Bei einer Atemwegserkrankung hören Ärztinnen und Ärzte genau hin: Wie klingt der Husten? Bei Patientinnen und Patienten mit Atemwegserkrankungen hilft jetzt eine Künstliche Intelligenz auch außerhalb der Sprechstunde: „ResGuard Med“ überwacht nächtlichen Husten und warnt vor einer möglichen Verschlechterung. Das ist nicht nur bei chronischen, sondern auch akuten Erkrankungen wie COVID-19 möglich.
Im Interview mit MEDICA.de erklärt Dr. Peter Tinschert, wie „ResGuard Med“ die Funktionen bestehender medizinischer Apps erweitert und wie die Software Menschen mit Atemwegserkrankungen helfen kann.
Herr Dr. Tinschert, was genau ist „ResGuard Med“ von Resmonics?
Dr. Peter Tinschert: Das ist ein Software Development Kit, also eine Software, die in bereits existierende medizinische Apps integriert werden kann. Die enthaltene akustische KI analysiert Daten, die mit dem Mikrophon des Smartphones aufgenommen werden. Wir haben uns dabei auf den nächtlichen Husten bei Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen, zu Beginn vor allem mit Asthma, fokussiert. Die KI kann Patientinnen und Patienten über Symptomverläufe informieren und auf dieser Basis auch Aussagen über den Verlauf der Erkrankung und eine Vorhersage treffen.
Woher kommt die Idee, diese Ergänzung zu bestehenden Apps anzubieten?
Tinschert: Wir haben festgestellt, dass viele Apps im Vergleich zu bestehenden analogen Lösungen keinen klaren Mehrwert für die Behandlung bringen. Das Smartphone hat mit seinem Mikrophon demgegenüber Vorteile. Bei chronischen Atemwegserkrankungen ist das Problem häufig, dass die Überwachung nicht so regelmäßig durchgeführt wird, wie es wünschenswert wäre. In der Folge werden Verschlechterungen, sogenannte Exazerbationen, nicht rechtzeitig erkennt. Für Patientinnen und Patienten ist es aber ein klarer Vorteil, wenn man eine Exazerbation therapeutisch noch verhindern kann. Im Fall von Asthma können wir, auf Basis des Hustens, drei von vier Asthma-Attacken bis zu vier Tage im Voraus vorhersagen. Eine solche Erweiterung ist, wenn man den Markt der medizinischen Apps betrachtet, sehr sinnvoll. Es gibt für das Management chronischer Atemwegserkrankungen bereits gute Apps. Viele Unternehmen auf dem Gebiet haben aber weder die Zeit noch das Budget oder die Expertise, selbst eine ähnliche KI-basierte Lösung zu entwickeln.
Wie wird eine App mit „ResGuard Med“ benutzt?
Tinschert: Je nach App und Betriebssystem muss das nächtliche Monitoring entweder von Hand gestartet werden oder es startet automatisiert. Nutzerinnen und Nutzer sehen dann am nächsten Morgen eine „Hustenampel“, die in grün, gelb oder rot anzeigt, wie oft und wie heftig sie gehustet haben oder ob dieser Husten Anlass für eine vorbeugende Handlung sein sollte. Mit „ResGuard Med“ können bestehende medizinische Apps den nächtlichen Husten von Patientinnen und Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen überwachen. So kann eine wichtige Lücke in der Überwachung dieser Erkrankungen geschlossen werden.
Ist damit auch eine Aussage über spezifische Erkrankungen möglich, im Sinne einer Diagnostik?
Tinschert: Der Diagnostikmarkt wäre im Prinzip auch interessant. Es ist aber aus der Businessperspektive sehr anspruchsvoll, dort einen guten Weg zu finden. Auf Basis unserer Forschung gehen wir davon aus, dass wir auf Basis des Smartphones allein keine gesicherte Diagnose stellen könnten, weil das eingebaute Mikrophon bei vielen Smartphones eine zu geringe Qualität hat. Deshalb müsste man mehrere Parteien einbinden, was alles komplexer macht. Es gibt Unternehmen, die das machen. Das sind aber keine Lösungen, die Nutzenden direkt eine Diagnose ausstellen. Die Daten werden stattdessen in die Cloud übertragen, wo sie analysiert und an medizinische Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer übertragen werden, die dann eine Beurteilung abgeben. Ob es dann die Einschätzung der KI überhaupt noch braucht, ist fraglich. Vor allem, wenn man die eher geringen Margen des Telemedizin-Markts mitberücksichtigt. Stattdessen sehen wir ein viel größeres Potential für KI, die Menschen mit bereits bekannten Lungenerkrankungen unterstützt. KIs bieten viele Möglichkeiten, sind häufig aber nicht so entwickelt worden, dass sie im Alltag so nützlich sind, wie man es gerne hätte. Für uns stand die Alltagstauglichkeit der Anwendung im Fokus. So hat sich eher das Monitoring, nicht die Diagnostik, angeboten.
Sie haben begonnen mit Blick auf Asthma – sind noch weitere Krankheiten hinzugekommen, über die Schlüsse möglich sind?
Tinschert: Ab April 2020 haben wir uns auch mit COVID-19 beschäftigt, da hier Husten eines der Leitsymptome ist. In einer Studie mit dem Kantonsspital St. Gallen haben wir unsere Technologie bei hospitalisierten Patientinnen und Patienten mit COVID-19 eingesetzt und überprüft, ob die Entwicklung des Hustens mit der Progression der Krankheit zusammenhängt. Die Ergebnisse sind durch unseren klinischen Partner noch nicht publiziert, sehen aber vielversprechend aus. Für uns war das ein sehr wichtiger Moment, weil wir gesehen haben, dass der Ansatz nicht nur bei Patienten zu Hause funktioniert, sondern auch unter anspruchsvolleren Bedingungen mit einer schweren Krankheit. Zusammen mit der Schweizer CSS Versicherung haben wir außerdem im Dezember 2021 die App „myCough“ für den deutschsprachigen Raum herausgebracht. Das ist eine allgemeine krankheitsagnostische App, die von Patientinnen und Patienten mit vielen unterschiedlichen Erkrankungen zur Beurteilung ihres Hustens genutzt werden kann – sei es eine akute Erkältung, Allergie, COPD, Asthma oder chronischer Husten.