Alles VUCA?

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Autor: Heinz K. Stahl

VUCA ist eine infantilisierende Buchstabenfolge (nach für gewöhnlich gut informierten Kreisen riefen übende US-Soldaten „Vuca, Vuca, Vuca“ statt „Russia, Russia, Russia“), die aus zusammengewürfelten Inhalten (volatility, uncertainty, complexity, ambiguity) entstand und einer einfachen logischen Überprüfung nicht standhält.

Complexity beinhaltet bereits uncertainty, weil meine Beobachtungen in einem komplexen System den tatsächlichen Zuständen immer hinterherhinken. Ambiguity ist ein völlig normales Phänomen zwischenmenschlichen Zusammenlebens, weil mir einfach das Wissen fehlt, das Verhalten meiner Interaktionspartner exakt zu bestimmen. Menschen, wie Organisationen, sind keine trivialen Maschinen, sondern nicht-triviale Systeme, die extrem pfadabhängig und damit nicht determinierbar sind.

Wozu brauchen wir also VUCA? Nur deshalb, weil dieses Akronym – wie AGIL, KISS, SMART und viele andere – aus den USA kommt, einem Land, das zwar aufgrund der Risikofreude und der Ballung von Kapital monopolartige und weltumspannende Unternehmen wie Google & Co. aufweist, zugleich aber auch marode Industrien ohne Wettbewerbsfähigkeit?

Die heutigen Bedingungen, unter denen sich Management bewähren muss, können anhand von drei Merkmalen präziser, wenngleich auch nur akronymbefreit, beschrieben werden:

■ Hohe Komplexität („Alles scheint mit jedem verbunden zu sein“), die in ihrer sozialen Dimension als Wertedynamik besonders spürbar wird. Die alten Pflicht- und Akzeptanzwerte sind zwar nicht verschwunden, aber sie wurden abgewertet und die neuen Selbstentfaltungswerte stattdessen aufgewertet. Heute bedienen sich die Menschen beider „Wertetöpfe“ und „mixen“ sich daraus ihren persönlichen „Wertecocktail“, den sie dann von Zeit zu Zeit den Lebensphasen oder Umständen anpassen.

■ Hohe Kontingenz („Morgen kann alles schon wieder ganz anders sein“), die ein Planen überflüssig zu machen scheint. Kontingenz bezeichnet die prinzipielle Offenheit und Ungewissheit menschlicher Lebenserfahrungen. Sie wird als Zufälligkeit und damit Verunsicherung erlebt. Oder philosophisch ausgedrückt: Alles, was weder notwendig noch unmöglich ist, gilt als kontingent. Die Entgrenzung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wirkt als Katalysator dieses Phänomens.

■ Hohe Volatilität („Die Pendelausschläge werden immer heftiger“), die ein „Durchtauchen“ oder „Aussitzen“ höchst riskant machen. Solche Handlungsweisen werden oft fälschlicherweise der Philosophie des Pragmatismus (Das Tun kommt vor den Überlegungen) zugeschrieben. Starke und unvorhersehbare Schwankungen (z.B. von Rohstoffpreisen, Nachfrage, politischen Positionen, Wettbewerbsaktivitäten) innerhalb einer kurzen Zeitspanne verlangen einen hohen Grad an Wachheit. „Führen im Autopiloten“ würde „Führen ohne Piloten“ bedeuten, und das wäre fatal.

Heinz K. Stahl
info@hks-research.at

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