ÖGK: Der (steinige) Weg zum einheitlichen Ärztegesamtvertrag

Lesedauer beträgt 3 Minuten
Autor: Franz Kiesl

Ein bundesweit einheitlicher Gesamtvertrag für alle Vertragsärzt:Innen der ÖGK ist notwendig, aber nur sehr schwer umsetzbar.

Mit Wirksamkeit 01.01.2020 wurden die neun Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) fusioniert. Die Versicherten erwarten sich durch diese Fusion einheitliche Leistungsansprüche, die Vertragspartner einheitliche Vertragsbedingungen und Honorare. Am Beispiel der Ärztegesamt-verträge zeigen sich die Schwierigkeiten, die mit einer Leistungs- und Tarif-harmonisierung verbunden sind.

Ausgangssituation/Problemstellung

Im Bereich der ÖGK gibt es für die niedergelassenen Vertragsärzt:Innen im sogenannten kurativen Bereich neun Gesamtverträge (GV) mit völlig unterschiedlichen Leistungskatalogen, Textierungen und Honorarordnungen. Diese GV wurden jahrzehntelang zwischen den früheren Gebietskrankenkassen (GKK) und den regionalen Ärztekammern jeweils für ihr Bundesland verhandelt.

Nach der Fusion der Gebietskrankenkassen zur ÖGK soll diese mit der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) einen einheitlichen Ärztegesamtvertrag abschließen. Solange es allerdings einen solchen einheitlichen Ärztegesamtvertrag nicht gibt, gelten die regionalen Gesamtverträge weiter und werden zwischen ÖGK und regionalen Ärztekammern weiterentwickelt. Der im ASVG vorgesehene einheitliche Gesamtvertrag mit der ÖÄK kommt nur dann zustande, wenn die regionalen Ärztekammern ihre Gesamtvertragshoheit praktisch aufgeben und einem einheitlichen Gesamtvertrag der ÖGK mit der ÖÄK zustimmen.

Eine solche Zustimmung wäre vielleicht dann zeitnah möglich, wenn die ÖGK in einem neuen, einheitlichen Ärztegesamtvertrag alle bisher bestehenden Bedingungen und Tarife auf dem „höchsten Niveau“ vereinheitlicht. Ein Unterfangen, welches weder sachlich zu argumentieren geschweige denn zu finanzieren wäre. Aktuell führt somit die ÖGK als zentraler Krankenversicherungsträger die sogenannten Honorarverhandlungen, bei denen pro Bundesland insbesondere über die Weiterentwicklung des Leistungsspektrums und über Tarifanhebungen gesprochen wird, mit neun regionalen Ärztekammern. Es versteht sich von selbst, dass ein solches Verhandlungsprozedere für beide Seiten sehr „herausfordernd“ ist.

Zielsetzung der ÖGK

Die ÖGK nimmt den Auftrag des Gesetzgebers und die Erwartungen der Versicherten und Vertragspartner sehr ernst und strebt einen bundesweit einheitlichen Gesamt-vertrag mit einem einheitlichen Leistungs- und Honorarkatalog an.

Diese Zielsetzung entspricht auch der aktuellen Gesundheitsreform, wobei vom Gesetzgeber (neuerlich) angeordnet wird, dass „die Österreichische Gesundheitskasse einen bundesweit einheitlichen Gesamtvertrag abzuschließen hat“.

Hindernisse auf dem Weg zum Ziel

Die ÖGK kann einen bundesweit einheitlichen Gesamtvertrag nur im Verhandlungs-weg mit der ÖÄK umsetzen. Die ÖÄK wiederum braucht dafür die Zustimmung der regionalen Ärztekammern. Es ist – wie gesagt – nicht zu erwarten, dass es eine solche Zustimmung hinsichtlich eines einheitlichen Honorierungssystems bzw. einer Harmonisierung des Tarifniveaus zu für die ÖGK vertretbaren Bedingungen geben wird.

Eine (bloße) Einigung auf einen einheitlichen Leistungskatalog ohne Harmonisierung des Honorierungssystems erscheint hingegen möglich, wobei sich die ÖGK mit der ÖÄK (wohl unter Einbindung der regionalen Ärztekammern) darüber einigen müsste, wie die unterschiedlichen Leistungen in den Bundesländern zu harmonisieren sind und welche Leistungen erstmals im niedergelassenen Bereich angeboten werden sollen. Insbesondere die Entscheidung über die Aufnahme neuer Leistungen, die es bisher im niedergelassenen Bereich nicht gibt, bedarf aufwendiger Analysen über deren Evidenz, die Qualitätsvoraussetzungen, die Fachgebietszuordnung sowie die Verrechnungsbedingungen und Tarifierung.

Allerdings wird ein solcherart harmonisierter und erweiterter Leistungskatalog erst dann wirksam, wenn die davon umfassten Leistungen von allen Vertragsärzt:innen der ÖGK im Rahmen des Kassenvertrages, also „auf e-Card“, tatsächlich erbracht werden. Das passiert allerdings erst und nur dann, wenn die einheitlich definierten Leistungen auch honoriert werden. Und hier schließt sich der Kreis zur eingangs angeführten Problemstellung, dass ein einheitlicher Ärztegesamtvertrag mit einem einheitlichen Honorierungssystem und einheitlichen Tarifen aufgrund der völlig unterschiedlichen Vertragssituationen und der divergierenden Interessen im Ärztekammerbereich praktisch nicht umsetzbar ist. Die (theoretische) Alternative, dass ein bundesweit einheitlicher Leistungskatalog in die bestehenden regionalen Honorarordnungen/Tarifsysteme eingebaut“ wird, widerspricht nicht nur den Vorgaben des Gesetzgebers, sondern ist auch faktisch nicht möglich, weil Verhandlungen mit neun (selbständigen) Ärztekammern denkmöglich zu keinem einheitlichen Ergebnis führen können.

Fazit

Die Erwartungen der Politik, der Medien, der Versicherten und auch der Vertrags-partner, dass es mit der Fusion der Gebietskrankenkassen zur ÖGK zu bundesweit einheitlichen Leistungsangeboten und Vertragsbedingungen kommt, sind nach-vollziehbar und berechtigt. Die Umsetzung einer solchen Harmonisierung greift allerdings in bestehende Verträge und jahrzehntelang gewachsene Systeme ein und bewirkt damit massive Widerstände, die es durch (meist mühsame und langwierige) Verhandlungen zu überwinden gilt.

Mag. Franz Kiesl, MPM

Franz Kiesl ist seit 1988 im Vertragspartnerbereich der Sozialversicherung tätig:

  • von 1991 bis 2007 als Abteilungsleiter und
  • von 2008 bis 2019 als Ressortdirektor in der OÖGKK
  • seit 2020 Bereichsleiter in der ÖGK und damit insbesondere auch verantwortlich für die Gestaltung der Beziehungen zu den niedergelassenen ÄrztInnen.

Video-Tipp:

Sehen Sie hier den Vortrag von Franz Kiesl auf dem 13. Österreichischen Gesundheitswirtschaftskongress 2023.

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