Was hat organisationale Resilienz mit Qualität zu tun?

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Autor: Kepler Universitätsklinikum

Organisationen, von denen besonders hohe Risiken ausgehen, sollten im Idealfall besondere Anstrengungen zum Aufbau und zur kontinuierlichen Weiterentwicklung ihres jeweiligen Risiko-, Sicherheits- oder Qualitätsmanagements realisieren. Solche Hochsicherheitsorganisationen, zu denen insbesondere Krankenhäuser zählen, sollten also maximal resilient sein, sicher und möglichst unterbrechungsfrei betrieben werden, ohne zusätzliche Gefahren für die Gesellschaft oder Umwelt zu erzeugen.

 Trotz vieler Bemühungen in der Vergangenheit haben sich in unseren Krankenhäusern einige tiefgreifende Strukturprobleme herausgebildet, wie beispielsweise die Verknappung von Ressourcen, Zunahme an Erschöpfung und Burnout, unzureichende Kommunikation sowie die fehlende Digitalisierung und Vernetzung. Gleichzeitig besteht am Markt ein immer größerer Wettbewerb und das Vertrauen in unabhängige Zertifikate und Standards steigt. Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess war noch nie wichtiger, um sich abzuheben und nicht stillzustehen. Das Konzept der organisationalen Resilienz kann hier einen Beitrag leisten, um Herausforderungen und unerwartete Ereignisse effizient und insbesondere auch gesund zu überstehen, um auch angesichts der sich verändernden Umgebung und Rahmenbedingungen entsprechende Qualität und Sicherheit der Gesundheitsversorgung bieten zu können.

Organisationale Resilienz im Krankenhaus

Organisationale Resilienz (OR) beschreibt einen sowohl proaktiven als auch reaktiven Ansatz, wo es gilt, Trends und Bedrohungen frühzeitig zu erkennen, unerwartete Ereignisse zu bewältigen und aus den Ereignissen zu lernen. Duchek (2020) unterscheidet drei Phasen der organisationalen Resilienz: 1) Antizipation, 2) Bewältigung sowie 3) Anpassung. In der Forschung wird OR häufig als Ergebnis verstanden, in der Resilienz eine Reaktion ist, die Organisationen anstreben sollten. Neuere Studien hingegen definieren Resilienz eher als dynamischen Prozess1, der die Entwicklung nicht nur einer Fähigkeit, sondern eines breiteren Spektrums von Fähigkeiten umfasst.2

Zusammenfassend geht es also bei der OR wie im Qualitätsmanagement (QM) um die Organisation von Sicherheit und Zuverlässigkeit. Diese Verbindung wird in diesem Artikel durch Gegenüberstellung eines Modells für organisationale Resilienz und des Qualitätsmodells nach Donabedian (Strukturqualität, Prozessqualität, Ergebnisqualität) erläutert. In beiden Modellen sind die drei Phasen/Dimensionen voneinander abhängig, vielfältig und eng miteinander verknüpft.

Antizipation vs. Strukturqualität

In dieser Phase stehen Beobachtung, Identifikation und Vorbereitung auf das Unerwartete im Vordergrund, denn trotz aller Bemühungen im QM kann eine Organisation nie vollständig abgesichert werden. Es gilt, schwache Signale von Veränderungen schon in einem frühen Stadium wahrzunehmen, außerdem die Bereitschaft, sich überraschen zu lassen und Neues nicht sofort mit alten Mustern zu erklären. Diesbezüglich bedarf es einer Kultur und einer Führung, die das Bewusstsein für und die Konzentration auf mögliche unerwartete Ereignisse fördern. Sowohl das Management als auch die Führungskräfte spielen dabei eine wichtige Rolle, indem sie versuchen, der Kommunikation intern mit den Mitarbeitenden sowie extern durch Kontakte und Netzwerke einen höheren Stellenwert einzuräumen. Einerseits durch aktives und strategisches Zuhören und Meinungen, Gedanken, Gefühle, Erfahrungen sowie ihr Wissen zur Kenntnis nehmen, andererseits durch richtiges, sinngebendes Kommunizieren. Organisationen, die strategisch, proaktiv und prozessorientiert arbeiten möchten, müssen die strukturgebenden Rahmenbedingungen (verfügbare personelle, materielle und finanzielle Ressourcen) sowie die zur Leistungserbringung erforderlichen Fähigkeiten in einer den Anforderungen entsprechenden Weise bereitstellen, um ein System der Antizipation entwickeln zu können.4

Coping vs. Prozessqualität

Es muss nicht jedes Unerwartete sofort zum Problem werden, aber das potenziell Bedrohliche bedarf zumindest einer kurzfristigen oder aber auch langfristigen Reaktion und unterbricht jedenfalls die Routinen der Organisation. Die Dimension der Prozessqualität umfasst die relevante Bandbreite dieser Routinen, Praktiken und Tätigkeiten und das Zusammenwirken der ärztlichen, pflegerischen und administrativen Aktivitäten im Rahmen des Versorgungsprozesses. Eine hohe Prozessqualität bedeutet, dass das Richtige „doing the right things“ rechtzeitig und gut getan „doing the things right“ wird. Im Mittelpunkt steht der Mensch als Hauptakteur, sei es als Gestalter von Prozessen oder als persönliche Ressource, die diesen zugeordnet und als solche in diesen handelt. Nur wenn ein optimales Funktionieren von Menschen gewährleistet werden kann und die Stärken der menschlichen Ressourcen und psychologischen Kapazitäten zur Leistungsverbesserung vorhanden sind, können Prozesse und dazugehörige Bedingungen sicher erfüllt werden. Für die Resilienzforschung bedeutet dies, dass eine Organisation nur so resilient sein kann wie ihre Mitarbeiter selbst5.

Adaption vs. Ergebnisqualität

Die Adaption ist die Brücke, die uns von der Bewältigung nach unerwarteten Ereignissen in der Vergangenheit zur Vorbereitung auf Herausforderungen in der Zukunft führt. Der Fokus hierbei liegt auf dem Lernen aus den Geschehnissen d.h. die Flexibilität bzw. die Anpassung der Organisation an Umweltveränderungen, indem absichtliche Schritte (strategische Resilienz) unternommen werden, um sich wieder an ein neues Gleichgewicht anzupassen. Forscher differenzieren zwischen dem Lernen als ergebnisorientierte Betrachtung (lessons learned) und dem Lernen während des Umgangs mit dem Unerwarteten (expe­riencing). Angesprochen sind damit die individuelle und organisatorische Fähigkeit, Lernerfahrungen in neue Organisations- und Denkstrukturen sowie Handlungen dauerhaft zu verankern und umzusetzen6 und damit messbare Veränderungen als Ergebnis bestimmter Rahmenbedingungen und Maßnahmen zu erreichen.

Ausblick

OR ist essenziell für Krankenhäuser, die selbst einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, denn zusätzlich zu den möglichen physischen und psychologischen Folgen bei den Mitarbeitenden, können Herausforderungen und unerwartete Ereignisse die Qualität der allgemeinen Gesundheitsversorgung stark beeinträchtigen und Behandlungsfehler sowie Krankenhausinfektionen bei Patienten begünstigen. Nicht zu vergessen die hohen Kosten für die Personalausfälle bzw. Fehlerkorrekturen, was wiederum zur Verknappung von Ressourcen generell führt. OR sollte zu einer der Kernphilosophien innerhalb der Organisationen werden, um sicherzustellen, dass sie in der Lage sind, trotz Unterbrechungen zu funktionieren. Raus aus der Abwärtsspirale hin zu Systemen, die bereit sind, bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung qualitativ hochwertiger Dienstleistungen zu lernen und zu wachsen.

1 Linnenluecke, M. K., & Griffiths, A. (2012). Assessing organizational resilience to climate and weather extremes: complexities and methodological pathways. Climatic change, 113(3): 933-947.
2 Limnios, E. A. M., Mazzarol, T., Ghadouani, A., & Schilizzi, S. G. M. (2014). The resilience architecture framework: Four organizational archetypes. European Management Journal, 32: 104-116.
3 Duchek, S. (2020). Organizational resilience: a capability-based conceptualization. Business Research, 13(1): 215-246.
4 Frandsen, F., & Johansen, W. (2017). Organizational Crisis Communication: A Multivocal Approach. London: Sage.
5 Carmeli, A., Sheaffer, Z., Binyamin, G., Reiter-Palmon, R., & Shitmoni, T. (2013). Transformational Leadership and Creative Problem-Solving: The Mediating Role of Psychological Safety and Reflexivity. The Journal of Creative Behavior, 0(0): 1-21. Riolli, L., & Savicki, V. (2003). Information system organizational resilience. Omega, 31(3): 227-233.
6 Christianson, M. K., Farkas, M. T., Sutcliffe, K. M., & Weick, K. E. (2009). Learning through rare events: Significant interruptions at the Baltimore & Ohio Railroad Museum. Organization Science, 20(5): 846-860.

Mag.a Nina Füreder
Stabsstelle Qualitätsmanagement Kepler Universitätsklinikum GmbH
Nina.Fuereder@kepleruniklinikum.at
Johannes Kepler Universität Institut für Personalführung & Veränderungsmanagement
www.jku.at

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