Abnehmspritzen für Typ-1-Diabetiker in Diskussion

Lesedauer beträgt 3 Minuten
Autor: Scho

In den vergangenen Monaten haben die ursprünglich aus der Behandlung des Typ-2-Diabetes (primär nicht-insulinabhängiger Diabetes) stammenden „Abnehmspritzen“ wie Wegovy & Co. international für Aufsehen gesorgt. In Zukunft könnten sie sogar eine zu Insulin ergänzende Rolle in der Behandlung des primär insulinabhängigen Typ-1-Diabetes erlangen. Das geht aus einem Statement von internationalen Experten mit österreichischer Beteiligung hervor.

Vor einigen Wochen haben Viral Shah (Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel der Indiana University School of Medicine/Indianapolis) und seine Co-Autoren, unter ihnen Julia Mader von der MedUni Graz, im „Journal of Diabetes Science and Technology“ ein Konsensus-Statement zur möglichen Rolle der GLP-1- und GIP-Rezeptoragonisten (Substanzen wie Semaglutid oder Tirzepatid etc.) veröffentlicht.

Für Typ-2-Diabetiker sind die Medikamente seit Jahren zugelassen. In den vergangenen Jahren wurde die Verwendung zur Gewichtsabnahme bei Adipösen (Typ-2-Diabetiker und Nicht-Diabetiker) etabliert. Es zeigten sich zusätzlich positive Effekte bei Herz-Kreislauf-, Nierenerkrankungen etc. Für Typ-1-Diabetiker, die mit Ausbruch der Erkrankung Insulin spritzen müssen, sind die Pharmazeutika bisher nicht zugelassen. Die Kontrolle ihres Blutzuckers muss ja über das zugeführte Insulin laufen.

Doch es gibt Interesse, wie die Wissenschafter schrieben: „Angesichts der zunehmenden Verbreitung von Fettleibigkeit und Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht ein wachsendes Interesse an der Verwendung von Glucagon-ähnlichen Peptid-1-Rezeptoragonisten (GLP-1RAs) als Zusatztherapie bei Typ-1-Diabetes.“ Von den Arzneimittelbehörden seien sie bisher dafür nicht zugelassen. Es fehle an den entsprechenden klinischen Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit bei Typ-1-Diabetikern.

Doch vielleicht könnten die Arzneimittel eine zusätzliche Hilfe bei Patienten mit Typ-1-Diabetes und Insulinpumpentherapie (automatisierte Insulinabgabesysteme – AID) sein, wird argumentiert. Trotz der besten verfügbaren Systeme erreichten nur 50 Prozent der Erwachsenen die optimalen mittelfristigen Blutzuckerwerte (HbA1c von weniger als sieben Prozent).

Die Wissenschafter erläuterten: „Darüber hinaus nehmen Übergewicht und Fettleibigkeit bei Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes zu. Fettleibigkeit ist mit Insulinresistenz, höheren Insulindosen und einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden.“ Somit seien eben ergänzende Therapien zu Insulin erforderlich, um die häufig auftretende starke Gewichtszunahme, die körpereigene Resistenz gegen das per Injektion zugeführte Insulin und ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko in den Griff zu bekommen. Man will sozusagen die zusätzlichen positiven Nebeneffekte der Medikamente, die ursprünglich für Typ-2-Diabetiker gedacht waren, nutzen.

Zulassung ausständig

Nach mehreren Beratungen formulierte das Expertenkomitee umfangreiche „starke Empfehlungen“. Im Grunde sprechen sich die Fachleute für die Verwendung von Semaglutid, Tirzepatid und ähnlichen Substanzen bei Typ-1-Diabetes aus – auch für Patienten mit Insulinpumpen. „GLP-1RA-basierte Therapien sollten als Zusatztherapie bei bestimmten Populationen von Menschen mit Typ-1-Diabetes in Betracht gezogen werden, beispielsweise bei Erwachsenen mit Übergewicht und Fettleibigkeit, Insulinresistenz oder erhöhtem Insulinbedarf, die keine optimalen Blutzuckerwerte erzielen können.“ Das gelte auch für Personen mit Insulinpumpen und hohen Blutzuckerspitzen nach dem Essen und für Typ-1-Diabetiker mit einem großen Risiko für Herz-Kreislauf- und chronischen Nierenerkrankungen.

Die Voraussetzung wäre allerdings die Zulassung der Verwendung dieser Medikamente auch für Typ-1-Diabetiker durch die Arzneimittelbehörden wie FDA (USA) oder EMA (EU). „Hersteller einmal wöchentlich zu verabreichender GLP-1-Rezeptoragonisten sollten diese Produkte an Personen mit Typ-1-Diabetes testen, die Insulinpumpen verwenden. Dadurch wird die Beweislage gestärkt, eine behördliche Zulassung kann beantragt werden, wenn sich diese Mittel als sicher und wirksam erweisen.“ Bis dahin dürfte es aber noch einige Zeit dauern.

Die Fachpublikation finden Sie hier.

(APA/red.)

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