das Gesundheitswesen und Patient*innen bringen. DiGA sind nichts anderes als Apps auf Rezept und sind CE-gekennzeichnete Medizinprodukte. DiGA werden von Ärztinnen wie ein Medikament verschrieben. Das Verzeichnis der DiGA umfasst gemäß des deutschen Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM derzeit 69 DiGa in den Indikationen Atem­wege, Herz-Kreislauf, Krebs, Psyche oder Verdauung u.v.a.

Im Jahr 2023 gab es in der Steiermark den Call „Digital!Health­care“ und aus diesem Call erhielt die Research Unit for Safety and Sustainability, Med Uni Graz die Fördermittel, um eine Webbasierte App für eine Indikation zu entwickeln. Die WebApp wird die Patientin bzw. den Patienten vor und nach der Operation begleiten und so eine Orientierung entlang des Gesundheitspfades bieten. Durch die Nutzung der Applikation geht es keineswegs darum, den Arzt oder die Ärztin zu ersetzen. Die Software mit dem Namen „CoPilot-Gesundheit“ soll eine Unterstützung für alle sein.

Entwickelt wird die Gesundheits-App gemeinsam mit einem IT-Partner. Im April wird die Klinische Studie an der Med Uni Graz starten – mit dem Ziel, bis zum Jahresende ca. 50 bis 100 Patient*innen einzuschließen. Fokus dabei wird sein, Erfahrungen der User im Umgang mit der App zu erhalten. Die Teilnehmer*innen erhalten einen personalisierten Login und bekommen Monate davor regelmäßig Informationen zur Vorbereitung auf die Operation. Es werden Anregungen gegeben: Die Informationen enthalten Schulungsvideos, Reha-Hinweise, Ernährungs- und Bewegungstipps, Untersuchungen im niedergelassenen Bereich oder auch Hinweise zu den nächsten anstehenden Terminen. Kurz vor der Operation ist dann der OP-Aufklärungsbogen ein wichtiges Thema. Diesen erhält man im Vorfeld, um ihn in Ruhe durchzulesen und Fragen zu notieren, die man dann beim persönlichen Gespräch mit dem Arzt bzw. der Ärztin stellen kann. In Zukunft wird das Aufklärungsgespräch telemedizinisch erfolgen. Gerade für Patient*innen mit weiten Anfahrtswegen und/oder eingeschränkter Mobilität ist das ein großer Vorteil. Nach der Operation unterstützt der CoPilot-Gesundheit den Heilungsweg.

Spielerische Elemente

In der App sind auch Gamification-Elemente berücksichtigt, um die Patient*innen zu motivieren. Push-Nachrichten erinnern an ausständige Aufgaben. Der CoPilot-Gesundheit bietet auch noch den Vorteil für Patient*innen, dass ein Angehöriger die Betroffenen navigieren kann. Der CoPilot-Gesundheit kann so unterstützen, wo eventuell andere Schwächen im Umgang mit digitalen Anwendungen haben. Vorteil ist auch, dass der Angehörige auch disloziert vom Verwandten sein kann.

Besser informierte Patient*innen profitieren durch bessere, zielgerichtete und nachhaltig verfügbare Informationen wie auch das Gesundheitswesen im Allgemeinen profitiert (Stichwort „Gesundheitskompetenz, Stichwort „Drehtürpatient*in“).

Diese App-Anwendung mit erweiterbaren Features kann auch dazu beitragen, dass der bereits angespannte Klinikalltag entlastet wird. Auch ermöglicht eine App-Anwendung mit telemedizinischen Elementen die Unterstützung flexibler Arbeitsmodelle für Gesundheitsdienstleiter*innen wie Home Office-Tätigkeiten zur Durchführung von Aufklärungs- oder weiterführenden Gesprächen zur Informations- und Wissensvermittlung. Hüftoperationen sind nur einer von mannigfaltigen Anwendungsbereichen des CoPilot-Gesundheit. Neben weiteren Operationen ist auch die Geburt ein Anwendungsfall für die eHealth-Anwendung.

Gemäß der DiGA-Übersicht beim BfArM gibt es derzeit kein vergleichbares Produkt. Bis Ende 2025 wird die klinische Erprobung abgeschlossen sein, ab 2026 wird das Produkt ausgerollt.

Der Markt mit digitalen Unterstützungstools ist rasant wachsend, und man kann generell nur mehr einen kleinen Teil dieser Entwicklungen überblicken. Aus diesem Grund findet am 29.–30.9.2025 der Kongress zum Thema „Bits & Bytes – Das Krankenhaus der Zukunft“ in Graz statt (www.digitaleskrankenhaus.at). Führende Experten aus dem In- und Ausland werden Einblicke zu vielen „brennenden“ Themen und Entwicklungen geben. Es werden auch die Themenbereiche Ethik und Recht im KI-Kontext, Patientensicherheit oder securITy behandelt, es werden Entwicklungen präsentiert und der Blick in die Zukunft gerichtet. 

Über den Autor:
Priv.-Doz. Mag. Dr. Gerald Sendlhofer

Leiter der Stabsstelle QM-RM,
LKH-Univ. Klinikum Graz
Senior Scientist Research Unit for Safety and Sustainability in Health Care,
Med Uni Graz

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren: